Vortrag auf der PaX-classic-Fachtagung "Fenster im Baudenkmal" am 31.10.1998 in Bad Lausick
(Manuskript - ohne Abbildungen, leicht gekürzt und inhaltlich ergänzt)
Zusammenfassung
Die Reparatur von alten Fenstern ist wirtschaftlich und technisch meist grundsätzlich sinnvoll. Das gilt für Holzfenster
genauso wie für Alufenster/Metallfenster und Plastikfenster/Kunststoff-Fenster und für Einfachfenster genauso wie für Kastenfenster,
Verbundfenster und Isolierfenster. Auch Dreh-Kipp-Beschläge können nachgerüstet werden. Freilich nur, wenn man den
Handwerker kennt, der sich damit auskennt und weiß, wo er die Ersatzteile herbekommt. Dennoch wird meistens viel zu schnell
erneuert, wenn der unqualifizierte Schreiner/Fensterbauer kommt. Unterlassene Instandhaltung einerseits, andererseits aber auch
unterlassene Bestandsaufnahme und "eingesparte", ungenügende Planung und "Beratung" tragen dazu bei:
In unfaßbarem Umfang werden technisch brauchbare, oft überlegene alte Fensterkonstruktionen weggeworfen, obwohl deren
Erneuerung mehr kostet und oft wesentlich schlechtere technische Ergebnisse bringt. Der Weg zur kostengünstigen und technisch guten
Reparatur der vernachlässigten historischen Fensterkonstruktionen führt über eine systematische und korrekte
Bestandserfassung hinsichtlich Konstruktion und Schadenssituation / Verschleiß zur Reparaturplanung mit detaillierter
Kostenberechnung und nachfolgender öffentlicher Ausschreibung.
Für diese Planungsleistungen gibt es altbaugeeignete und langjährig bewährte Planungsmethoden:
Das Raumbuchsystem für die Bestandserfassung und das Positionsbausteinsystem für die
Ausschreibung und Vergabe. Bauen im Bestand und auch die Erhaltung alter Fenster werden damit kalkulierbar und wirtschaftlich.
Einführung
Die erhaltende Instandsetzung von Fenstern im Bestand kann zwei Ziele erreichen:
Denkmalideologisch: Leistungsfähige Baukonstruktionen werden als Zeugnisse hochentwickelter und langzeitbewährter Handwerkskunst für kommende Generationen erhalten. Ihre technische Qualität bleibt damit am Einsatzort nachprüfbar, das darin erwiesene ganzheitliche Bauen und schöpferische Gestalten trotzt der Vergänglichkeit. Natürlich kann das auch für alten Pfusch und Murks geltend gemacht werden. Diese Gabe der Vergangenheit, manchen Betrachtern sogar heilstiftende lkone eines religionsersetzenden Denkmalkults, bereichert auch die Zukunft. Sie erfordert konstruktive Behutsamkeit, vielleicht auch maßvolle Achtung.
Baupraktisch: Die alten, meist ganzheitlich geplanten Konstruktionen nahezu aller vergangener Epochen müssen weder technisch noch wirtschaftlich den Vergleich mit modernen Industrieerzeugnissen scheuen und können diese auch übertreffen. Dies gilt besonders im Altbau, wenn der übliche Schimmelschadensprozeß der Fenstermodernisierung mit hermetischer Raumversiegelung folgt. Moderne Konstruktionsmethoden und Baustoffe, vielleicht zwar DIN- und regelwerksgerecht, sind aufgrund ihrer Bauweise mit oft minderwertigen Baustoffen im Vergleich zum traditionellen Fensterbau oft reparaturfeindlicher und schadensanfälliger. Sind aber trotzdem meistens noch wirtschaftlich und technisch sinnvoller zu reparieren, anstatt auszutauschen.
Die Nachteile moderner Fenster belegen viele Beispiele:
- Durch UV-Angriff und Ausgasung giftiger Weichmacher korrodierende Kunststoffoberflächen mit eingeschränkten Instandsetzungsmöglichkeiten;
- Thermisch instabile Plastikwerkstoffe für die Rahmenprofile der Stockrahmen und Fensterflügel, die nicht nur,
soweit aus PVC (Polyvinylchlorid) Salzsäre abspalten können und dabei die innen versteckten Metallprofile absäuern,
dazu extrem verformungsanfällig sind und allzu schnell zu verformten Fensterflächen führen, sondern auch
als Widerlager für die hochbelasteten Beschläge bald versagen können und dann zu fast unheilbar "schlackernden"
Flügeln ohne ausreichende Nachstellmöglichkeiten führen;
- durch immer extremere Dichtungsanforderungen enstehen immer schwerere und massivere Fensterflügel, die zum einen die
Beschlagtechnik bald überlasten und dann - weil es die hochkomplizierten Beschläge oft viel zu schnell nicht mehr gibt (hier
braucht es Metallprofis, die es freilich vereinzelt gibt!)- neue Fenster erforderlich machen und zum zweiten immer weniger pro qm
Fensterlichte hereinlassen;
- Ausgasungsempfindliche Dichtungslippen / Dichtungsprofile in Fensterfugen und im Fensterfalz, die mittelfristig versprüden, dank
Materialverlust schrumpfen oder soweit eingeklebt, abfallen;
- versiegelte Isoliergläser mit vorgegebener Leckagerate, die dann je nach Kondensatbelastung innen beschlagen
und das zur Pseudo-Trockenhaltung in den Rahmenprofilen deponierte hygroskopische Salz ausspülen und an der
für Instandsetzung bzw. Reinigung unzugänglichen Innenfläche auskristallisieren;
- immer lichtundurchlässigere Mehrfachfenstergläser, die durch geringeren Solardurchlasgrad g immer weniger
kostenlose Solarenergie im Raum einfangen, damit zwangsweise die Heizperiode verlängern und so nicht nur den
Heizenergieverbrauch, sondern auch den Energieverbrauch für die Raumbeleuchtung erhöhen.
- für die ersten paar Jährchen durch immer extremer werdende Dichtungslippen / Lippendichtungen / Schlauchdichtungen eine überdichte
Fenster-Falzausbildung, die hygienisch gefährliche bzw. krankmachende Raumluft mit hoher Schadstoffkonzentration
durch ständig ausgasende Wohngifte und Ausdünstungen der Raumnutzer (denken Sie an das Schlafzimmer) bei
gleichzeitiger Unterversorgung mit lebenswichtigem Sauerstoff, Hausschwamm- und Schimmelbildung bzw. teure,
energieverbrauchserhöhende und ebenfalls schadensanfällige sowie krankmachende
Zusatzlüftung oder geradezu irrsinige Lüftungsklappen im Rahmen oder "undichte" perforierte
Dichtungsprofile mit hohem Mehrpreis geradezu erzwingt;
- ausgasender, brüchig werdender und schwundanfälliger Montageschaum, der weder von innen dauerhaft das
Eindringen von bedrohlichem Kondensat aus der Raumluft, noch den Schlagregen von außen dauerhaft verhindern kann
und somit Feuchteschäden am Fensteranschluß verursachen kann;
- kunstharzhaltige, schnell versprödende und feuchteblockierende Deckanstriche;
Einsatz vieler ökologisch bedenklicher Problembaustoffe [1].
Die Qualität alter Fenster - ohne Lippendichthteit, innenliegendem Drehkipp und Isolierglas - im Vergleich zu "modernen"
nimmt hinsichtlich Materialgüte, Reparaturfreundlichkeit, Ausführungsgenauigkeit und selbstverständlich auch Ästhetik
/ Gestaltung mit steigendem Baualter geradezu exponentiell zu. Das wissen alle Fensterprofis mehr als genau. Oh wie ist das peinlich
für all die raffinierten Profis der Fensterbranche (neben der bestimmt überwiegenden und sicher
übergroßen Mehrheit ehrlicher, perfekter, hochanständiger und kundenfreundlichster Schreinermeister,
Tischlermeister und Fensterproduzenten / Fensterfabrikanten / Fensterbauer, die hier keinesfalls in ihrer geradezu
christlichen Handwerksehre und hingebungsvollen Geschäftsethik verletzt werden sollen, hoch seien sie auf ewig
gepriesen, all die unendlich vielen ehrbaren Meister der Zunft / Innung / Handwerkskammer!), die dem arglosen Bauherren
immer weismachen, ihm das hinterfotzigerweise als "Energetische Sanierung" anpreisen, das angepriesene neue Fenster, selbstverständlich mit Maximalpfuschgarantie hergestellt und primitiv
in die Wand geklatscht bzw. geschäumt, käme ihn günstiger als eine Reparatur und mache sich durch
kräftiges Sparen von Heizungsenergie quasi von selbst bezahlt.
