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Internationales Euro-Lime-Forum Mainz 1.-3.5.1998
Kalkputz und Mörtel am Baudenkmal. Fallbeispiele aus der Sicht des Architekten
(Und wer für die Unterbringung während der mehrtägigen Veranstaltung ein Hotel suchte, bekam von der Tagungsorganisation geholfen).
Dipl.-Ing. Konrad Fischer, Architekt, Hochstadt am Main
Vorabdruck ohne Abbildungen, leicht gekürzt und aktualisiert, aus: EUROLIME Newsletter No. 3: Kalkmörtel in der Denkmalpflege, Neue Ergebnisse in Forschung und Anwendung, Mainz 1999
erschien 1999 bei:
IFS Institut für Steinkonservierung e.V.
Gemeinsame Einrichtung der staatl. Denkmalpflege Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen
Große Langgasse 29, 55116 Mainz
Kalkputz und Mörtel am Baudenkmal
Kalk ist ein Lieblingsbaustoff der Denkmalpflege. Trotz der vielen Schäden mit modernen Baustoffen sind aber auch Kalkprodukte nicht
unproblematisch. Mißerfolge beeinträchtigen deren Ansehen. Darf man Kalkprodukten überhaupt Vertrauen schenken, oder sind diese
bestenfalls ausnahmsweise einzusetzen? Will der Architekt reine Kalkprodukte anwenden, ohne chemische oder hochhydraulische Zutaten,
drohen ihm regelmäßig drei Gefahren:
1. Der von der Industrie belehrte Handwerker meldet Bedenken. Die Gewährleistung für Baustellen-Kalkmörtel bzw. -tünchen wird
abgelehnt, die "allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik" scheinen verletzt. Ergebnis: Der Bauherr und der Architekt geben auf -
technisch minderwertige zement- bzw. kunststoffhaltige Industrieprodukte bzw. zumindest latent hydraulische/niedrig hydraulische
Bindemittelrezepturen mit oft schweren Nachteilen für den Bestand und die Haltbarkeit werden ersatzweise angewendet.
2. Der Handwerker tauscht die geforderten reinen Kalkprodukte gegen verschnittene und besser maschinengängige industrielle
Ersatzprodukte aus. Die Verwendung des Begriffs "Kalk-" erleichtert dabei traß-, zement-, hüttensand- oder kunststoffhaltigen
Produkten, die den Mörtel im krassen Unterschied zum reinen hydratischen Kalkprodukt mit vielerlei Schadsalz-Alkalien, hohen
Sulfatbestandteilen, Überhärten, überhöhter Wasserrückhaltung und schlechterer Austrocknung, Kapillartrocknungs-Blockade und
überhöhter Temperaturdehnung belasten und befrachten den Zugang zum Denkmalmarkt. Der mutigere Handwerker jedoch gibt bei
Baustellenmischungen dem Kalkmörtel das berühmte Schäufelchen Zement, der Kalktünche den "Spritzer" Kunststoffbinder dazu. Gibt es
Schäden, dann ist dennoch der Architekt schuld (zumindest in seiner gesamtschuldnerischen Haftung), der ja keine "üblichen"
Industriebaustoffe der einschlägig bekannten Werktrockenmörtel-Hersteller wollte.
3. Das angewendete Rezept funktioniert nicht. Früher übliche Vergütungszusätze werden nicht mehr sachgerecht verwendet. Manche
Experimentalmörtel der Denkmalpflegeämter und ihrer Beratungsinstitutionen kann man mit dem Finger aus dem Burgmauerwerk wieder
herauskratzen.
Dagegen lassen die zementären Injektions- und Verfugungsmörtel, mit denen nach 1990 eine Unmenge von historischen Bauwerken besonders
in Thüringen unter den Augen und mit Fördermitteln der materialtechnisch und von den sonstig gebotenen "Verlockungen" offensichtlich
überforderten Denkmalpflege "saniert" wurden, diesen inzwischen zusammenbrechen. Ihr Bauzustand ist oft wesentlich schlimmer, als vor
der Sanierung mit "modernen" Methoden und Werktrockenmörteln der renommierten Hersteller.
Grund: Die Bausubstanz besteht aus gipshaltigen Steinen, aus gipshaltigen Mörteln. Und diese reagieren bei ausreichender Feuchte -
wirklich kein Problem bei Naßmörtelanwendungen! - durch Treibmineralbildung. Ettringit und Thaumasit (Zementbazillus) -
aluminathaltige Treibmineralien, die durch Kristallwasseranlagerung ungeheueres Volumenwachstum mit entsprechenden Sprengkräften im
Mauerwerk entfalten sind die logische Folge solcher "Handwerkskunst". Wie wenig die gesamte Denkmal-, Restaurierungs- und
Sanierungsbranche sich um die Fortbildung kümmert, kann dabei nur Kopfschütteln auslösen. Immerhin sind genau solche Schäden schon
Jahrzehnte vorher von der niedersächsischen Denkmalpflege (Baudirektor Werner) umfangreich publiziert worden. Der Fassadeneinsturz
der Johanneskirche Lüneburg war damals in aller Munde, jetzt das Nordthüringer Schloß Wiehe im Kyffhäuserkreis und die Runneburg. Hat
auch hier Gier das Hirn aufgefressen?
