Literaturauszug aus Bauhandwerk/Bausanierung 4/2000
"Dipl.-Ing. (FH) Roland Bielecki, Faching. für Bautenschutz, Holzschutzfachmann, Sachverständiger (ö.b.u.v.) für Holzschutz, Bautenschutz und Bautrocknung; Dipl.-Chem. Barbara Hempel, Mitarbeiterin in der MFPA Leipzig e.V., Abt. Baustoffe:
Schimmelpilze
Alternativen zur Bekämpfung und Vorbeugung [...]
Dispersionsanstriche und Tapeten bieten bei bestimmten Raumklimata im Bereich von Wärmebrücken einen idealen Nährboden für Schimmelpilze. [...]
[Prof. Gertis zeigte anlässlich des Internationalen Bauphysikerkongresses, Berlin 1997] anhand durchgeführter Untersuchungen am Fraunhofer-Institut für Bauphysik die kausalen Zusammenhänge zwischen Raumklima, Wärmebrücken und aufgebrachten organischen Stoffen wie Tapeten und organische Anstriche auf.
Die Verfasser vertreten auch die Meinung, dass gerade die organischen Farbanstriche, Tapeten usw. einen erheblichen Einfluss auf die Schimmelbildung haben.
Tabelle 1: Gemessene pH-Werte
Proben | pH-Wert | |
1. | Brillux neu Originalprobe |
8,1 |
2. | Brillux neu Originalprobe |
7,8 |
3. | Tapete angefeuchtet Brillux neu |
7,3 |
4. | Tapete angefeuchtet Brillux alt |
6,6 |
5. | Tapete ohne Anstrich (Drucktapete) | . |
5.1 | relativ unbelastet angefeuchtet |
6,5 |
5.2 | wenig belastet angefeuchtet |
6,6 |
5.3 | viel belastet angefeuchtet (weiß und schwarz) |
6,7-6,8 |
5.4 | sehr stark schwarz |
7,0 |
6. | Rauhfasertapete (Ausgangsprodukt) |
4,6 |
7. | Rauhfasertapete mit Anstrich sehr stark schwarz |
6,3 |
8. | Tapetenoberfläche nach Besprühen mit K2CO3 - Lösung1) |
> 11 |
9. | Tapetenoberfläche nach Dispersionsanstrich und Besprühen mit K2CO3- Lösung |
> 11 |
1) K2CO3 = Pottasche
[...] W. Mücke und Ch. Lemmen führen in ihrem Fachbuch [W. Mücke/Ch. Lemmen, Schimmelpilze, Ecomed-Verlag Landsberg, S. 19, 3. Absatz] aus:
"Schimmelpilze bevorzugen im Allgemeinen leicht saure Medien mit pH-Werten zwischen 4,5 und 6,5. Die Maximalwerte liegen bei pH 8. Einige Schimmelpilze (z.B. Aspergillus niger) können jedoch auch bei pH-Wert 2 wachsen. Durch Ausscheiden von Stoffwechselprodukten können viele Schimmelpilze den pH-Wert ihrer unmittelbaren Umgebung modulieren. Die Bildung sekundärer Stoffwechselprodukte wie die Mykotoxine findet häufig in einem engeren oder anderen pH-Wert-Bereich statt als das meditative Wachstum".
[Die Verfasser entwickelten ein Meßprogramm, das in der Tabelle im Ergebnis wiedergegeben ist.] Die gefundenen Messwerte vor der Behandlung [mit Pottaschelösung] liegen alle im kritischen Bereich für die bevorzugte Entstehung von Schimmel (</= 8 nach Mücke). Damit bieten sowohl Dispersionsfarbanstriche als auch Tapeten mit und ohne Anstrich bei begünstigenden Raumklimaten (t>/= 17 oC, relative Luftfeuchte ca. 80 %), bei Vorhandensein von Wärmebrücken ideale Wachstumsbedingungen für diese Schimmelpilze. [...]