Nein, und nochmals NEIN!: Die handwerkliche Erhaltung alter Fenster mit dem o.g. ehrbaren Fensterhandwerker (Tischler,
Schreiner, Fensterbauer, Glaser, Schmied, Schlosser, Metallbauer) ist auch langfristig immer wirtschaftlich
überlegen und hilft, im Sinne einer wirklich sparsamen, ökologisch guten und wahrhaftig
umweltschützend-nachhaltigen Reparaturstrategie, teuren Problemmüll zu vermeiden und gleichzeitig Energie
zu sparen.
Und wenn Sie mir nicht glauben (sehen Sie, ich kenne Sie doch!), benutzen Sie doch einfach Ihre Lieblings-Suchmaschine,
um den alltäglichen Fensterpfusch geradezu überall ausfindig zu machen: "Fenster, Mangel, Schaden, Pfusch,
Gewährleistung, Haftung, Forum" in beliebigen Wortkombinationen anwenden, Ätschebätsch ;-)
Eine erhaltendes Instandsetzen von alten Fenstern setzt aber voraus:
1. die zutreffende Bestandsaufnahme der Baukonstruktion und ihres Erhaltungszustandes,
2. ihr Umsetzen in eine substanzschonende, technisch und wirtschaftlich überzeugende Planung und
Baudurchführung sowie
3. das Vermitteln der technischen Qualität und Wirtschaftlichkeit des erhaltenden Instandsetzens an den Bauherren
mit der Folge einer
4. vertraglichen Absicherung des erforderlichen Leistungsaufwandes bei Planer und Handwerker.
Kein Problem? Doch: Die allermeisten Altfenster werden doch nach wie vor und seit jeher weggeworfen. Warum ist das so?
Der Vernichtungskrieg gegen alte Fenster - Ursachen und Verlauf
Der Verlust von Altfenstern hat oft folgenden Hintergrund:
Der Bauherr
- hat keine Erfahrung bzw. Vorurteile im wirtschaftlichen Umgang mit Bestandskonstruktionen,
- hat schlechte Erfahrung durch mißlungenen Unterhalt von gestrichenen Holzfenstern mittels Kunstharzfarben;
- glaubt "Beratungen" von Nachbarn und Drohargumenten (s.u.) von Handwerkern/Planern, die am Austausch der guten,
aber dank falscher Anstrichstoffe (synthetische Lacke) oberflächlich nicht mehr ganz so schönen Altfenster gegen
modernen Fensterpfusch schönes Geld maximal verdienen;
- traut dem modernen Fenster alles zu, was ihm die Reklame und Energiesparpropaganda einflüstert bzw. in fast jeder Wochenend-Immobilienbeilage seines
Käsblattes wieder und wieder zum Auswendiglernen eintrommelt: Nie mehr streichen! Energiespareffekte dank zigfach-Spezialscheiben mit
Edelgasvakuumisierung bis 150%!! Supergünstig!!! - so sinngemäß das Firmen- und Energieberater-Marketing - Ausnahmen bestätigen die Regel;
- ist Denkmalpflegeargumenten bzw. dem Denkmalschutz / Denkmalpfleger gegenüber von vornherein und ganz
grundsätzlich - soweit selbst betroffen (für den Nachbarn, dem sein unverschämter Bauwunsch verhindert
wird, mag Denkmalpflege ja angehen bzw. ist geradezu terrorgleich-diktatorischer Denkmalschutz eine wirklich gute
Sache!) - extrem mißtrauisch bis vollständig ablehnend;
- ist nicht bereit, angemessene Voruntersuchung, Bestandsaufnahme und Planung zu bezahlen, es gibt doch überall
Planungsleistung umsonst!;
- hat zu viel Geld, das drückt und möchte dafür auch "etwas Neues" sehen, mit dem er es den Nachbarn,
Kollegen, der Lebensabschnittsgefährtin;, den Haus-und-Grundbesitzervereinsmitgliedern, den Schnöseln im
Rotary- oder Lions-Club mal richtig zeigen kann, was er sich doch alles leist kann;
- kann den Fensteraustausch miet- bzw. steuerrechtlich (Modernisierungsumlage gem. Mietrecht, vergünstigte
Abschreibung gem. Einkommenssteuerdurchführungsverordnung ...) scheinbar günstig refinanzieren;
- gibt unzureichende Fristvorgaben für Planungs- und Bauabwicklung.
Der Planer
- weiß nicht, wie man Fenster technisch zutreffend erfassen, instandsetzen und gem. VOB/A §9
wirtschaftlich, günstig, nachtrags- und kostensicher, also öffentlich ausschreiben kann - davon hat
er weder im Studium das Geringste gelernt noch in der von korrumpierenden Bausoffberaterbesuchen geprägten Praxis
allzuviel Brauchbares erfahren;
- versteht auch Altbaukonstruktion (ja wie heißen sie denn, all die typischen und Sonderbauteile einer
Fensterkonstruktion, wie unterscheiden sich die unterschiedlichen Konstruktionssystem hinsichtlich effektivem
Wärmeschutz, Schallschutz und Feuchteschutz?), Baustofflehre (wie unterscheiden sich bitteschön die
bauphysikalischen Eigenschaften von verschiedenen Rahmenwerkstoffen, Farbsystemen und Glassorten) und Schadensdynamik
nur mangelhaft bis gar nicht;
- kann ohnehin mangels Einblick in die vielen bestandsgerechten Regelungen der Honorarordnung für Architekten und
Ingenieure (HOAI §§ 2-7, 10-12, 15, 24, 27) kein für die Reparaturplanung auskömmliches Honorar
argumentativ und vertragstechnisch durchsetzen; die Regelung des HOAI § 10.3a,
mit der die Substanzerhaltung honoriert wird, ist ihm (gilt nicht nur für die Planer in den Neuen Bundesländern,
unter denen ich überhaupt noch nie einen 10.3a-Anwender traf) oft unbekannt bzw. in der Anwendung unklar, seine
diesbezügliche Beratung unterbleibt, obwohl sie zum wirtschaftlichen Bauergebnis führen würde;
- führt deswegen die Bestandsaufnahme in der Grundlagenermittlung technisch unzureichend aus - mit dem
vorhersehbaren Ergebnis einer Bestandsvernichtung und Erneuerungsempfehlung;
- lehnt konkrete Denkmalpflege ab, bis seine diesbezüglichen Planungsmehrkosten gedeckt werden;
- studiert zu wenig die Schadensfälle der Baupraxis, vertraut deshalb den beschönigenden Rechenformeln
"moderner" Bauphysik und Normen zur Vermarktung technisch unsinniger oder gar
schädlicher Konstruktionen;
- hat "teure" HOAI und VOB-Kommentare oft nicht einmal im Bücherregal und kann deswegen im Altbau eigentlich
erforderliche Vertragsregelungen und "Normausnahmen" nicht rechtssicher durchsetzen;
- weiß, daß er ohne große Anstrengungen Neufenster planerisch leichter bewältigen kann
(Umsonstplanung - + Präsentli??? - vom Hersteller, die der Planer aber erfreulicherweise vom Bauherrn honoriert
bekommt) und bei seinen Vertragsgegebenheiten damit letztlich mehr Honorar bei weniger Leistung und höheren Baukosten
übrig bleibt - ein Schelm,der Böses dabei denkt ...;
- droht deswegen mit angeblichen instandsetzungsbedingten Mehrkosten, Neubau-DIN-Normen, der Energieeinsparverordnung
EnEV (oft unterbleibt der grundsätzlich geschuldete Hinweis auf die Ausnahmetatbestände im Erhaltungsfall und
die gegebenen Befreiungstatbestände aus wirtschaftlichem Grund zur Vermeidung der sog.
unbilligen Härte gem. § 25 EnEV) sowie (Rosenheimer) Richtlinien (Institut für Fenstertechnik) und
empfiehlt den Fensteraustausch.
Der Handwerker (Schreiner/Tischler)
- sträubt sich, bei der Anfrage nach Reparaturleistungen umsonst die technische Bestandsaufnahme und
Reparaturplanung durchzuführen, da mit seiner (fachlich und vergabetechnisch meist minderwertigen und keinesfalls
qualitätssichernden, geschweige denn der VOB/A § 9 entsprechenden) Leistungsbeschreibung in seinem mühselig
zusammengeschusterten Angebot (er ist ja nicht unbedingt ein VOB-kompetenter Ausschreibungsfuchs, sondern manchmal
eher ein bieder-dumpfer Handwerker mit bestenfalls Realschulabschluß und systematischen Rechtschreibschwächen,
die bei der immer gegebenen Zeitnot noch wesentlich steigerungsfähig sind) oft nach Preislöschung billigere
Angebote eingeholt werden (wofür dann der ggf. beteiligte Planer, dem der Handwerksmuffi vertrauensselig unter der
Hand zuarbeitet, fett Honorar einstreicht);
- hat durch weitgehend industrialisierte Fertigungsmethoden und mangels geeigneter Werkzeug- und Maschinenausrüstung
gar keine technischen Voraussetzungen mehr, qualifizierte Reparaturleistungen zu kalkulieren, geschweige denn
konstruktions- und materialgerecht (allein schon beim fachgerechten Anstrich mit Leinöl weiß er ohne fremde
Hilfe bestimmt nicht mehr weiter) durchzuführen;
- weiß, daß ihm bei neuen Fenstern mit Isolierscheiben ständig Folgeaufträge blühen, wenn
nach der Gewährleistungsfrist die Scheiben durch Kondensat pflichtgemäß erblinden;
- tut sich also bei der Fenstererneuerung leichter, kann oft Industriefenster gewinnbringend weiterverkaufen, verdient
kurz- und langfristig mehr;
- droht deswegen mit den Scheinargumenten des Planers und empfiehlt den Fensteraustausch.