Da nahezu alle historischen Bauwerke ausweislich der Mörtelanalysen für zementäre Mörtelsysteme problematische sulfathaltige
Beimengungen oder Reaktionsprodukte aufweisen, verbietet sich der besinnungslose Zementeinsatz, wie er zu nahezu 100 Prozent auf
Denkmalbaustellen weltweit und auch vom denkmalnahen Institut für Steinkonservierung IFS und seinen empfohlenen industriellen
Helfershelfern (jeder kennt die Namen) praktiziert wird, eigentlich von selbst.
Die Untersuchung des Fraunhoferinstitutes Holzkirchen "Kalkputz in der Denkmalpflege" dokumentiert dagegen spektakuläre Schäden der
von der Restaurierungswerkstatt des Bayer. Denkmalamtes beratenen Kalkputze. Ergebnis: "daß die Anwendung reiner Luftkalkputze ohne
Zusatzmittel in der Praxis nicht vertretbar ist, da mit zu großen Schadensrisiken verbunden"[1]. (Dieser Bericht wird vom
Bundesverband der Deutschen Mörtelindustrie bezeichnenderweise als Sonderdruck kostenlos unter der deutschen Architektenschaft
verbreitet, wohl als Werbemittel gegen die wesentlich preisgünstigeren und technisch oft wesentlich besseren Baustellenmischungen.)
Warum diese Unsicherheit, warum die Schäden?
Hochglanzbeworbenen Fertigprodukte gaukeln dem Handwerker Sicherheit, geschwinde Verarbeitbarkeit und damit hoher
Gewinn vor. Auf Anwendungs- und Gesundheitsrisiken, Volldeklaration und Risikobeschreibung, die Verträglichkeit
mit dem Bestand und die Praxistauglichkeit auf Dauer wird dabei kaum eingegangen. Das Handwerkervertrauen zum
"Systemlieferanten" raubt ihm seine baumeisterlichen Grundlagen, die Abhängigkeit von konfektionierten Baustoffen
das Materialverständnis. Schnelle Verarbeitbarkeit ist nun wichtiger als dauerhafte Objekteignung.
Doch wie sieht es bei uns Architekten aus?
Unsere Ausbildung und die tägliche Produktpropaganda haben das Baustoffverständnis kaum erweitert. Denkmalpflege und -forschung
bieten uns eher kunst- und baugeschichtliche Einblicke, Inventarisationssystematik und Forderungskataloge jenseits der technischen
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als für das Bauwerk und den Bauherrn praktisch umsetzbares Fachwissen. Hygroskopisch und
kondensatbedingt anlagernde Sockelfeuchte mißdeutet der Architekt somit weiter als "aufsteigende" Feuchte,
die es im Mauerwerk gar nicht geben kann, für den Holzschutz fordert er weiter Gift anstelle giftfreier Präparate,
die auch energetisch unübertreffbare Massivbauweise schädigt oder ersetzt er durch funktional unwirksame und
zwangsläufig durch Betauung absaufende Wärmedämmung (der k-Wert/U-Wert gilt nur im Labor [2], zum Heizenergieverbrauch steht er
in keinem mathematischen Verhältnis [3]), statt auf bewährte Baustoffe setzt er auf ständig neu rezeptierte Bauchemie- und
Zementprodukte. Die von den "Pharmareferenten" respektive Industrie-Sanierberatern der Bauchemie und Baustoffindustrie umsonst und
geschenkbestückt angelieferten Sanierplanungen von der Bestandsaufnahme über die Kostenschätzung bis zum ausgearbeiteten
Leistungsverzeichnis nimmt er dankbar an und verkauft sie gewissenlos und gleichermaßen HOAI- wie VOB-widrig an seine Bauherrn weiter
- leicht, aber meist erst zu spät erkennbar am Produktnamen / der Produktbezeichnung, tückisch getarnt mit "oder gleichwertig" im
Leistungsverzeichnis.
Tipp: Vor Auftragsvergabe prüfende Einsichtnahme in Referenz-Leistungsverzeichnisse für Fassade, Ausbau und Haustechnik
Auf ihm theoretisch erscheinende Forderungen der Denkmalpflege reagiert er solange mit Unverständnis, bis es dafür
Honorar und Haftungseinschränkung gibt.
Und die Denkmalpflege?
Immer neue Rezepturvarianten erscheinen am Baudenkmal. Kunstharze, Silikone und Silikate, alkalireiche Traßmehle und hochhydraulische
"Kalke", beide oft zementär "vergütet", werden zum Denkmalbaustoff - wie sich an den erwähneten Ettringitschäden nicht zum ersten Mal
erwiesen hat. Der Denkmalpflege zuarbeitende Mineralogen liefern Baustoffkompositionen, die zwar gewisse, aber nicht alle guten
Eigenschaften des historischen Vorbilds nachahmen können. Regionaltypische Rezepte aus der Chemieküche beanspruchen plötzlich
ausschließliche Geltung und werden in Verbindung mit wohlklingenden "Fachgutachten" zur Marktblockade gegen fremde Handwerker
ausgenutzt (z.B. geschäumte Zementmörtel und Kunststoff-Steinersatzmörtel im für derlei Strategien offenbar besonders anfälligen
Thüringen).