Bei der Sanierung von Altbauten sollten folgende Grundregeln beachtet werden (Nach Prof. Bauer, MFPA Leipzig, Abteilungsleiter Bauphysik, auf dem Fresenius-Forum "Immobilien und Gesundheit", Halle Nov. 1999):
Neue Fenster sind in der Regel zu dicht. Dieser Mangel führt u. a. zu Schimmelbefall, weil die Grundlüftung nicht gewährleistet ist. Hier wäre zu empfehlen, die vorhandenen Fenster (besonders Kastenfenster) nach Möglichkeit zu erhalten. Wenn Kastenfenster abgedichtet werden, dann möglichst der innere Flügel.
Bei der Sanierung darf der Wärmeschutz neuer Fenster nicht überproportional gegenüber der Wand verbessert werden (Schimmelbildung, Tauwasser). [...]
Achtung! Fensteraustausch führt immer zur Reduzierung des Luftwechsels und fast immer zur Unterschreitung der erforderlichen Grundlüftung (n = 0,5 h-1).
[Fraglich war,] inwieweit die bisher bekannten Bekämpfungsmittel wie Essigsäure, Spiritus (vergällt), Natriumhypochloritlösung und organische Wirkkomponenten (Auswahl) einen bleibenden Schutz gegen Schimmelbildung ergeben.
Natriumhypochlorit
Bewertet man diesen Wirkstoff, könnte angenommen werden, dass diese Lösung für eine zeitweise Bekämpfung geeignet ist (pH-Wert >/= 11,5). Chlorabspaltung und Zersetzung zum Natriumchlorid ergeben am Reaktionsende ein neutrales Salz (NaCl). Diese Lösung ist für den Einsatz in Innenräumen abzulehnen, weil eine erhebliche Gesundheitsgefährdung durch Chlorgas entsteht.
Essigsäure
begünstigt die Schimmelbildung, weil der sich auf der Oberfläche einstellende pH-Wert bei Verwendung der verdünnten Lösung ca. 2,5 beträgt.
Neutralisationsreaktionen mit basischem Untergrund (Bestandteile wie z. B. Kalk) verschieben den pH-Wert bis zu 8. Dieser so behandelte Untergrund ist für die erneute Besiedelung mit Schimmelpilzen besonders geeignet.
Äthylalkohol (vergällt)
Äthylalkohol ist zum Abwischen von Schimmelpilzen geeignet. Bekämpfende Eigenschaften sind nicht zu erwarten, da dieser Alkohol leicht flüchtig ist und von der Oberfläche schnell abdunstet. Auch eine vorbeugende Wirkung ist nicht zu erwarten.
Organische Fungizide
Eine Einzelbewertung kann hier wegen der Vielfalt der Wirkstoffe nicht erfolgen.
Zusammenfassung
Aus eigenen Langzeituntersuchungen und deren Ergebnissen ist abzuleiten, dass Alkalicarbonate (Soda [Na2(O3)] oder Pottasche) geeignete Mittel zur Einstellung des pH-Wertes auf der Oberfläche von angestrichenen Tapeten oder angestrichenen Wänden sind. [...]"
Prima. Nun wird es also feucht, ohne daß man es sofort am Oberflächenschimmel merkt. Die dadurch verschärfte Hausverrottung und Gesundheitsschädigung läßt grüßen. Ein perfektes Ergebnis der modernen Bauphysik ebenso wie die wand-, decken- und dachbefeuchtende abgesoffene Wärmedämmung anstelle speicherwirksamer Baustoffe, die anlagentechnisch verkeimungsverurteilte künstliche Lüftung anstelle ordentlicher Fenster und die bauteildurchnässende Konvektionsheizung anstelle der Strahlungsheizung.
Die Wasserrückhaltung mit folgender erhöhter Verstaubung und Schimmel-/Algenbewuchs ist eben ein typisches Merkmal von Kunstharzfarben, nicht von Kalktünchen. Letztere wirken schon wegen ihrer hohen Alkalität bewuchsmindernd. Und das gilt gottseidank sowohl im raumluftfeuchtebelasteten Innenraum wie an der bewitterten Fassade.