Der Denkmalpfleger
- hat zu wenig handwerklich, bauphysikalisch und kostentechnisch belegte Erfahrung und Argumentation gegen die zum
Fensterverlust führenden Scheinargumente;
- führt als ideologisierter Ästhet und hochnäsig-akademischer Geisteswissenschaftler seine Argumentation
nicht in der materialistisch-primitiven Verständnisebene der sonstigen Beteiligten und kann deswegen beim skeptischen
Bauherren nicht überzeugen;
- unterschätzt den Einfluß der Architektenplanung, den denkmalgerechten Ansatz der HOAI und der VOB;
- will seine knappen Mittel vorzugsweise in Bauforschung, Restaurierung oder Baumaßnahmen ("denkmalpflegerischer
Mehraufwand", den es bei geschickter Erhaltungsplanung kaum geben dürfte) stecken und hat keine brauchbare
Förderstrategie für substanzbewahrende Reparaturplanung;
- ist letztlich froh, wenn er durch Einsatz von Denkmalpflegemitteln und baurechtlichen Drohungen wenigstens Fenster
aus Holz im runderneuerten Denkmal erzwingt, auch wenn er damit indirekt die Vernichtung von Bausubstanz fördert;
dafür nimmt er oft unwissend auch die vielen substanzgefährdenden Nachteile in Kauf, die durch den Einsatz
modern dichter Konstruktionen dem Bestand drohen.
Kommt es durch seinen verstärkten Druck dennoch zur Reparatur der Altfenster, gibt es regelmäßig unsinnig teure Maßnahmen, da
- Bauforscher die Bestandsaufnahme als teuere "Inventardokumentation" ohne ausreichenden Praxisbezug für Planung
und VOB-Ausschreibung durchführen;
- ungeeignete Planungsmethoden zur freien, bestenfalls beschränkten Vergabe mit zu hohen Angebotspreisen in engen
Bieterkreisen führen;
- unzureichende Bestandsaufnahmen ebenso unzureichende Ausführungsplanung mit unvollständiger
Leistungsbeschreibung und zu vielen teuren Nachträgen erzeugt; die Nachtragsforderungen muß der Planer
notgedrungen unterstützen, da der boshafte Auftragnehmer sonst die mangelhafte Planung weiter thematisiert und der
Planer in Regreßpflichten gerät;
- wichtige handwerkliche Grundsätze nicht angewendet werden, da manche Planer den Unterschied zwischen dauerhafter
Reparaturtechnik und dem Einsatz von modernen/genormten Pfuschkonstruktionen und -baustoffen ohne Langzeiteignung
nicht kennen;
- Planer deswegen in der Leistungsbeschreibung keine ausreichenden Qualitätssicherungselemente vorgeben;
- Bauherrn Qualität dann in der Vergabeentscheidung nicht ausreichend berücksichtigen können;
- Bauleiter in der Bauabwicklung die üblichen Betrugsmöglichkeiten im Qualitätsbereich (undeklarierter
Austausch aufwendiger, aber dauerhafter Bauarten und Baustoffe gegen Billiglösungen; minderwertige Ausführung)
mangels diesbezüglicher Planungsunterlagen, exakter Leistungsbeschreibung und eigener Kenntnisse nicht verhindern
können.
Es geht aber auch anders. Davon soll hier berichtet werden.
Die praxistaugliche Bestandsaufnahme - Anforderungen und Ziele
Eine praxistaugliche Bestandserfassung muß folgende Forderungen erfüllen, wenn sie mit angemessenem Aufwand zur technisch und wirtschaftlich guten Reparatur führen soll:
- Anwendbarkeit für Planungsbeteiligte mit technisch-konstruktiver Grundausbildung: Bestandsaufnahme ist nicht
nur Sache von teuersten Fachkräften mit 10-jährigem Denkmalstudium;
- Schnelles, selbstführendes und leicht erlernbares Erfassungssystem: Wirtschaftlich vertretbarer Arbeitsaufwand;
- Anwendbarkeit für Konstruktionen jeder Bauzeit und Bauart (offenes System): Systematische Erfassung
aller Unterschiede im Konstruktionsbestand;
- Vorgabe der gebräuchlichen Konstruktionsteile für alle Bauteile und -schäden: Möglichst
vollständige Erfassung;
- planungsbezogene Schadenserfassung: Keine teure Produktion von "Datenschrott", der für die Planung unbrauchbar
ist;
- Erfüllen der Forderungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen "VOB" an die Bestands- und
Leistungsbeschreibung: Technisch vollständige und wirtschaftliche Ergebnisse;
- kombiniertes Erfassen der Bauschäden und Altbaukonstruktion durch:
-- Lagegetreue zeichnerische Darstellung/Kartierung und begleitende Fotodokumentation:
Zutreffende Planungsgrundlagen für die Ausführungsplanung und Vergabe, qualitätssichernde Gegenkontrolle
der Bestandserfassung im Büro;
-- Systemtreue Erfassung für alle historischen und neuzeitlichen Baukonstruktionsteile: Erfassungslücken
werden systematisch vermieden;
-- Fachterminologisch und bautechnisch zutreffende Beschreibung mit Massenangabe: Verschiedene Bearbeiter erzeugen
eindeutig weiterverarbeitbare Bestandsdaten;
-- Wirtschaftlich angemessenen Erfassungsaufwand;
-- Möglichst objektive Datenerfassung für bearbeiterunabhängige Weiterverarbeitung;
-- Möglichst vollständige Erfassung kostenverursachender technischer Einflußgrößen.
Aufwand und Ergebnis müssen dabei immer kritisch beurteilt werden. Das Erfassungssystem der Bestandsaufnahme und die Planungsmethode müssen deswegen auf die jeweilige Bestandssituation reagieren, d.h. angepaßt werden können. Im Klartext: Im Einzelfall können ergänzende Aufwendungen erforderlich werden (z.B. besonderes qualifizierte Untersuchungsmethoden mit Laboranalytik) oder bestimmte Arbeitsschritte entfallen oder nur eingeschränkt angewendet werden (z.B. Verzicht auf vollständige zeichnerische Dokumentation aller Fenster von innen und außen und in allen Details bis 1:1, Beschränkung auf die maßgeblichen Fenstertypen und Fensterdetails inkl. Bauwerksanschlüsse).
Für Bauforscherausbildung haben nur wenige Bauherrn freie Finanzmittel. Forderungen aus der Denkmalpflege (Wolf Schmidt, Das Raumbuch als Instrument denkmalpflegerischer Bestandsaufnahme und Sanierungsplanung), unter Mißachtung der staatlichen Honorarordnung den finanziellen Aufwand (der Bestandsaufnahme) "auszuhandeln", wobei (anfänglich) "der Zeitaufwand nicht voll vergütet werden kann" [2], bremsen die Ausgaben der Bestandsaufnahme und die Leistungsbereitschaft der Planungsseite. Eine denkmalgerechte Bauvorbereitung ergibt sich damit nicht von selbst.
Bestandserfassung mit dem Raumbuchsystem
Um die oben angeführten Anforderungen an die Bestandsaufnahme weitgehend zu erfüllen, wurde mein Raumbuchsystem (Abbildung 1) entwickelt. Es hat seinen Anfang in der Bearbeitung einer spätgotischen Bürgerhausruine 1984-86 in Bamberg, bei deren kostengünstigen Instandsetzung es sich überraschend gut bewährte (Abbildung 2) und deswegen als Grundvoraussetzung der Kostensicherheit immer weiter entwickelt wurde.
Trotz seines strengen Formularcharakters hat sich unser Erfassungssystem als universell einsetzbar erwiesen, gleich ob es sich um die Bestandsaufnahme von Fenstern (Einfachfenster, Verbundfenster, Kastenfenster, Winterfenster, Isolierfenster), Türen und Treppen oder von Wandkonstruktionen, historischen Putzfragmenten oder Kehlbalkendachstühlen mit Barockziegeln, jeweils im unterschiedlichsten Erhaltungszustand handelt [3]. Im Unterschied zu anderen in der Denkmalpflege verbreiteten Raumbuchsystemen werden ausschließlich planungsrelevante Daten erfaßt. Dieses Raumbuch entartet nicht zum Raumroman in zigfacher Auflage. Die Finanzierungsbereitschaft des Bauherrn ist dafür eher zu erreichen.
