Gibt es nun für den Altbau einen gefährlicheren Feind als uns Planer? Unter dem Deckmantel der "Instandsetzung",
"Energieeffizienz" und "Nachhaltigkeit" verstecken wir den kostentreibenden Vernichtungsfeldzug gegen den Bestand und nennen das
gleichwaohl Altbauheilung = Altbausanierung. Neubaunormen, Liturgiereformen, "Schlechtachten"
der Bauphysik und Bauchemie, unsere Ausbildungslücken, Selbstverwirklichung und unauskömmliche Honorare begründen immer
noch jeden, also auch den teuersten und technisch unsinnigsten Eingriff bei der Altbauinstandsetzung bis zur "Entkernung" oder gar dem
Abriß aus "wirtschaftlichen" Gründen. Als ob wir wirklich wüßten, was wirtschaftlich sei! Für unsere
phantasiegeplagten Nutzungsstudien und jurybepreisten Entwürfe soll doch gefälligst der Bauherr sehen, wo er das Geld beikriegt.
Daaß Altbauflächen genutzt werden können, ist freilich selbstverständlich, für die Wirtschaftlichkeit stellt
sich aber die alles entscheidende Frage: mit welchem Ertrag? Dafür langt schon ein bißchen Kopfrechnen.
Und ebenso klar ist, daß nur verglaster Stahl mit Solarplatten obenauf und "umweltneutralem" Energiekonzept - will sagen
schimmeliges Holzgehäcksel, von weither herbeigekutschten giftbelasteten Altholzpellets und kilometerlanger
Wasserschlauchverbuddelung die Jurys begeistert. Oder - die auch beliebte "Alternative" - eine patriotistische Denkmalfälschung,
als "Schöpferische Denkmalpflege" geschönt.
Wer den Bau wirklich beherrscht
Nicht nur das Baustoff- und Konstruktionsverständnis von uns Planern besteht manchmal aus schwarzen Löchern. In diese stößt das Vermarktungsgeschick des Firmen-Baustoffberaters wie der Habicht auf das Huhn. Bei unterfinanzierter Planung - also bei 99,9 % aller öffentlichen und privaten Planungsaufträge - liefert er Umsonstberatung, -begutachtung und -planung bis zu Kostenschätzung, Angebotsauspreisung und Ausschreibung. Als Zubrot gibt's geschenkgestützte Besuche.
Der eigentliche Bauherr (Kämmerer, Steuerzahler, Kirchengemeinde, privater Auftraggeber) kriegt das natürlich nicht mit. Lieber freuen er oder seine untreuen "Vertreter" sich, es dem Planerschnösel gezeigt zu haben: durch Unterbewertung der Honorarfaktoren mit folgendem 0 Mindestsatz. Wenn er nicht mitmacht, warten zig Kollegen, die die Baustoffkorruption besser beherrschen, schon auf den Auftrag. Zu jedem Honorar. Wenn sich der rechthaberische Planer beschwert, wenn er Vergleich von einschlägigen Ausschreibungen als Leistungsnachweis und entscheidendes Vergabekriterium für den Planungsauftrag fordert, gilt das als "Kampf gegen Windmühlenflügel".
Und wenn es hart auf hart kommt, verteidigt sogar ein Landrats-Pressesprecher das Aushebeln der Neutralitätspflicht im öffentlichen Vergabeverfahren streng nicht nach VOB und Haushaltsrecht:
Unkalkulierbar und frivol?
Beliebt ist auch die Handwerkerlösung, besonders als Ersatz für Technikplanung. Angebotspreise raus
getippext - fertig ist das LV. Ergebnis? Wir wollen hier nicht spotten ;-)
Wie die Bieter solche produktbenennenden Leistungsbeschreibungen ausnutzen können, ist Bauherrn offenbar nur selten bekannt. Die VOB verbietet deshalb die durch die Baustoffkorruption entstehende, fachlich unbegründete Produktnennung auch mit Zusatz "oder gleichwertig", um die über den Hersteller (oder regionalen Baustoffgroßhändler) eingefädelten Bieterkartelle zu verhindern. Ein so getürktes LV müßte also wg. Korruptionsverdacht aufgehoben werden. Doch egal, dieses Risiko nimmt der geschmierte Planer (und sein Helfershelfer im Bauamt) notgedrungen in Kauf. Vorsichtshalber liest man eben keine VOB, geschweige denn den VOB-Kommentar oder die diesbezüglichen Prüfmethoden der staatlichen Rechnungsprüfungsbehörde ("Hinweise zur Manipulationsverhütung"). Die leider nur allzuselten angewendet werden, wohl um die allgemeine Honorarerpressung nicht zu unterminieren.
Doch auch Planungsverträge sind Vereinbarungen auf Gegenseitigkeit, optimale Leistung will stimuliert werden, Druck erzeugt Gegendruck mit Zinseszinsen. Nicht nur Sadowa, auch für Vertragssadismus fordert Revanche. Folge am Bau: Der Planer "entwirft" dann den Altbau ebenso weit weg wie der Fachplaner und Handwerksmeister. Dieses stillschweigende "Bündnis für Arbeit" fördert Umsatz und Gewinn. Der Bauherr tappt rettungslos in diese knirsche Baukostenfalle. Die Schadensfälle der modernen und überteuerten Baustoffe und -verfahren treiben dann das Rad der Dauersanierung an. Und der Baustoffvertreter erzählt stolz von seinen tollen Freunden in diesem und jenem Büro, die ihm seine Qualitätsprodukte aus der Hand fressen. Fragen Sie mal nach seinen "Referenzen", "Ihr" Planer bzw. Baubeamter ist vielleicht auch dabei.
Bestandserhaltendes Planen und Bauen wäre im Interesse des (unbekannten) sparsamen Bauherrn. Seine in der Voruntersuchungs- und Planungsphase ausgelassene Sparwut öffnet jedoch die Einflugschneise für planergestützte Wunder der Werbung rund um Sperr-Sanierputz, untauglliche Mauerwerkstrockenlegung (Spritzen, Sägen, Brechen) gegen aufsteigende Feuchte, Dämmen, Dichten und Zwangsbelüften gegen Schimmelbefall, Energieverjucken durch lufthaltige Schäume, Gespinste, Flocken und Raumabdichtung, Schädlings- und Bewohnerbekämpfung, dampfdiffusionsoffene Wasserabweisung mit Durchfeuchtungsgarantie und wetterstabile untergrundzerstörende Mineralfarbe. Das kostet sinnlos Bestand und Geld. Weniger Planung liefert so mehr Honorar.
Der Altbau hätte mehr Respekt verdient: Technisch, wirtschaftlich und gestalterisch bietet er Qualität. Seine Mitverwendung - durchaus im Widerspruch zu Neubaunorm und Zeitgeist - spart Baukosten. Obendrein bliebe so sein Zeugniswert erhalten. Nur das Ganze, der letztüberkommene Zustand mit allen schönen und häßlichen Teilen kann als Informationsträger der vollständigen Geschichte dienen. Eine kluger Bauherr sollte also gerade bei knapper Kasse fragen: Wie finanziere ich die Bauinvestition und organisiere den Betrieb wirtschaftlich und vor allem: welcher Baubestand ist noch kostensparend wiederverwendbar? Mit was und wie setze ich ihn so instand, daß er möglichst lange hält und mir das Haus nicht vergiftet? Stattdessen sucht man rekonstruierbare Urbefunde und Planer, deren (berechtigter?) Auftragsmangel am meisten Honorardumping zuläßt. Wegwurf statt Entwurf ist die Folge.