Die Fehlversuche des Denkmalexperiments werden dann nicht dem falschen Rezept zugeordnet, sondern dem Baustoff Kalk
und/oder dem Verarbeiter. Das erklärt die Kalkangst des Handwerkers viel mehr, als alle Gegenpropaganda der
Industrie. Der Schaden am Kalk, der durch wiederholte Veröffentlichung eines solchen Versagensfalles am "reinen
Kalkputz in "historischer" Rezeptur nach Angabe der dort zuständigen Denkmalbehörde" [4] am BMFT - Projekt in
Schloß Lustheim, Bayern hervorgerufen wurde, ist entsprechend hoch einzuschätzen (vgl. hierzu auch [1]).
Nach den Fehlschlägen am Denkmal und den Salzhysterie-Gutachten mit ihren oft grotesken Saniervorschlägen
(Sanierputz, der auch nach Herstellerwissen weder entfeuchten noch entsalzen kann und fallweise
die Treibmineralbildung begünstigt! [11]) und Schadensanalysen (Aufsteigende Feuchte!) ist
ein reiner Kalkmörtel und -anstrich im Altbau mit vorbelasteten Untergründen ein vorprogrammierter Reinfall.
Die simplen "Entlastungstechnologien" zur Entsalzung schadsalzbefrachteter Untergründe werden fallweise zugunsten
hochpreisiger Wahnsinnstrockenlegungen konsequent verheimlicht bzw. bleiben dem betroffenen Bauherren unbekannt.
So ist es nur logisch, daß auch die Denkmalwissenschaft und -praxis in Deutschland vorwiegend mit mehr oder
weniger schadsalzverseuchten hydraulischen und synthetischen Zutaten experimentiert, sei es Ries- oder Eifeltraß,
hydraulischer (NHL) oder hochhydraulischer (Romankalk) Kalk. Letztlich schreckt man auch vor wohldosierten Zementbeigaben
nicht zurück. Rezept vom mindestens doktorierten "Experten". Die Verzweiflung ist also groß.
Doch es gibt auch andere Erfahrungen.
Haben wir nicht überraschend viele "unter Verwendung von natürlichen Zusatzmitteln" hergestellte
Luftkalkmörtel als "dauerhafte Hochleistungsputze" [5], die jahrhundertelang funktionieren - dank einer
ausgewogenen Sieblinie, bester Porenbildung und perfekter Verarbeitung hinsichtlich der Jahreszeit und technischen
Behandlung? Sei es an Kirch- und Burgtürmen, an hohen Schloß und Klosterfassaden, an belasteten
Erdgeschossen, im Mauerwerk vieler altehrwürdiger Sakral- und Profanbauten. Leider gelangen diese "historischen"
Erfolgsfälle kaum in die breite Bauöffentlichkeit.
Allerdings verlieren wir derartig bewährte Putzflächen, wenn Anstrichsysteme mit hochfesten bzw.
verdichtenden Silikat- und Kunstharzbindemitteln die traditionellen Kalktünchen ersetzen. So zerstört der
Maler / Restaurator / Kirchenmaler oft wertvolle Altputzflächen und begünstigt damit deren Abschlagen und
Ersatz durch Neuputz [6, 7].
Die bauphysikalische Zahlenmystik der Industrieprodukte betreffend z.B. Kapillarität, Abdichtung und Festigkeit
hat mit der Wirklichkeit am Bau wenig zu tun. Laborwerte können in der Praxis wesentlich schlechter sein
(Diffusionswiderstandswerte bei Kalk-Zementputz bis ca. 50-fach, bei Silikatfarbe bis ca. 100-fach [8],
Druckfestigkeitswerte bis ca. 5-fach, jeweils über Laborwert). Im Schadensfall war es dann aber ein
Verarbeitungsfehler des Handwerkers, meist verbunden mit einem Planungs- bzw. Aufsichtsfehler des Architekten.
Die genannten Werte für die Dampfdiffusion haben mit dem Verhalten des Baustoffs gegenüber eingedrungenem
Wasser bzw. Kondensat in flüssiger Form - der Regelfall! - sowieso nichts zu tun. Abweisen nach außen
heißt auch Einsperren nach innen. Folge: Feuchteanreicherung im Bauwerk mit entsprechenden konstruktiven und
gesundheitlichen Folgen. Der nach DIN für manche Farbsysteme erlaubte 5%-ige Dispersionszusatz entspricht ca.
10-15% bei der üblichen Verwendung von Hochkonzentraten. Das vereint hohe Wasserabweisung mit schädlicher
Sperrwirkung. Die mit Kunststoffdispersion vergüteten Farben neigen zu Staubanlagerung und Algenbewuchs. Sie
verspröden zu Farbschichtinseln zwischen Netzrissen (Craquelee), durch die Feuchte kapillar eingesaugt und
nachfolgend geradezu eingesperrt wird. Nachfolgend abdichtende Reparaturanstriche verstärken dann die
Putzzerstörung.
Auch "Sanierputze" funktionieren nicht ganz so, wie gehofft: "Die Luftporen werden nicht mit Salz ausgefüllt" [9],
da die Schadsalzlösung in hydrophobierte Poren nicht einwandern und auskristallisieren kann. Ihr hoher
hydraulische Bindemittelanteil erzeugt bei mißlungener Luftporenbildung nicht selten "Putze" in
Betonqualität.