Das Formular zur Bestandsaufnahme bietet dem Erfasser Vorgaben und Hilfen zur Eintragung der angetroffenen Konstruktionsverhältnisse und
Bauteile/Bauelemente an. Am Fenster aller Bauarten und -typen betrifft das die Bauteile von Rahmen und Sprossen über Beschläge wie Riegel, Kloben und
Vorreiber, Verglasung und Rahmen- sowie Futterhölzer bis zu Fensterbrettern, ohne Eichenfensterbänke, verblechte Nadelholz- und
Aluminium Außenfensterbänke auszusparen. Dabei geht es darum,
im Bauteilkatalog in geordneter Weise die möglichen Konstruktionsvarianten, auf die man bei der Bestandsaufnahme am Fenster stoßen kann, möglichst vollständig
und korrekt bezeichnet vorzugeben und das Erfassungssystem für fallweise notwendige Ergänzungen in einleuchtender Logik des Katalogaufbaus offen zu gestalten.
Mit diesem quasi selbstführenden System kann jeder Bearbeiter schnell angelernt werden, er muß kein Doktor der Kunstwissenschaft oder Schreinermeister,
Ingenieur oder Diplomrestaurator sein - jeder kann es lernen.
Nachfolgend der Arbeitsablauf im Detail:
Arbeitsvoraussetzungen der Bestandsaufnahme
Vor der Bestandsaufnahme werden unzugängliche Bauteilbereiche freigelegt, soweit dort wesentliche Erkenntnisse für die Aufgabenstellung zu erwarten sind: Bauart, Umfang der Bauschäden und die davon abhängigen Maßnahmen. Man muß nicht immer Fachwerkkonstruktionen vollständig skelettieren, jedem Holzschädling seinen Vornamen verleihen und historische Schichten bis zum Urzustand abräumen, um eine Fensterreparatur vorzubereiten.
Bestandspläne im Maßstab der Ausführungsplanung sind für die Zustandsbewertung sinnvoll. Das kann bei Fenstern durchaus 1:100, weit öfter aber 1:25-1:1 sein. Im Denkmal liefert eine restauratorische Voruntersuchung (sog. "Befunduntersuchung") mit der technischen Bewertung der Befunde, ihrer Schäden und Erhaltbarkeit auch baugeschichtliche Informationen aus Fassungsfolgen an den Fensteroberflächen und den benachbarten Oberflächen an den Innenwänden und Fassaden sowie den Bauteilanschlüssen. Sie sollte aber nur geringste Eingriffe benötigen und immer den technischen Zustand bewerten. Dazu gehören - leider nicht immer selbstverständlich - auch geordnete Ausführungen zum Erhaltungszustand, zur Erhaltungsmöglichkeit, zu den für die Freilegung bzw. Erhaltung / Reparatur erforderlichen Maßnahmen und Musterausführungen an den untersuchten Oberflächen, auf denen die Ausführungsplanung und Ausschreibung aufbauen.
Der Umfang der vorbereitenden Maßnahmen hängt wesentlich von der ersten Einschätzung des Baubefundes ab. Sie sollte bei Baudenkmalen in Zusammenarbeit mit dem Denkmalpfleger vorgenommen werden. Das hat den Vorteil, daß später keine diesbezüglichen Genehmigungsschwierigkeiten zu erwarten sind, der Denkmalpfleger bei den ggf. erforderlichen baurechtlichen Ausnahmen (EnEV, Brandschutz, ...) auf Seiten des Bauherrn unterstützend mitwirkt, weitere Fachleute vermitteln und letztlich schon den Aufwand der Bauvorbereitung finanziell fördern kann. Wie immer ist alles Verhandlungssache...
Bearbeitung des Raumbuchsystems im Objekt
Für die unterschiedlich konstruierten Fenster stehen wie für alle sonstigen Bauteile des Gebäudes jeweils eigene Erfassungsblätter zur Verfügung. Sie eignen sich für die üblichen Konstruktionen und sind für Sonderbauteile ergänzbar. Der Fensteranschlag darf dabei nicht vergessen werden: Natursteingewände und Fachwerkrahmen sind für sich zu erfassen. Auf Grundlage der vorher vergebener Raumnummern werden die Fenster im Bestandsplan und Erfassungsblatt mit F bezeichnet - z.B.: E 17/F1. Die Blätter werden im Büro vor der Erfassungskampagne vorbereitet. Die Anpassung an die jeweilige Aufgabenstellung gelingt einfach, da die Formulare als Excel-Daten vorliegen. Dabei werden die Fensternummern, Erfassungsskizzen und sonstigen Konstruktionsangaben soweit wie möglich schon eingetragen. Sinnvoll ist die "Probeaufnahme" einiger unterschiedlicher Konstruktionen vor der eigentlichen Erfassung. Organisatorische und konstruktive Konfliktpunkte lassen sich so rechtzeitig entdecken und klären.
Der Zustand der Konstruktionsbauteile vom Gewände bis zum Streifdraht des Vorreibers sollte zunächst möglichst zerstörungsfrei nur durch qualifizierte Besichtigung untersucht werden auf:
- allgemeinen Zustand und erforderlichen Sofortsicherungsbedarf;
- Bauteildeformationen (Beschläge/Fensterbänder, Rahmenprofile) und Brüche (Bauteile aus Holz (Stock-Rahmen,
Blockrahmen, Kreuzstock-Rahmen, Kämpferprofil, Deckleisten, Flügelrahmen, Wetterschenkel, Fenstersprossen),
Metall (Fensterverriegelung, Bänder, Dreh-Kipp-Beschläge, Kurbeln, sonst. Beschläge), Glas);
- sichtbare Schäden an Bauteilverbindungen (Rahmenecken, Beschläge, Verklotzung, Kittfugen) und Verbindungsmitteln; (Verleimung, Schrauben, Holznägel,
Metallnägel, Glasecken)
- Merkmale tierischer und pflanzlicher Holzschädlinge,
- Montagekonflikte in zukünftigen Arbeitsbereichen, spätere Putzanschlußprobleme, Fugenausbildung;
- Bauteilsicherungsbedarf während der Instandsetzung (Notfenster, Staubschutz, Schutzverkleidung);
- Nässespuren und sonstige Schadensmerkmale, aus denen sich dann Anforderungen an die zukünftige
Belastbarkeit, die Reparatur und ggf. erforderliche Konstruktionsergänzung/-änderung ergeben;
- Spuren früherer Baumaßnahmen (Reparaturen/Sicherungen);
- besondere Formgebung sowie Bemalung, Schnitzerei, Verkleidungen;
- Spuren verlorengegangener Bauteile, wie Haken /Ösen / Dübel / Dübellöcher für Außen-
und Innenläden, Winterfenster usw.;
- ungünstige äußere Einwirkungen wie mangelnder Dachüberstand, undichte Anschlußausbildung
z.B. bei Dachfenstern oder äußere Verblechung/Verkleidung, erhöhte geschoß- bzw. lagebedingte
Witterungsbeanspruchung auf Anschlag, Falz und Wetterschenkel.
Ein umfangreiches Schadensbild kann zusätzliche Eingriffe oder Meßmethoden erfordern: Beispielsweise eine
Bauteilfreilegung und zerstörungsarme Untersuchung durch Einstechen mit Schraubenzieher oder Taschenmesser.
Konstruktionsaufbau und tiefere Bestandszerstörung, besonders im verdeckten Rahmenbereich, können so beurteilt werden.
Gibt es große Undichtheiten im Falzbereich, lohnt es sich durchaus, jeden Flügel an den Eckpunkten mit
Knetmasse im Hinblick auf die jeweils gegebene Fugendimension zu prüfen. Daraus können sich dann
Abdichtungsmaßnahmen wie Beschlagsanpassung, Maßnahmen an den Holzprofilen oder auch nachträglich
eingefräste Nuten zur Aufnahme von an die gegebenen Undichtheiten individuell angepaßten Dichtungsprofilen / Lippendichtungen ergeben.
Die Dokumentation der Untersuchungsergebnisse in den Erfassungsblättern erfolgt ohne fehlerprovozierende Zwischenstufen direkt im Bau. Dies entspricht der Vorgehensweise beim verformungsgetreuen Aufmaß nach Mader [4].
Die Fensterkonstruktion wird zunächst grafisch skizzenhaft in geeigneten Projektionen und Maßstäben dokumentiert, ggf. ergänzend zu detaillierteren maßstabsgetreuen Bestandsaufmaßen. Die erfaßten Bauschäden werden in die vorbereiteten Bauzeichnungen bzw. in bei der Untersuchung ergänzten Bauteilskizzen lagegetreu eingetragen. Daraus entstehen später Ausführungszeichnungen.
