Zu beobachten ist auch der Einsatz von Kunststoffvergütungen aus hochkonzentrierten Kunstharzen, PVA usw. in Anstrichen. Dem Kunden werden so "geringe" Kunststoffgehalte vorgegaukelt, die im Effekt erheblich höheren Gewichtsanteilen entsprechen. Folge: Unvermutete Störung der Karbonisation des Kalks, Störung des Feuchtehaushalts des Untergrunds, zunehmende Blockade des Untergrunds bei späteren Unterhaltsanstrichen oder aufwendiges Abarbeiten solcher Farbsysteme. Vorteil: Problemarme Verarbeitbarkeit für jeden ungelernten Hansel. Derartiger Kunststoffverschnitt wird dann unter dem Namen "Kalkanstrich/Kalkfarbe" auf den Markt gebracht und mit dem unzutreffenden Hinweis auf DIN und "Haftung" dem Kunden auf´s Auge gedrückt. Offenbar ist es weitgehend unbekannt, wie schädlich kapillarsperrende Dispersionsanstriche auf historischen Untergründen sind. Natürlich fördert der Einsatz dieser Systeme das spätere Auftragsvolumen der Putzer, Maler und Restauratoren - aber kommt es uns darauf an?
Wenn Sie von der Farbindustrie heutzutage "echte" Kalkfarben angeboten bekommen, dient ein einfacher Test, um Spreu vom Weizen zu trennen: eine Farbprobe in ein bißchen 60%ige Salzsäure schmeißen, kurz warten, ob sich glibberige Schmiere absetzt und den Produktvertreter fragen, was denn das sei? Reine Kalkfarben werden nämlich total aufgelöst. Salzsäure auf Kalk braust auf, mindestens so wie der Verkäufer von kunstharzverschnittetenen "Kalkfarben", deren Synthetikbestandteile unangreifbar werden. Übrigens: Kasein wird ebenfalls von Salzsäure aufgelöst, Methylzellulose setzt sich ab - aber nicht als schleimiger Glibber.
Eine KALK-TÜNCHE bietet für den Einsatz am Baudenkmal und auf sonstigen mineralischen Altuntergründen (Putz, Ziegel und Naturstein) ein anderes Konzept. Mit ausreichend niedrig dosierter Kaseinzugabe als zusätzliches organisches Bindemittel taugt so eine Kalkfarbe auch für den Seccoeinsatz auf abgebundenen Altuntergründen. Wichtig: ausreichendes Vornässen des Malgrundes, damit die Tiefenverankerung des Neuanstrichs stabil und ohne das gefürchtete Aufbrennen funktioniert. Bei extrem saugfähigen Untergründen kann ein Grundieranstrich mit Wasser-Milch- oder Wasser-Staubkalk-Mischung einen anstrichfähigen Untergrund sicherstellen. Erst wenn aufgstrichene Feuchte 2-3 Minuten braucht, um den naßglänzenden Untergrund wieder matt erscheinen zu lassen, darf es losgehen mit der Tüncherei.
Die spätestens beim Wiederholungsanstrich mit "kunststoffvergüteter" Industriefarbe erfolgende Absperrung des Untergrunds ist bei nur leicht kaseinierten Kalkfarben nicht so stark möglich, da keine kapillarporenverstopfend aufgelierende Wassergläser bzw. schichtbildende Kunstharzpolymere enthalten sind. Das kalktypisch leichtes Kreiden kann der witterungsbedingten Verschmutzung langfristig entgegenwirken.
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