Demgegenüber bieten handwerksgerechte Kalkmörtel und -anstriche technische Vorteile: Sie sind im Vergleich zu
kunststoff- und zementhaltigen Produkten störungstolerant, sperren eindringendes Wasser nicht ein,
sondern geben es schnell wieder ab. Bei nach außen abnehmender Körnung
und Porigkeit des Putzaufbaus (wichtige Funktion Schweißputz / Anstrich!)
wird der Feuchteübergang nach innen beschränkt: Von Kleinporen
in Großporen ist Kapillartransport so gut wie unmöglich, er
funtioniert nur in umgekehrter Richtung. Damit ähnelt der Putz funktional
einem Dachziegel, der im Porengefüge aufnehmbare Feuchte als Dichtungsmittel
benutzt und weitere Feuchte abperlen läßt. Schadsalzbelastete
Untergründe werden durch Kalkmörtel andererseits nicht abgesperrt.
Der Salzanreicherung bzw. -umlagerung im Bestand (bei Sanierputz nicht
ausschließbar) wirkt ihre nach außen kapillaroffene Porenstruktur
entgegen. Auch bestandsschädigende Überfestigkeit ist bei ihnen
ausgeschlossen. Notfalls "opfern" sie sich für den belasteten Bestand. Zwei Voraussetzungen sind dafür aber zu
berücksichtigen:
1. Ein mit dem Kalk vertrauter Handwerker, der mit gebotener Sorgfalt von
der Untergrundvorbereitung bis zum Endanstrich seine Regeln einhält, und
2. Ein Baustoffrezept, das die Kombination Zuschlag, Bindemittel und Vergütungszusätze
im Sinn der historisch bewährten Kalk-Hochleistungsprodukte berücksichtigt
und objektgerecht einsetzt.
In diesem Sinne versuche ich in meinem Büro seit 1979 traditionelle
Kalkprodukte an Baudenkmalen, aber auch Neubauten einzusetzen. Dabei kommt
mir auch die Erfahrung meines handwerksverbundenen Vaters, dessen seit
1958 auf Denkmalpflege und Sakralbau spezialisiertes Architekturbüro
ich damals übernahm, und eines zweijährigen Volontariats am Bayer.
Landesamt für Denkmalpflege von 1982-84 zugute. Nicht zu vergessen
sind auch intensive Kontakte in die Labors der Baustoffindustrie und zu
Restauratoren und Kirchenmalern. Aus über 350 Denkmalinstandsetzungen
seit 1979 folgen einige Beispiele zum Kalkeinsatz.
Beispiel 1: Ein barockes Fachwerkhaus in Eggenbach, Oberfranken
Dieses Haus stand 25 Jahre leer, es wurde von 1985-89 instandgesetzt. (Bild 1, 2) Alle vorhandenen Lehmgefacheputze
innen und außen wurden erhalten: Innen unter baustellengemischten Rohrmatten-Luftkalkputzen (Bild 3) oder mit
Beiputzung der Fehlstellen mit Kalkglätte, außen - ebenfalls nach Beiputzung kleinerer Fehlstellen bzw.
Ergänzung fehlender Gefachputze im Ganzen - unter einer mit je 1% Quark und Leinöl vergüteten
Kalktünche. Das Anheben des gesamten Hauses um 50cm zum Austausch der Fußschwellen überstanden die
Altputzfragmente schadlos. Wir schützten sie unter einer Kaschierung aus Japanpapier bis zur abschließenden
Restaurierung (Bild 4). Die Fachwerkhözer wurden zunächst mit Kalkkaseinfarbe nach Malerrezept gestrichen und
erhielten - nach einigen trocknungsbedingten Farbabplatzungen - einen Schlußanstrich aus Leinölfarbe. Diese
erhaltende Instandsetzung bietet wirtschaftliche Vorteile, die geschätzten Kosten wurden hier um 200.000.-DM
unterschritten.