In einem zweiten Schritt werden die Konstruktionselemente schriftlich erfaßt. Dafür bietet das Raumbuchsystem entsprechende Bauteilbezeichnungen "vom Groben ins Feine" katalogartig - als "multiple choice". Diese werden mit Baumaßen und Mengenangaben ergänzt. Das Streichen der unzutreffenden Bauteilvorgaben oder ein Nachtrag kennzeichnen vorgefundene Baukonstruktionen.
Zur Erfassungs- und Reparaturstrategie ist zunächst anzumerken:
Nicht jede Gebrauchsspur an historischen Konstruktionen muß aus technischem Grund beseitigt werden.
Es geht hier zunächst um eine lediglich funktionsstörende Sollabweichung, die aus technischem
Grund beseitigt werden sollte. Und ebenso wichtig - nicht jedes abgegangene oder unschön modernisierte Fenster
muß gegen eine Rekonstruktion von anno dunnemals stylsicher ästhetisierend ausgetauscht werden. Oft langt
das Geld ja gerade fürdie notwendigsten Erhaltungsmaßnahmen und derartige Erneuerungssucht sollte befriedigt
werden, sobald der überbordende Wohlstand ausgebrochen ist.
Für die dann tatsächlich bemerkenswerten Zustandsmerkmale wie unabdingbar reparaturbedürftige
Schäden an den Holzprofilen, an den Beschlägen, am Glas, an den Falzfugen, an den Gewändeanschlüssen
und den Fenstergewänden selbst, an Sonderbauteilen wie Innenläden, Außenläden, Rolläden,
Wasserrinnen, Abtropfröhrchen usw. und die dadurch erforderlichen Maßnahmen existiert ein Nummernkatalog,
der bedrafsgerecht anzupassen bzw. zu ergänzen ist.
Jedem Bauteil wird dann in seiner Zeile sein Erhaltungszustand über das Nummernsystem aus dem "Zustandskatalog" in
den vorgesehenen Spalten zugeordnet, danach die erforderlichen Maßnahmennummern - jeweils mit Maß- und
Mengenangaben. Die Auswahl der Maßnahmen korrespondiert mit dem Zustandskatalog. Die mengengerechte Zuweisung
liefert der späteren Mengenberechnung für die Kostenberechnung und Vergabe die Datengrundlage. Zuletzt
trägt der Bearbeiter seinen Namen mit Datum in der entsprechenden Zeile ein. Fertig ist quasi das "Roh-LV".
Bei geringem Maßnahmenbedarf dokumentiert man nur die Schäden. Übertriebene Vollständigkeit ist sinnlos. Ergänzend werden die Bauteile fotografiert. Zunächst genügen für die Weiterbearbeitung die nach Raumnummern und Fensternummern geordneten Digitaldateien, mit späteren Abzügen / Ausdrucken nach Bedarf.
Der Bestandsaufnahme folgt die Büroplanung. Die Erfassungsblätter liefern die dafür notwendigen
Grundlagen. Da die gesamte Bestandsaufnahme maßnahmen-, d.h. streng zielbezogen erfolgt, unterbleibt jeder aus
Sicht des Bauherrn überflüssige Erfassungsaufwand. Wobei es durchaus Sinn macht, die Bestandsaufnahme bei
umfangreicher geschädigten Fenstern mehrstufig vorzunehmen (mit Honorierungsangaben gem. HOAI):
1. Phase: Zeichnerische Bestandsaufnahme der Fenstertypen (Besondere Leistung der Leistungsphase 1)
2. Phase: Tabellarische Erfassung / Bestandsaufnahme der Baukonstruktion im Raumbuchsystem (Besondere Leistung der
Leistungsphase 1)
3. Phase: Tabellarische Erfassung / Bestandsaufnahme der ohne Freilegung und Entlackung erkennbaren Bauschäden im
Raumbuchsystem (Besondere Leistung der Leistungsphase 1)
4. Phase: Ausschreibung / Vergabe der Reparaturmuster an Musterfenstern im Positionsbausteinsystem (Besondere
Leistung der Leistungsphasen 2-7 wg. geringen anrechenbaren Kosten, die den Honorarbedarf für den vergleichsweise
hohe Leistungsaufwand normalerweise nicht abdecken)
5. Phase: Tabellarische Erfassung / Bestandsaufnahme der an den Musterfenstern nach Freilegung und Entlackung
erkennbaren Bauschäden als Nachtrag im Raumbuchsystem (Besondere Leistung der Leistungsphase 1)
6. Phase: Fachtechnische Betreuung der erforderlichen Reparaturleistungen an den Musterfenstern (Besondere Leistung
der Leistungsphase 8, vgl. 4. Phase)
7. Phase: Planung und Kostenberechnung der Reparaturleistungen an allen Fenstern entsprechend der Erkenntnisse an den
Musterfenstern im Positionsbausteinsystem (Grundleistung der Leistungsphasen 2-5)
8. Phase: Ausschreibung / Vergabe der Reparaturleistungen an allen Fenstern entsprechend der Erkenntnisse an den
Musterfenstern im Positionsbausteinsystem (Grundleistung der Leistungsphasen 6/7)
9. Phase: Tabellarische Erfassung / Bestandsaufnahme an allen Fenstern der nach Freilegung und Entlackung erkennbaren
Bauschäden als Nachtrag im Raumbuchsystem (Besondere Leistung der Leistungsphase 1)
10. Phase: Detaillierte Festlegung des am Einzelfenster erforderlichen Leistungsumfangs auf Grundlage der 9. Phase
(Grundleistung der Leistungsphasen 5 - Fortführung der Ausführungsplanung während Bauzeit)
11. Phase: Bauabwicklung, Abnahme und Abrechnung (Grundleistung der Leistungsphasen 8)
12. Phase: Dokumentation (Grundleistung der Leistungsphasen 9)
Das Raumbuchsystem dient vorrangig der Substanzerhaltung, erst nachrangig liefert es "wissenschaftlich" verwertbare
Daten - in klarer Sprache, deutlicher Schärfe und gebotener Kürze.
Reparaturplanung
Im Altbau und besonders am Baudenkmal geht es um Substanzerhaltung - nicht allein aus Denkmalliebe, sondern um
sinnlose Baukosten zu sparen. Altfenster erhalten bzw. fachgerecht nachrüsten ist regelmäßig
preisgünstiger als ihr Austausch gegen Neu. Nichts geht über die Schall- und Wärmedämmwerte eines
Kastenfensters, zu dem die meisten alten Einfachfenster unproblematisch umgerüstet werden können - wenn es
sich aus einer begleitenden Wirtschaftlichkeitsberechnung bzw. den erhöhten Schallschutzanforderungen ergibt.
Alleine die dramatisch erhöhten Wärmebrückeneffekte an modernen Fenstern mit ihrem auf wenige Zentimeter
beschränkten Rahmenprofil provozieren nicht nur unangenehme Wärmeverluste über den inneseitig "kalten"
Anschlußbereich an der Fensternische, sondern auch den dortigen Schimmelpilzbefall als Folge der dort
zwangsläufig erhöhten Luftfeuchte-Kondensation. Dahingegen ist der innere Fensternischenbereich an Kastenfenstern,
da viel weiter im geheizten Raum liegend, immer deutlich wärmer als bei einfachen Fensterrahmen.
Außerdem ermöglicht der geringe Fugenspalt des innenliegenden Fensterflügels ebenso wie beim
Verbundfenster die Kondensation überschüssiger Raumluftfeuchte am äußeren Fensterglas bzw. der
äußeren Fensterscheibe. Diese Funktion als Sollkondensator macht Schimmelpilzbefall in der Fensterleibung -
nahezu Standard für "moderne" Fenster- sozusagen unmöglich.
Auch der Fugendurchlaßwiderstand der Kastenfenster kann den baupraktischen Anforderungen oft besser entsprechen,
als bei hermetisch raumversiegelnden modernen Fenstern. Bei letzteren kann keine wie auch immer geartete
"Stoßlüftung" die tatsächlich erforderliche Raumluftentfeuchtung sicherstellen. Dies beweist
Wissenschaft und Praxis [5].