Mein Tip: Dispersionsfarben vor Neuanstrichen unbedingt abnehmen. Das geht je nachdem entweder nur durch Vorweichen mit warmem Prilwasser und nachfolgender mechanischer Abnahme mit Spachtel, oder durch Einsatz einer Sanierfräse mit schichtstärkengenauer Fräseinstellung, oder durch Einsatz noch besserer Reinigungsmethoden.
Umfangreiche Info zum Schimmelpilzbefall - Probleme und Lösungen / LeitfadenThema gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe in Dispersionsfarben
Nach einer Untersuchung des kantonalen Laboratoriums Basel-Stadt fanden
sich in dispersionsgestrichenen Zimmern hohe Konzentrationen von gesundheitsschädlichen
und allergieauslösenden Isothiazolinonen in der Raumluft. Sie kommen
aus Topfkonservierungsmitteln für wässrige, lösemittelarmen
Farben, Lacken und Verputzen und ersetzen die früher gebräuchlichen
benzinähnlichen Stoffe, die wiederum gesundheitsschädliche Dämpfe
abgaben. Die schweizer Bauzeitschrift saldo machte den Test und kaufte
im Fachhandel und bei Baumärkten 16 handelsübliche Dispersionsfarben
zur Untersuchung auf Isothialinone. Ergebnis: Alle 16 Dispersionsfarben
wiesen diese üblen Schadstoffe auf. Nachzulesen in saldo Nr. 15, 27.9.2000.
In Kalkanstrichen braucht es so einen Mist natürlich nicht. Ihre hohe
Alkalität sorgt ja für Konservierung.
Der Schimmelbefall kann durch Bekämpfungsmaßnahmen erst mal beseitigt werden, es kommt jedoch auch auf seine Ursache an. Dazu bedarf es der Wiederherstellung ausreichender Fugendurchlässigkeit der Fenster und der Temperierung der gefährdeten Bauwerksbereiche.
Ein letzter Hinweis zum Thema Fachwerkanstrich außen:
Gefache nie mit wasserabweisenden Anstrichen streichen bzw. hydrophobierten Putzen verputzen! Sonst läuft der Schlagregen verstärkt in die immer offenen Fugen zwischen Holz und Gefach. Ein "gutes Gefach" saugt nämlich den Regen erst mal ab und gibt ihn zeitverzögert wieder an die Außenluft ab. Wenn das Gefach versiegelt ist, wird das Holz zwangsläufig mehr durchfeuchtet. Logisch, oder? (Weitere Hinweise zur Fachwerksanierung)
Farbdefinition gem. Befund nach dem Natural
Color System NCS, deutsche Informationen bei:
Europäisches Color Centrum GmbH
Bayreuther Str. 8/IV
10787 Berlin
TEL: 030-21090124
FAX: 030-21473671
Videnindsamling - Erfahrungsaustausch mit Kalkmörtel am dänischen Raadvad-Center Reparationer på facadepuds Information om bygningsbevaring - mørtel
Der Kalkkreislauf
Kalk Online, Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie e.V.
Seilnacht - Lexikon der Farbstoffe und Pigmente
Uni Bayreuth: Carbonate
IFS-Mitteilungen
zur Kalktechnik
Prof. Dr. Ivo Hammer: DIE MALTRÄTIERTE HAUT, Anmerkungen zur Behandlung verputzter
Architekturoberfläche in der Denkmalpflege, Roland Möller zu Ehren: Dresden 1995
(Ein praxisnaher Beitrag auch zur Problematik moderner Wunderbaustoffe an der Fassade)
Prof. Oskar Emmenegger zur Frage der historischen Maltechnik und zu Restaurierungsproblemen von Mineralfarbenmalereien, seine weiteren detailreichen Vorträge und Publikationen zur Restaurierung am Baudenkmal
Kapitel 6 - Mörtel: Seite 1 2 3 4 5 6 Kapitel 7 - Anstriche: Seite 1 2 3 4 5