Beispiel 2: Ein ehem. Gerichtsgebäude in Weißenfels, Sachsen-Anhalt
Auch hier waren Rohrmattenputze über den Altputzflächen vorgesehen. Leider tauschte die Restaurierungsfirma
den geforderten groben Kalkmörtel (Unterputz 0-8, Oberputz 0-4 mm) heimlich gegen maschinengängigen, mit
hochhydraulischem Roman-"Kalk" verschnittenen feinkörnigen Fertigputz (0-0,8mm) aus. Zunächst ein
Kostenvorteil - im Ergebnis katastrophal: Nach den Malerarbeiten entstanden "Spätrisse" (Bild 5). Die
Putzfestigkeit stieg durch die Baustellenverhältnisse (geringe Temperatur, hohe Luft- und Untergrundfeuchte) weit
über den Laborwert mit 4,5N/mm2 hinaus bis etwa 14 N/mm2. Die Verfestigung erfolgte schichtenweise nach innen zu
den noch kaum karbonatisierten Bereichen (Bild 6). Bei Reparaturversuchen geschlossene Risse öffneten sich
folglich immer wieder - über viele Monate. Für über 100.000.-DM mußten letztlich die meisten
Rohrmattenputze mit weicheren Mörteln erneuert werden - ein Schaden, den zwar der Handwerker tragen mußte,
der aber auch an mir nicht spurlos vorüberging, sondern meine Baustoffneugier dramatisch verstärkte. Leider
darf man sich auch bei allerbestens beleumundeten und von der einfältig-arglosen Denkmalpflege sogar wärmstens empfohlenen
Restauratoren im Putz- und Malerhandwerk sowie insbesondere auch bei den Steinrestauratoren / in der Steinrestaurierung nicht nur durch
gewüöhnlichste "Sorgfalt" immer wieder mal "überraschen" lassen. Bei letzteren nicht nur durch Abrechnungstricks
im Umfeld der Steinfestigung "auf Nachweis", sondern auch beim Produktaustausch bzw. der Produktfälschung. Man
muß als kontrollierender Bauleiter also dazu übergehen, entweder alle einzusetzenden Baustoffe im Namen des
Bauherren selbst zu ordern oder deren Bestellung durch Beteiligung des Stofflieferanten strengstens
gegenzukontrollieren. Der Zement- und Plastikpfuscherei sowie der Materialpanscherei scheinen
gerade in der Denkmalpflege und auch an hochwertigsten Baudenkmälern keine Grenze gesetzt zu sein - so jedenfalls
meine langjährige und grausame Erfahrung in dieser offenbar von der Wurzel her verrotteten Branche. Ausnahmen
bestätigen die Regel.
Beispiel 3: Die Gartenmauer des Klosters Waldsassen, Oberpfalz
Schon nach kurzer Zeit zeigte sich die Untauglichkeit des hier vor meiner Zuständigkeit verwendeten
schadsalzreichen "Denkmalpflege"-Kalk-Traßmörtels (Bild 7). Auch die versuchsweise angebrachten Industrie-
und Sanierputze hielten der Belastung nicht stand, platzten und rissen an Bauteilkanten ab oder lösten sich wegen
zu großer Festigkeit bzw. Salzkorrosion / Ettringitbildung gleich schalenweise vom geringerfesten Untergrund
(Bild 8). Dieser Versagensfall wurde dennoch als uneingeschränkt gelungene Saniervariante im Hinblick auf wirksame
Putzhydrophobierung veröffentlicht [10].
Beispiel 4: Die Fassaden des Klosters Waldsassen
Die Lehren aus den vorigen Beispielen sollten dem Barockkloster zugutekommen. Problem: Der Zerstörungsgrad der
dreigeschossig reich gestalteten Fassade. Sie hatte unter den zuletzt verwendeten reinen Silikatfarbenanstrichen eines
mehr als renommierten Herstellers und üblicher Witterungsbelastung schwer gelitten. Große Bereiche der
Altputzschichten lagen hohl, vom Wasserglas durchdrungen scherten sie wegen nun erhöhter Festigkeit und Dichtheit
ab (Bild 9). Die obersten Putz- und Farbschichten waren oft netzförmig craqueliert. Eine mit
pottaschenabspaltendem Wasserglas verhärtete, hygroskopisch belastete und verdichtete Farb- und Mörtelschicht
reagiert auf Temperatur- und Feuchtebelastung über weicherem Untergrund immer gleich: Sie reißt
schollenartig ab. Ende einer Wasserglasbehandlung (Bild 10).
Die Bestandsaufnahme bis zum Putzgrund offenbarte teils schadsalzbelastetes Ziegelmauerwerk, durchsetzt mit
verschiedenen Natursteinen, Ausgleichsschichten aus Lehmputz, armdicke und durchgehende Baurisse und erhaltenswerte
Originalputzlagen - teils durch Holzkohlenstaub graugefärbt und mit Caput-mortuum-Pigment
lasiert (Granit-Imitation) oder freskal in Grau- und Weißtönen gestrichen.
Neuputzmuster für die Ergänzung des erhaltenswerten Restbestands wurden geprüft auf Verarbeitbarkeit
(Anmachen, Transport, Anwerfen, Abbindung, Nachbearbeitung für die erforderlichen, teils aufwendigen
Gestaltungen, Nachrezeptierbarkeit mit unterschiedlichen Körnungen und Dachshaaren für einen handwerklich
richtigen Putzaufbau vom tiefen Riss bis zum Oberputz), Festigkeitsentwicklung, Elastizität und erzielbare
Oberflächentextur - technische und gestalterische Kriterien (Bild 11). Dabei setzte sich eine für uns und den
beteiligten Restaurator des Denkmalamtes neuartige Baustellenmischung gegen Industrie- und sonstige Baustellenmischungen
durch: Aus örtlichen Sanden, frischem Löschkalk und mit 1‰ eines patentierten Zusatzmittels entstand
auf Vorschlag des beauftragten Kirchenmalers ein reiner Luftkalkmörtel. Er wurde bis in die winterliche
Frostperiode hinein verarbeitet. Gestrichen wurde in Freskotechnik eine mit natürlichen Zutaten (Öl, Kasein
u. a.) vergütete Kalkfarbe nach Rezept des Kirchenmalers. Heute, nach drei Wintern Standzeit, zeigt sich die unter
strengen Witterungsbedingungen belastete Fassade noch in bester Verfassung (Bild 12, 13).
