Kapitel 6 - Mörtel: Seite 1 2 3 4 5 6 Kapitel 7 - Anstriche: Seite 1 2 3 4 5
- Für den Handwerker ist der Umgang mit zementären Produkten ein großes Gesundheitsproblem: Die Zement- oder Maurerkrätze - eine ekel- und schmerzhafte Hautkrankheit - steht nach Erhebungen der Bau-Berufsgenossenschaften mit an der Spitze der Berufskrankheiten und verursacht der Bauwirtschaft jährlich Millionenschäden. Sie entsteht durch Kontakt mit Zement.
- Den Trockenmörteln wird aus verarbeitungstechnischen Gründen (Bindung, mechanischer Transport, Festigkeitsentwicklung, Aufbrennverhinderung) Methylzellulose bzw. synthetischer Celluloseether (Tylose) zugegeben. Diese Quellmittel wirken aber stark wasserrückhaltend, gar filmbildend. Die Schwundrißbildung, kapillare Abtrocknung des Mörtels und Karbonatisierung des Kalkes wird dadurch stark verzögert bzw. auf Dauer blockiert. Deshalb wird die Mörtelabbindung teils durch Zugabe hydraulischer Komponenten in angebliche Kalkmörtel (Putz/Mörtelgruppe Ic - II) "beschleunigt". Ergebnis: Ein schadsalzhaltiger, wasserhaltender, trocknungsblockierender und überfester Mörtelkleber, dessen schädliche Eigenschaften bestens geeignet sind, den empfindlichen Bestand (vorgeschädigte, niedrigfeste oder saugfähige Mauersteine, hinterfüllte Altputze) mittelfristig zu zerstören. Merke: Druckfestigkeiten über 4,5 N/mm2 im Putz haben in der Regel (Ausnahme z.B. sehr klüftiges, festes Mauerwerk mit guten Einbindungmöglichkeiten für den Mörtel) keine dauerhafte Chance auf luftkalkvermauerten bzw. -verputzten bzw. sonstig "weichen" Untergründen.
Eine Untersuchung von historischen Mörteln, sog. "Muschelkalkmörtel" - Hüttensand-dotiert und deswegen wohl in der hochhydraulischen Mörtelgruppe II anzusiedeln - und anderen Restauriermörteln, die indirekten Klartext spricht, stellt die MPA Bremen ins Netz (pdf): Schlütter/Juling: Mikroskopische Untersuchungsmethoden in der Analytik historischer Putze und Mörtel Das sollte jeder Restaurierungsschlaumeier mindestens gelesen, wenn nicht sogar verstanden haben!
- Am Dach zerstören die wasserrückhaltenden und überfesten Zementmörtel für Verstrich und Einbettung der Grate und Firste den Ziegel im Kontaktbereich. Salz und Feuchte lassen den Ziegel blätterteigartig auffrieren, Festigkeitsprobleme aufreißen, der Mörtel selbst bildet eine Unmenge von kapillaraktiven Schwundrissen aus und befeuchtet so die Dachkonstruktion. Mit Kalkmörtel wäre das nicht passiert.
- Als Estrich sind Zementmörtel eine Zeitbombe. Erst schüsseln sie auf, da sie oberseitig trocknen und entsprechende Schwundverkürzung zum konkaven Schüsseln führt, nach Belegung mit welchem Boden auch immer staut sich die oberseitige Abtrocknung und sie trocknen von unten her mit der Folge des oberseitigen Aufwölbens. Das hier gegebene Risiko kann jahrelang bestehen und ernährt eine Unzahl von Sachverständigen. Der doofe Bodenleger weiß davon aber nichts, da er eben vom Zement nichts versteht. Sonst hätte er vielleicht Kalkestrich verwendet, der diese Bewegungsfreude eben gar nicht hat und obendrein viel besser trocknet.
- Auch Lehmputze, eigentlich eine altbewährte Lösung, zeigen bei heutigen Randbedingungen dolle Tücken.
Was man dazu wissen muß:
1. Lehm ist ein Dichtbaustoff. Von wegen gute Feuchteabsorption und Verzehr/Unschädlichmachung/Bindung von üblen Gerüchen
als Lehm, dagegen Dichtigkeitsbeiwerte, die für Deponieabdichtung, Teichbau und Deichbau beste Ergebnisse
versprechen. Stellen Sie sich alternativ mal schwarze Bitumenpampe vor.
2. Lehm wird zur Minderung seiner Rißanfälligkeit durch Schrumpfen / Schwinden bei der Wasserabgabe
etwas abgemagert mit Sand und teilweise armiert mit organischen Beimischungen. Das mindert zwar die Dichtheit, aber mit einer
unbehandelten Holzschalung wären Sie besser bedient, wenn es nur um Absorbtion von Überschuß-Luftfeuchte - die Krux unserer überdichten Bauweise geht.
3. Lehm ist Heilerde, deswegen wachsen - gerade im Verbund mit seiner enormen und im Vergleich zu Luftkalkmörtel bedeutend höheren Feuchterückhaltung (Praktischer Feuchtegehalt!) und seiner organischen
Dotierung mit Strohhäcksel (vollmondgepflücktes Dinkelstroh?), Holzgespäne (aus biologischem Anbau?),
Hanfgefaser (Resteverwertung aus Haschisch-Selbstanbau?) usw. - sehr schnell Schimmelpilze auf diesem "Naturbaustoff".