Moderne Fensterkonstruktion mit erblindungsverdammtem Isolierglas und erhöhter Abdichtung mögen die wirklichkeitsverachtende Rechenmystik der Wärmeschutzverordnung erfüllen. Im Bauwerk erhöhen derartig überzogene Konstruktionen aber die Feuchtigkeitsprobleme wie Schwammbefall / Befall mit Naßfäulepilzen an Holzbauteilen und Schimmelpilzbefall sowie Atemluftverkeimung und erfordern erhöhten Lüftungsbedarf. Energie läßt sich damit nicht unbedingt sparen, trotz gegenteiliger Aussagen der rechnenden Bauphysik, der Wärmedämmproduzenten und der dogmatisch unterstützenden Klimaapokalyptik [6]. Selbst in der DIN 4108 stand ja einst, daß der k-Wert (heute U-Wert) nur im Labor (stationärer Beharrungszustand im Unterschied zur instationären Baupraxis mit Tag und Nacht, Sommer und Winter, Trockenheit und Feuchte) gilt, was soll er also an der bewitterten Fassade und im Fensterbau? Natürlich liefert der U-Wert-Wahn gute Geschäfte, muß das aber auf Kosten des Altbaus und der Volksgesundheit gehen?
Bei der Reparatur alter Fenster geht es also um handwerksgerechte Ergänzung der funktionalen Bauteile (Holz, Glas, Beschlag, Dichtung zum Wandanschlag und der Glas-Holzverbindung, Dichtung übergroßer Fugen in den Fensterfälzen). Die erforderliche Datengundlage liefert die Bestandserfassung mit dem Raumbuchsystem.
Ohne vertieften Einblick in die handwerklichen Grundlagen und Möglichkeiten wird die Reparaturplanung nicht gelingen. Aus Kostengründen, vielleicht auch in Tradition historischer Reparaturpraxis ist dabei der Ersatz von Glas und Beschlag mit modernen Teilen - ja, im Einzelfall durchaus auch Wärmeschutzglas (das es auch als Einscheibenglas gibt!) - kein Tabu, wenn auch Bruch mit dem Denkmalpathos. (Gebläseltes Echtantik, Mondglas und vergoldeter Silberknopf bitte nur in gerechtfertigten Ausnahmen - wenn Reichtum herrscht und man dem Architekten die dadurch steigenden Honorare von Herzen gönnt!)
Die Entfernung von alten Alkyd- und Acrylharzfarben sowie das Erweichen des Altkitts und das Ausglasen gelingt an Fensterflügeln am schonendsten mit dem neu entwickelten "Speedheater" - ein IR-Strahler mit exakter Führung und profilgerechter Schubklinge / Spachtel zur geschwinden Abnahme der lokal erhitzten Farbschichten. Durch begleitendes Abdecken des benachbarten Fensterglases mit Blechplatten / Blechstreifen bleibt dieses vor thermischer Überspannung und Glasbruch geschützt. An den Fensterrahmen kann man problemlos den Heißluftföhn einsetzen. Chemische Abbeizpasten / CKW-freie Entlacker ohne Salzbelastung des Untergrunds bieten im Einzelfall eine substanzschonende Lösung, um lediglich die Farbschichten abzunehmen.
Der neue Anstrich auf den Holzoberflächen sollte nur aus reiner Leinölfarbe ohne
jeglichen Harzzusatz (gibt es heutzutage aus verschiedenen Lieferquellen) bestehen, um dauerhaft und
instandhaltungsfähig zu werden. Das qualitativ hochwertige Bleiweißpigment gibt es nach amtlicher
Bestätigung betr. Denkmalpflegebedarf und ist von Fachbetrieben risikolos verarbeitbar.
Unverschnittene Leinölfarben bedürfen Trocknungszeit für ihre
drei Auftragsschichten (Grundierung, Zwischen- und Endanstrich): Mindestens eine Woche bei günstigen
Umgebungsbedingungen dauert es, bis die sich tief und spannungsarm im Untergrund verankernde Anstrichschicht durch
Sauerstoffaufnahme (Oxidation) chemisch abgebunden hat. Vorher kann zwar die Oberfläche angetrocknet sein, schiebt sich
jedoch auf der noch nassen Unterschicht ab. Doch die "Wartezeit", bei entsprechend angepaßtem
Arbeitsablauf ja kein Problem, lohnt sich: Alle „modernen“ Anstrichsysteme mit schnelltrocknenden
Harzbeigaben wirken schichtbildend, reißen wegen Überhärte (vgl. Putzregel!) schnell vom
weicheren/feuchtebelasteten Untergrund ab, sind stark versprödungs- sowie rißanfällig und sperren im
Rißsystem kapillar eingesaugtes Wasser aus Regen oder Dampfdiffusion im Holz ein (Abbildung 3). Folge:
Vermorschung!
Auch als Fensterkitt sollte nur reiner Leinölkitt zum Einsatz kommen. Er liefert ebenfalls die
besten Ergebnisse, soweit er nach ausreichender Standzeit mit Leinölfarbe gestrichen wird. Kunstharzfarben werden
aber auch Leinölkitt durch ihre Rißanfälligkeit und mangelnde Elastizität vorzeitig zerstören.
Jeder kennt diese Schadensbilder, die von industrieabhängigen "Schwachverständigen"
der Fensterkonstruktion und mangelnder Anstrichwartung zugeschrieben werden.
Wichtig ist also die Berücksichtigung des Wasserhaushalts im Holz. Da Holzergänzungen oft mit
modern-dichten Kunstharzleimen angesetzt werden, ist deren entfeuchtungsblockierende Wirkung zu beachten. Auch
eine nur außen erfolgende Anstricherneuerung kann die gleiche Folge haben: Rückhaltung der von innen und
außen ins Holz eingedrungenen Feuchte. Sie liegt regelmäßig flüssig und nicht dampfförmig
vor. Der Verweis auf Dampfdiffusionseigenschaften von Baustoffen/Beschichtungen ist also nur die halbe Wahrheit bzw.
gänzlich irreführend. Konsequenz für den Praktiker im Fensterbau (und alter Handwerksgrundsatz!):
Erhöhte Dichtigkeit der Anstriche innen gegenüber außen. Man erreicht das durch einen zusätzlichen
Zwischenanstrich innen.
Wichtig ist die gute Überdeckung des Glas-Fensteranschlusses auch von innen her. Da das Glas in einem guten Fenster
eine zuverlässige Sollkondensatfläche bietet, an der überhöhte Raumluftfeuchte "eingefangen" wird,
bevor sie andere Bauteile schädigt bzw. zur Schimmelbildung führt, liegt am Übergang zum Flügelprofil
erhöhte Feuchtebelastung vor. Eine sorgfältige Anstrichausführung berücksichtigt das.
Bei der Holzgrundierung sind die noch üblichen giftigen Holzschutzmittel nur noch letzte Wahl. Ihre spezifische Zusammensetzung mit Borsäurepräparaten kann ebenso wie der Einsatz alkalischer Entlacker / Abbeizer die Holzfaser zerstören (Mazerierung) und garantiert keine Langzeitwirkung. Heute gibt es giftfreie Holzschutzmittel.
Der Anschluß zum Bauwerk sollte wie früher mit Hanf bzw. Teerstrick erfolgen. Der beliebte Montageschaum ist dafür leider nicht geeignet. Er gast aus, verringert sein Volumen, stört und blockiert die Entfeuchtung in diesem kritischen und kondensatbelasteten Bereich und und ist nicht immer ausreichend verrottungsstabil. Auch die Vermörtelung mit reinem Luftkalkmörtel ist hier eine traditionsgerechte und bewährte, da nicht wassersperrende und trocknungsblockierende Technik.
Um den verteuernden Einsprüchen und Bedenken "moderner" Fensterbauer betr. DIN- und Regelwerkverstoß der Reparaturplanung entgegenzutreten, sollte man diese rechtswirksam ausschließen. Sonst wird der Bauherr nur unnötig verunsichert. Dazu werden folgende Vertragsvereinbarungen empfohlen:
1. Architektenvertrag
Haftungsausschluß betr. DIN- bzw. regelwerkgerechten Anforderungen und Eigenschaften, soweit diese im
Widerspruch zu handwerksgerechter Reparaturplanung stehen. Diesbezügliche "DIN-Neubau"-Eigenschaften sollen
und müssen im Altbau nicht zugesichert werden.
Dazu gehört auch die Vereinbarung, erforderlichenfalls einen Ausnahme-/Befreiungsantrag von den unsinnigen Anforderungen der Wärmeschutz-/Energieeinsparverordnung zu stellen. Aus ihnen ergeben sich unwirtschaftliche und zur Fehlkonstruktion führende Ausführungen im Fensterbau.
2. Werkvertrag mit Handwerker
Ausschluß/Haftungsfreistellung "normgemäß" zuzusichernder/herzustellender Eigenschaften, soweit diese
der handwerksgerechten Ausführung laut Planung/Leistungsbeschreibung widersprechen.
Verweis auf die vorliegende/beantragte Ausnahme/Befreiung von den Anforderungen der Energieeinsparverordnung. Zusicherung, daß diesbezügliche Ansprüche ausgeschlossen sind.
Selbstverständlich benötigen solche Vertragsvereinbarungen entsprechende Bauherrnberatung durch den Architekten. Aber genau dies gehört ja zu seinem Berufsbild.