Auch ein Verpreßmörtel (Bild 15) auf Luftkalkbasis wurde erfolgreich eingesetzt. Die bisher übliche
Altbauverseuchung mit zementären, traßhaltigen, alkalien-, wasser- und feinteilreichen Suspensionen kann nun
auf die reine Anker-/Nadeleinbindung beschränkt werden. In einem vorausgehenden Verfüllvorgang wird das in
Zusammensetzung und Körnung zum Altmörtel kompatible Kalkprodukt eingesetzt. Es kann durch die Entwicklung
der kalktypischen Adhäsionsfestigkeit und gefördert durch die Zugabe geeigneter Zusätze (Zucker,
kieselsäurehaltige Stoffe, Mineralpulver) auch unter Luftabschluß aushärten.
Als Anstrich setzen wir eine Kalktünche ein, die sowohl unter dem Aspekt der Haltbarkeit, Wasserabweisung und
-aufnahmefähigkeit, CO2-Durchlässigkeit, Topfstabilität, Verarbeitbarkeit, Ergiebigkeit und Gestaltung
bei richtiger Verarbeitung - immer wieder leider ein Problem des nicht mehr an Kalk gewöhnten Handwerks - gute
Praxisergebnisse liefert. Ohne Kunststoff.
Unser Raumbuchsystem für die Bestandsaufnahme und das
Positionsbausteinsystem für die Ausschreibung erleichtern die nachtragssichere Vergabe auch
der Putz-, Stuck- und Malerarbeiten. Die Bieter werden vollständig und eindeutig zum Bestand, dem Ziel der
Leistung und dem geforderten Leistungsumfang informiert - Ergebnis einer maßnahmenbezogenen Bestandsaufnahme.
Unqualifizierte Bieter werden durch die ausgefeilte und kaum fette Nachträge verheißende
Leistungsbeschreibung eher abgeschreckt und geben kein Angebot ab. Dadurch erhalten nur erfahrene Handwerker den Auftrag,
nur ihnen gelingt die wirtschaftlichste Preisbildung. Das sind die Voraussetzungen für denkmalgerechtes, aber
gleichwohl kostengünstiges Bauen. Ohne rechtsmißbräuchliche Regionalisierung des Wettbewerbs.
Für die Baustoffe rund um Mörtel, Putz und Anstrich fordern wir grundsätzlich die Volldeklaration der
Inhaltsstoffe und den Verzicht auf synthetische und hydraulische Zutaten. Ob das dann ein Baustellenmörtel oder
ein Werktrockenmörtel ist, spielt keine Rolle. Haben sich Produktrezepturen bei vorhergehenden Bemusterungen als
tauglich erwiesen, lassen wir dennoch den Austausch gegen nachweisbar gleichwertige entsprechende Baustoffe zu, um den
Wettbewerb anzufeuern und um Einseitigkeiten zu vermeiden.
Die manchmal erhobene Forderung nach regionaler Materialbasis für Denkmalbaustoffe scheitert oft am fehlenden
Rezeptwissen mit Haftungsbereitschaft sowie der Finanzierung für dafür zusätzlich anfallende
Architektenleistung. Die EU-Vergabebedingungen behindern ebenfalls lokale Spitzfindigkeiten, wenn man sie nicht
(Thüringen: z.T. Ausschluß Nichtthüringer Firmen von der Auftragsvergabe am Denkmal) - vielleicht sogar
rechtsmißbräuchlich - erzwingt. An vielen unserer Projekte arbeiten nach öffentlicher Ausschreibung
Firmen, die über keine eigenen Baustoffrezepte verfügen. Von Herstellerseite kontrollierte Produkte
vereinfachen dann die Bauleitung und Gewährleistung - ein Stück Überlebensstrategie am Denkmal.
Vorgefertigte Baustoffe haben in der Denkmalpflege allerdings nur mit Volldeklaration ihre Berechtigung. Sie bieten dem
Bauherrn, dem Handwerker und vor allem dem Bauwerk wirtschaftliche und technische Alternativen zu den
Möglichkeiten der modernen Bauchemie und Experimentaldenkmalpflege. Interessierte Handwerker können im
Idealfall durch den Produkthersteller im Umgang mit Kalkprodukten eingewiesen und benötigen dennoch scharfe
Überwachung und Dauerkontrolle. Das beugt Ausführungsfehlern und Materialmanipulationen besser vor, als die
sich allzuoft einschleichende Vertrauensseligkeit. Selbst von renommiertesten Restaurierungsfirmen werden ja genug
gefälschte "Billigmischungen" in Originalgebinden auf die Kalkbaustelle geschleppt. Auch die undeklarierte
Unterjubelung von unerwarteten, wasserrückhaltenden und ausblühanfälligen Hydraulbindemitteln - man
denke nur an den alkalienreichen Hüttensand in "absolut zementfreien" Muschelkalkmörteln oder "frostsicheren
Luftkalkmörteln" - gehört in der Sanierungsbranche zum Alltag. Für uns Architekten
in unserer allumfassenden gesamtschuldnerischen Haftung ein oft schwer zu überblickender Risikobereich.