Selbst das Austreiben von Samen aus den organischen Zuschlägen wie getreidekörnerhaltiges Spreuhäcksel kann hin und wieder beobachtet werden.
5. Lehm ist nicht alkalisch wie Kalk. Auch das fördert Schimmelzucht.
6. Lehm ist langsam trocknend. Seine Verarbeitung ist deswegen "langsam", außerdem kostet er als Lehmputz nicht gerade wenig. Seine Gesamterstellungspreis als Lehmputz kostet also eine hübsche Summe Geld - für welche Vorteile???
5. Wenn Sie Lehmputz wollen, beachten Sie also alle seine Eigenschaften. Und halten Sie durch allerbestes Lüften
ihre Bude besonders trocken. Dann mag es angehen. Viel Glück! (Weitere Informationen zur Lehmbautechnik)
- Da Architekten regelmäßig nicht in der Lage sind, aus eigenständigem Fachwissen eine technisch einwandfreie Ausschreibung von Instandsetzungsarbeiten zu erstellen (wo hätten sie das auch lernen können?), leisten das die "Fachberater" der Industrie. Logische Folge: Produkttypische VOB-widrige Ausschreibungstexte, die in ihrem technischen Gehalt den zu stellenden Ansprüchen kaum genügen können.
Ergebnis für den Planer: Kostenlose Planungsleistung, die er vom Bauherrn zusätzlich honoriert bekommt.
Für den Produktvertreter: Provision.
Für den Produzenten: Verkaufserfolg.
Für das Bauwerk: Oft Folgeschäden durch Einsatz von Produkten,
über deren schädliche Eigenschaften, Einsatzrisiken und Inhaltsstoffe
selbst der angebliche Fachberater kaum eine Ahnung hat. Prüfen Sie durch Nachfrage!
Für den Bauherrn: Unnötige Mehrkosten und juristische Probleme,
bei den Folgeschäden den Verantwortlichen dingfest zu machen.
Deshalb sind zumindest im Altbau Luftkalkmörtel
die bessere Alternative. Vergütet mit geeigneten, den historisch tradierten Kalkmörteln entsprechenden natürlichen Zusätzen, gelten Luftkalkmörtel zu Recht als "Hochleistungsputze" (Prof. Wittmann). Sie sind auf wenig festen, salzempfindlichen und sulfatbelasteten Untergründen das Baustoffsystem erster Wahl.
Themenlink: Auszug Dissertation von Dr. Martin Heide zum Thema "Brennprodukte von Tonen als Puzzolane für hydraulisch erhärtende Mörtel: früher und heute"
Voraussetzung und gleichzeitig Hauptproblem:
Handwerklich richtige Verarbeitung, sonst sind auch hier Schäden vorprogrammiert. Gottseidank passiert aber der alten Bausubstanz wenig, wenn etwas falsch verarbeiteter Kalkmörtel abfriert oder zu dick aufgetragene Kalktünche abgeht. Bei salzreich überharten und überdichten Alternativprodukten, die am Markt als angebliche Alternativen zum Luftkalkmörtel angepriesen werden, sieht das anders aus...
Inzwischen sind auch aus dem Handwerk angestoßene Forschungen mit dem Bindemittel Kalkhydrat im Gange, die zu erstaunlichen Ergebnissen betreffend Reaktionsfähigkeit, Stabilität und Bindekraft führten. Zu nennen ist hier naß oder trocken hochtourig aufbereitetes/mehlfein zerkleinertes Weißkalkhydrat aus dem Handwerk. Die damit herstellbaren Kalkprodukte Kalkschlämme, Kalktünche, Kalkmörtel, Kalk-Injektions- und Steinersatzmassen orientieren sich vor allem an der Bestandsverträglichkeit und Dauerstabilität am Bauwerk. Zusammen mit der offenen Kommunikation über die Rezepturbestandteile und Volldeklaration auch der Risiken sind das alles Themen, die in der Baustoffbranche erst noch mühsam einstudiert werden müssen. Erfreulicherweise dürfen wir hier inzwischen auch Kalk-Entwicklungen bei führenden Sanierbaustoffunternehmen begrüßen. Und noch eines: Der oft beschworene und verherrlichte 1000jährig eingestrumpfte pech-und schwefelarm pergamentgekohlte Schlumpfkalk (recte holzgebrannter Sumpfkalk, Lime putty, släkt kalk) ist ganz und gar nicht das erste Mittel jeder Wahl. Ein Ca0-reiches trockengelöschtes Weißkalkhydrat ist ihm nicht nur preislich, sondern auch technisch in mancher Hinsicht überlegen. Das zeigt die Praxis.
Zum Thema Sanierputz wird auf das 99 erschienene Buch: Hermann G. Meier: "Sanierputze" im expert verlag verwiesen. Sie finden dort alle Schadensphänomene und knapp gehaltene Info zur Wirkungsweise. Dem Wahn, daß Sanierputz etwas zur Salz- und Feuchteminderung eines naßsalzigen Putzgrunds leisten könne, wird die Luft rausgelassen (s. S. 19).
Zum Thema "Hydraulische Verbesserung von Luftkalkmörtel mit Ziegelzuschlag" hier ein Spitzenlink: Auszug aus Dr. Martin Heides einschlägiger Dissertation
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