Die Kostenberechnung
Mit der üblichen Kostenermittlung gem. DIN 276 in den Leistungsphasen bis zur Entwurfsplanung lassen sich Reparaturleistungen im Altbau nicht zuverlässig schätzen. Dafür gibt es keine ausreichend genauen Datengrundlagen, zu unterschiedlich sind die jeweiligen Planungsanforderungen. Deswegen kennt sowohl die DIN 276 als auch die HOAI ein besonderes Kostenermittlungsverfahren: Die Kostenberechnung durch Aufstellen von Mengengerüsten - gem. DIN 276 nach Leistungsbereichen/Gewerken gegliedert. Alle erforderlichen Leistungen werden nach Einheitspreisen berechnet - hinreichend genau und zuverlässig für den Finanzierungsplan. Das ermöglicht dem Bauherrn, ggf. auch den beteiligten Finanzierungspartnern / Förderinstitutionen, daß das entsprechende Baugeld bis zum Maßnahmenabschluß reicht. Voraussetzung dieser Berechnungsmethode - wie die Bestandsaufnahme eine "Besondere Leistung" gem. HOAI - ist die vorgezogene Ausführungsplanung und Mengenberechnung. Genau dafür liefert das Raumbuchsystem ausreichend genaue Planungsdaten.
Bei besonderem Interesse (Vorsicht: Besondere Leistung!) können die Reparaturkosten den alternativ anfallenden Erneuerungskosten im Detail gegenübergestellt werden - bis zu den eingesparten bzw. zusätzlich anfallenden Deponiekosten und dem während der Gesamtlebensdauer zu erwartenden Wartungsaufwand bis zur Erneuerung. Auch das technisch-gestalterische Qualitätsniveau der Erneuerung muß dann dem Reparaturergebnis entsprechen. Nur daraus ergibt sich eine konkrete Beurteilung der letztlich wirtschaftlichsten Variante.
Nachdem heutzutage Fensterinstandsetzungen teilweise auf Klimaschutzmittel angewiesen sind, können sich daraus - und im Einzelfall auch für eine verfeinerten Wirtschaftlichkeitsberechnung - spezielle Anforderungen: Es geht um die als Folge der Instandsetzung erzielbaren CO2-Vermeidungs-Tonnagen sowie die Ersparnisse am Heizenergiebedarf. Gerade, wenn die Fenster im Fugenbereich nicht hinnehmbare Klaffungen aufweisen - oft als Folge von Beschlagsabnutzung, mangelhafter Anstrichausführung und unterlassener Wartung / Instandhaltung - kann es Sinn machen, die Effekte durch nachträgliche Abdichtungsmaßnahmen (Beschlagreparatur / Beschlagnachstellung, Abhobeln von Überständen, Anleimen von Dickten / Spänen / Holzprofilen, nachträgliches Einfräsen oder Erneuern untauglicher Dichtungen / Fensterdichtungen / Dichtungsprofilen / Lippendichtungen aus weichmacherfreiem Werkstoff / Material an der jeweils technisch richtigen Falzebene) rechnerisch darzustellen und im Zusammenhang mit Blower-Door-Messungen vor und nach der fensterseitigen Instandsetzung von Musterräumen zu belegen. Es ist durchaus möglich, unter Zuhilfenahme früherer DIN-Versionen und einschlägiger Fachliteratur den Energiegewinn durch bessere Falzdichtung / Fugendichtung energetisch und kostenmäßig nachprüfbar zu beziffern. Bei Großprojekten wie Schulen, Verwaltungsgebäuden und sonstigen Bauwerken mit umfangreichem Fensterbestand macht das durchaus Sinn und hilft bei der Entscheidung für und gegen nachträgliche Verbesserungen der Fensterdichtung, wobei es ja oft auch um Erhalt oder Erneuerung an und für sich geht. Derartige Entscheidungshilfen mit mehr oder minder umfangreichem Aufwand für die Erfassung der Ausgangsdaten und Durchführung der Berechnungenist selbstverständlich ebenfalls eine Besondere Leistung - diesmal der HOAI-Leistungsphasen 2/3.
Wir kennen barocke, ja sogar noch ältere Originalfenster am Bau. Wie steht es wohl mit der Restlebensdauer von modernen Kunststoff-Fenstern? Ihre kondensatbefeuchteten Profilverstärkungsmetalle rosten "unsichtbar" durch Salzsäureabspaltung aus dem PVC vor sich hin, der zunehmend weichmacherbefreite Kunststoff zersprödet durch Licht, Wind und Wetter und das ständige Öffnen überfordert den im Vergleich mit Holz weichen Rahmenwerkstoff, bis die Beschläge schlackern. Wie repariert man das dann?
Die Textfassung der Kostenberechnung folgt dem nachfolgend vorgestellten Positionsbausteinsystem [7], das auch der Ausschreibung dient.
Die Ausschreibung mit dem Positionsbausteinsystem
Nach öffentlicher Ausschreibung gem. VOB/A können auch qualifizierte Reparaturarbeiten wirtschaftlich vergeben werden. Das öffentliche Haushaltsrecht und die Bewilligungsbedingungen für Zuschüsse fordernd dies sogar. Die geeigneten Bieter können sich gegen Pfuscher mit Qualität durchsetzen. Damit sie alle unter gleichen Voraussetzungen günstig und zutreffend kalkulieren können, brauchen sie aber mehr Information und Qualitätsregime im LV (neben strengsten technischen Anforderungen, ebenso Anforderungen an den Nachweis der angebotenen und verbrauchten Spezialbaustoffe, Arbeitsfreigaben erst nach abgenommenen Musterausführungen auch strenge Anforderungen an den Eignungsnachweis, gleichwertige Arbeiten als Unternehmen und betreffend des geplanten bieterseitigen Fachbauleiters als Referenz vorzuweisen) als ihnen ein wenigstnehmender Architekt normalerweise gönnt. Seine Honorarbedingungen sind ein Hauptgrund für den Bauteilaustausch ohne technische Notwendigkeit. Obendrein erkannte Gutschow schon 1932 bei Architekten die: "Unlust zu einer Arbeit, die meist bei mehr Arbeitsaufwand einen Verzicht auf eigene schöpferische Gestaltung" bedeute [8]. Wird dennoch von Denkmalbehörden oder gar dem einsichtigen Bauherrn die Fenstererhaltung gefordert, ist der ggf. beteiligte Planer dann schnell versucht,wie schon oben dargelegt seine geschuldeten, aber nicht angemessen honorierten Planungsleistungen einzusparen: Handwerker sollen dafür ein Angebot vorlegen, das er nach Preislöschung für weitere Angebotseinholung verwendet. Sonst gäbe es ja keine vergleichbaren Angebotspreise. Gerne läßt er planungsaufwendige Reparaturen auch auf Stundennachweis erledigen. Das spart besonders viel Planungsaufwand und bringt besonders viel anrechenbare Kosten.
Der zur Angebotsausarbeitung aufgeforderte Handwerker wird -wie ebenfalls oben schon dargelegt - zum Fensteraustausch raten. Für ihn ist das besser als aufwendige aber kostenlose Bestandsaufnahme, Planung und Kalkulation für einen Auftrag, den der Konkurrent kriegt. Der bietet im Zweifelsfall günstiger an - ohne die Ausarbeitungskosten und in Erwartung der Nachträge für Beschreibungslücken, die nicht in seine Verantwortung fallen. In jedem Fall wird es so für den Bauherrn teurer als notwendig.
Das Honorar für die Bauvorbereitung beeinflußt also das Gesamtergebnis. Wie immer beginnt der Fisch vom
Kopf her zu stinken. Nur mit der planungsaufwendigen Vorgabe aller preisbeeinflussenden Informationen kann
wirtschaftlich, technisch und denkmalpflegerisch zufriedenstellend vergeben werden. Diese Vorarbeit ist Sache des
Bauherrn bzw. seines Architekten. Dabei geht es um Informationen zum Bestand, dem Ziel und Zweck der Leistung und der
handwerklichen Ausführung selbst.
Um diese VOB-getreu und in vergleichbarer Datenqualität wie im Raumbuchsystem in das Angebotsverfahren einzubringen,
wurde das Positionsbausteinsystem entwickelt. In seinem Kern ist es ein Informationssystem: Ein strenges, für alle
fallbezogen erforderlichen Ergänzungen offenes "Formular" erzeugt selbstführend die Informationsqualität
betreffend Logik, Hierarchie, Verstehbarkeit und Vollständigkeit. Und das ganz ohne ISO 9001 ff.-Zertifizierung!