Ein abschließender Tipp: Die gerade bei Kalkarbeiten am Baudenkmal immer möglichen Überraschungen lassen
sich mit einem Wartungsvertrag etwas eingrenzen.
Bildverzeichnis
1 -15
Literaturangaben
[1] H. Künzel, G. Riedl: Werk-Trockenmörtel, Kalkputze in der Denkmalpflege, in: Bautenschutz u. Bausanierung
2/96, auch: Sonderdruck für Bundesverband der Deutschen Mörtelindustrie e.V., Duisburg.
[2] DIN 4108 Teil 7 Nr. 5
[3] H. Menkhoff, G. Achterberg, K. Bade u.a.:Realisierung des Wettbewerbs Therma, Schriftenreihe "Wettbewerbe" des
Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 05.007, Bonn 1983
[4] C. Arendt: Praxisvergleich von Sanierputzen-Untersuchungsteilergebnisse aus dem BMFT-Forschungsprojekt "Diagnose und
Therapie überhöhter Feuchte-/Salzbelastung in historischen Mauerwerkskomplexen; in: Hrsg. H. Kollmann:
Sanierputzsysteme, WTA-Schriftenreihe Heft 7, Aedificatio-Verlag, Freiburg und Unterengstringen 1995
[5] F. Wittmann in: [4], a.a.O.
[6] J. Osswald: Wasser geht - Gel kommt, Neue Erkenntnisse über die
Abbindereaktionen in Silikatfarben, in: Bautenschutz und Bausanierung 3/98
[7] H.G. Meier: Beschichtungsschäden auf verputzten Flächen, in: Bausubstanz 4/98
[8] G. Koch: Sanierung historischer Bausubstanz, in: Der Stukkateur 3/1988
[9] P. Kaiser, D. Heling: Salztransport in Standard-Sanierputzen, in: [4], a.a.O.
[10] K. Droll, H.G. Meier: Querschnittshydrophobierung von Sanierputzen
- Langzeiterfahrungen, Teil 2, in: Bautenschutz und Bausanierung 4/96.
[11] Hrsg. Prof. Dr. Helmut Weber, Autor: Hermann Gustav Meier: Sanierputze: Ein wichtiger Bestandteil der
Bauwerksinstandsetzung, Renningen-Malsheim 1999
4. Eurolime Treffen, Ballenberg Schweiz, 4. – 6- August 2005
92 Teilnehmer aus 9 Ländern
1. Konrad Zehnder, Einführung
Kalk ist widerspenstig und überraschend. „Den“ Kalkmörtel gibt es gar nicht.
2. Christine Bläuer – Böhm
Kalk kann unter organosilikatischen Anstrichen
gar nicht abbinden (KF: was die industrieregierten Experten offenbar
nicht wissen oder nicht wissen wollen)! 500 Jahre bewitterte Kalkputzflächen
beobachtbar.
3. Edwin Huwyler: Ballenberg – Museum
im Unterschied zu Deutschland hat Objekte nicht „gem. Konzept“ gesucht und entsprechende Abbrüche
– oft gegen Denkmalpflege – organisiert, sondern nur angebotene Objekte aufgenommen (pro Jahr ca. 30
Angebote). Objekte kommen von 1/3 Schlitzohren, die Schutzabjekte so abbrechen wollen, 1/3 kommen nicht in Frage, ca.
30 Objekte werden geprüft. Heute kommen fast alle Objekte durch Denkmalpflege-Vermittlung. Baudoku wird extern
vergeben (KF: entspricht aber nicht dem Mader-Standard der Bauforschung). Bei Objektübernahme wird
Objektausschuß gebildet: Wissenschaft, Denkmalpflege, Haus-/Bauernhausforschung, Museum. (KF: Objekt- und
Exponatkorrosion durch Feuchteaufnahme und Temperaturschwankungen sowie Abhilfe durch bestandsgerechte
Hüllflächentemperierung (noch?!) kein Thema). Finanzierung: 7% öffentl.
Zuschüsse, Rest muß aus eigenen Einnahmen erwirtschaftet werden. Träger ist eine Stiftung. Jedes Jahr
ein „Jahresthema“, auf das Kurse ausgerichtet werden.
4. Walter Trauffer: Vom Kalkstein zum Mörtel (Kalkbrennen)
Warum Kalk selbst brennen? Externer Kalk vom Markt sehr teuer (KF: und selber brennen??), Qualität oft dubios (Aussage wird
auf Nachfrage abgeschwächt), großer Bedarf, Technik paßt ins Museumskonzept, Ballenberg liegt im Kalkgebiet. Zementbrand mit
Verklinkerung ~ 1450°C, Hydraulkalk ~ 1200°C, Luftkalk ~ 1000°C.
Brennarten:
Kalkmeiler – nur ein Brand möglich
Schachtofen – Mehrfachbrand möglich
Feldofen – Mehrfachbrand möglich
Qualitätstest für Proben
- Gewichtsverlust (~38-42%)
- Reaktionszeit (200g Wasser auf 60°C erhitzt) – große Unterschiede
Einbau der Steine in Ofen ist große Kunst.
Steingröße 15-25 cm. Flache Steine nicht legen, (Wärmestau), sondern stellen
- Aufheizen 8-12 Std.