Die Leistungsbeschreibung soll bautechnische Information dokumentieren, aber auch vom Ersteller (der Planer = Sender) zu den verschiedenen Baubeteiligten (Bauherr, Behörde, Handwerker = Empfänger) transportieren, also kommunizieren. In-formieren heißt: Idee (= Planung) in Wirklichkeit hinein-form(ier)en. Die Vorbereitung und Steuerung von Bauvorhaben ist also auch Informationsgeschehen, Kommunikation. Widersprüchliche und unvollständige Information, egal ob schriftlich oder im Bauplan, stört den Informationsfluß. Folge: Technische, organisatorische und wirtschaftliche Probleme im Bauablauf, jeder kennt sie.
Aus dem Informationsgeschehen bei der Planung und Durchführung von etwa 400 Denkmalprojekten - oft ruinöse Objekte, die kostensicher und denkmalgerecht unter Beachtung des Haushaltsrechts und der Allgmeinen Nebenbestimmungen für die Verwendung von Fördermitteln / Zuschüssen aus öffentlichen Haushalten instandgesetzt werden sollten - sind sowohl das Raumbuch- als auch das Positionsbausteinsystem entstanden. Oft mußten finanzschwache private Hausbesitzer / Auftraggeber durch die darauf gründende exakte Kostenberechnung erst für das Projekt gewonnen werden. VOB-Forderungen, Rechtsprechung und Praxiserfahrung bilden die Grundlage des Positionbausteinsystems: Planung der Information.
Nach VOB müssen alle die Leistung beeinflussenden Umstände des Bauwerks beschrieben werden. Im Altbau entsteht daraus die Pflicht zur detaillierten Bestandsaufnahme als Besondere Leistung der Grundlagenermittlung. Vernachlässigt der Planer diese und die entsprechende Beratung seines Bauherrn, überläßt er die Bestandsaufnahme unqualifizierten "Hilfswissenschaftlern" ohne Planungserfahrung bzw. übernimmt er unvollständige Bestandsunterlagen, trägt er die Verantwortung für daraus entstehende Konstruktions-, Termin- und Kostenprobleme.
Auf die branchenüblichen Standardtexte zur Ausschreibung darf er sich hierbei nicht verlassen. Im Vergabehandbuch des Bundes heißt es dazu: "Mit den Texten des StLB (Standardleistungsbuch) nicht darstellbare Besonderheiten sind mit freien Eingaben darzustellen." Die als Marketingmaßnahme angebotenen Ausschreibungstexte der Produktlieferanten sind VOB-widrig durch den unbegründeten Produktverweis auch bei Öffnung für Gleichwertiges. Sie bieten sogar schon fertige Leistungsverzeichnisse. Der Architekt muß nur noch seinen Namen einsetzen, um Honorar dafür fordern zu können. Leider liefern auch diese Texte im Altbau zu wenig Information, um VOB- und denkmalgerecht sowie nachtragsarm zu vergeben. Die hier klaffende Lücke in den Beschreibungssystemen schließt das Positionsbausteinsystem mit seiner geordneten und vollständig an den VOB-Anforderungen orientierten Informationsstrategie, die "freie Eingaben" überhaupt erst sinnvoll und vollständig ermöglicht.
Zwölf Informationselemente - die "Positionsbausteine" - liefern für jeden Fall der Leistungsbeschreibung die ausreichende Datengrundlage in logisch geordneter Reihenfolge (Abbildung 4). Die Beschreibungen der Konstruktionseigenschaften wie Baustoff, Maße, Farbe usw. werden grundsätzlich nachgestellt, in sich nach Bedeutungsrang hierarchisch gegliedert. Der Text folgt dem sparsamen Telegrammstil, das schließt umständliche und ausschweifende Wendungen aus - Voraussetzung klarer Verständlichkeit. Im Unterschied zum üblichen Datensalat wird dabei zunächst der Bestand beschrieben, soweit für die Preisbildung wesentlich. Die Leistungen werden wie bei der späteren Abrechnung nach Räumen, Bauteilen und einheitlich kalkulierbaren Einzelleistungen gegliedert. Das erleichtert Kalkulation, Aufmaß und Rechnungsprüfung.
Jede Bauleistung wird dabei zweifach inhaltlich begründet: Aus der unzureichenden Situation im Bestand und vom funktionalen Ergebnis her (z.B. Holz morsch, Tragfähigkeit nicht ausreichend, Tragfähigkeit wieder herstellen durch nachfolgend beschriebene Leistung). Die Textsystematik fordert dieses funktionale Leistungsergebnis, nicht die blanke Arbeitsleistung an sich. Dies verpflichtet den Bieter von vornherein auf eine vollständige Kalkulation. Späteren Nachtragswünschen wird durch diese textsystematisch eingeforderte Mitwirkungspflicht des Bieters schon in der Angebotsphase vorgebeugt.
Zur Leistung können Liefer- und Abrechnungsnachweise bis zur zeichnerischen Detaildokumentation gefordert werden. Ein Abfallprodukt der Abrechnungsbelege: Die Restaurierungsdokumentation als denkmalpflegerisches Prinzip! Man kann im Einzelfall sogar objektbezogene Eignungsnachweise bzw. Abnahmen der Produktlieferanten einbinden, um falsche oder verschnittene Produktverwendung zu behindern und die Produzentenhaftung zu verstärken. Der heute international gehandelte Pfusch erzeugt Gegenwehr!
Die mit dem Positionsbausteinsystem gesicherte Textqualität schützt den Ausschreibenden vor Kosten-, Termin- und Qualitätsrisiken sowie daraus abzuleitender Haftung. Ein wesentlicher Vorteil für den Bauherrn: Spekulanten und Pfuscher geben mangels erkennbarer Nachtragsmöglichkeiten entweder kein Angebot ab oder kalkulieren Angstpreise. Folge: Bessere Bauqualität durch wirklich qualifizierte Handwerker. Sie können dann im unbeschränkten Wettbewerb die wirtschaftlichsten Preise bilden, ohne ausgetrickst zu werden durch unterqualifizierte Bieter, egal ob aus unserer "Ethnie", Mongolien oder vom Mars. Nebenbei entspricht der Bauleitungsaufwand bei guten Handwerkern eher den anrechenbaren Kosten. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Die systematische Leistungsbeschreibung erleichtert die möglichst vollständige Kostenermittlung und eine qualitäts- sowie nachtragssichere Vergabe. Dabei werden die Gesetze beachtet, nach denen erfolgreiche Kommunikation bzw. Informationsübertragung entsteht.
Zum Abschluß
Der aktuelle Sanierung von alten Bauten und ihren Details bis zur letzten Dachluke läßt Müllhalden
weiter wachsen. Recht selten, mangels Geld oder wegen Denkmalpflege, werden die hochwertigen Fensterkonstruktionen der
Vergangenheit weiter verwendet. Daß dies technisch und wirtschaftlich gelingt, dazu leisten das Raumbuch- und
Positionsbausteinsystem ihren Beitrag.
Und wenn man es bei "kleineren Fällen" mit wenigen Fenstern einfacher haben will:
Auch ein gemeinsamer Ortstermin eines reparaturerfahrenen Planers mit einem willigen und kompetenten Handwerksmeister
an dem betroffenen Gebäude kann zu einem in kurzer Zeit vorliegenden Angebot führen, das mit akzeptablen
Preisen die erforderliche Qualität bei der Fenstersanierung liefert und selbst bei allerbester Arbeitsqualität
und einer akzeptablen Vergütung für den Stundenaufwand auch des anbietenden Handwerkers -
selbstverständlich rückvergütet bei allenfalsiger Auftragserteilung - immer noch Zigtausende unter dem
Preis einer Neubefensterung liegt. Und das ganz ohne Schimmelgefahr!
Anmerkungen/Literaturzitate
[1] Vgl. K. Fischer, Holzfenster, Praxisratgeber Nr. 1, Deutsche Burgenvereinigung e.V., Februar 1991.
[2] W. Schmidt, Das Raumbuch, S.103, Arbeitsheft 44 des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, München 1989.
[3] Vgl. K. Fischer, "Das Raumbuchsystem", Das Denkmal, Januar 1995.
[4] M. Petzet/G. Th. Mader, Praktische Denkmalpflege, Kohlhammer, München 1996.
[5] J. Roloff/K. Graupner, Bauklimatische Probleme, Zusammenhänge und Schlußfolgerungen beim Umgang mit dem
Bauteil Fenster. In: Das Fenster im Profanbau in Sachsen, Baukonstruktive Blätter Heft 1, Seite 27-36,
Schriftenreihe für Baukultur, Architektur, Denkmalpflege, Hrsg: Sächsisches Staatsministeriums des Inneren,
Dresden, 1996.
[6] C. Meier, Altbau und Wärmeschutz, Praxisratgeber Nr. 7, Deutsche
Burgenvereinigung e.V., Januar 1999.
[7] K. Fischer, Das Positionsbausteinsystem, Historica, Mai 95.
[8] Nach U. Hassler, Konversion, DAB 1/99, S. 16
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Materialleitfaden und Ratgeber, EDITION:anderweit 2001, ISBN 3-931824-04-7
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