- Abdecken
- Feuern 3-5 Tage
Kriterien des fertigen Brandes:
- Glühen
- Dumpfer Ton, gräuliche Verfärbung, grüner Niederschlag auf Ziegel, Regenbogenglasur
- Schließen der Einfeuerung und Abkühlen
Abdeckung: 1. Strohauflage, 2. Lehmaufguß 3 cm, 3. Luftlöcher stoßen, 4. Mit Ziegelstein
Löcher schließen.
Löschen
-1. Wässern, 2. Rühren, 3. Mischen, 4. Sieben, 5. Einsumpfen, 6. Konservieren (luftdicht).
Alles von Hand!
Kalkgrube
Aus Beton (früher Lehm), 3 Kammern
Schichten von oben in Grube - 1: reines CaOH (für Pigment, Tünche), 2: recht gut buttrig (für
Mörtel, Tünche) 3: noch ungelöschte Teile (nur für Mörtel).
Sandzuschlag zu Eigenmischungen im Museum verschiedenst, kein klares Konzept, mit abhängig von gewünschter
Mörtelfarbe, regionale Sande werden für Objekt zugeliefert, Nachstellung von Analyseergebnissen. Praktisch
dann Hydraulzuschläge nach Belieben - Beispiel Hof von Novazzano, die Tragfähigkeit verlangts ja.
5. Thomas Danzl/Holger Bönisch: Das produzierende Denkmal Ziegelei Hundisburg:
Initiative zur Wiedereinführung von Kalk- und Anhydrit-Techniken in der Baudenkmalpflege;
Roland Lenz, Dresden – Hochbrandgipsproduktion im Technischen Denkmal Ziegelei Hundisburg
Allerlei zur Gipsbrennerei in Hundisburg. Problem: Sehr schädliche Mörtelsalze (Magnesiumsulfate u. a.
Schadsalze) können aus Verunreinigungen des Gipssteines entstehen. Bei Gipsestrich: Wassertransport von unten nach
oben bildet glasurharte Gipsanreicherung an Oberfläche.
6. Ewa Sandström-Malinowski, Schweden: Örtliche Kalkproduktion für Restaurierungsbedarf
Bei Cato „De agricultura“ erste Beschreibung Brennofen für Kalk. Für Restaurierung von Läcko
slott wurde wieder lokal Kalk
gebrannt mit Holz – in kleinem „Experimentalofen“. Danach Kalkbrand in alter Ziegelhütte –
besseres Brandergebnis, keine Kalkspatzen (pop-ups). An Läckoslott z. T. Kalk:Sand=5:1!
7. John Hughes, Großbritanien: Kalkbrennen in kleinem Maßstab
Kalkbrennen mit Kohle-Anthrazit-Mischung, im Kalk viele Hydraulen, Brenntemperatur bis 1300°C, Umweltproblem stellt
sich vielleicht.
8. Maria Isabel Kanan, Brasilien: Kalkfarben in Brasilien
Muschelkalk als Bindemittel, Kaktussaft und Bananenharz als Zusätze.
Kalktünche für Flächenfassung, Rahmen und Faschen farbig abgesetzt
als Natursteinimitation, Sockel in Blau, Rot, Grau. Bis 19. Jh. Kalk nur
in Küstenregion, Anilin und Erdpigmente für Kalkfarben. Heutzutage
Plastikfarben als Sanieranstrich für historische Fassaden – als minderwertigster
Ersatz für bewährte Kalkfarben. Häuser und Fachwerkhäuser
der Deutschen in Brasilien Fassung mit Lehm und Kalktünche, auch über
Fachwerkhölzer. Moderne Qualitätsarchitektur (Arch. Marcelo Ferrez)
wieder mit pigmentierten Kalktünchen. Pigmentierte Mörtel werden
auch benutzt. Hauseigentümer sind jedoch durch Werbebrutalitäten
und -schwindel auf Plastikfarben geeicht. Bei Kalktünchen mindestens 7 Anstrichlagen.
9. Sylvia Stürmer, Deutschland: Praktische Erfahrungen mit Kalkfarben als Fassadenanstrich in der Denkmalpflege
Kalke im Innenbereich. 1. Beispiel: Levi Strauss-Museum in Buttenheim. Gute
Feuchtepuffereigenschaft Kalkanstrich auf Kalkputz. Test Feuchteabsorption:
Gipsputz nimmt ~ 30% weniger Feuchte auf als Kalkanstrich auf Lehmputz.Kalkprobleme:
Bindung auf versalzten Oberflächen, unzureichende Pigmentbindung bei
intensiven Farben. Reversibilität von Kalkfarben auf Stuck nicht optimal,
dort besser Leimfarben. Andererseits ist Untergrundbindung auf Fassadenputzen
auch für Dauerstabilität wichtig. Mögliche Pigmentmenge in
Kalktünchen lt. Schönburg 2,5-3,5% Volumenanteil.
Diskussion: Pursche: Reversibilität im denkmalpflegerischen Sinn geht
auf Wiederholbarkeit der Intervention: Historische Fassungen sollen auch
erhalten werden. Es kommt eben nicht unbedingt drauf an, ob der Neuanstrich
komplett wieder runter geht. Wichtig: Altschichten soweit wie möglich
mitverwenden als tragfähigen Untergrund für Neuanstrich.
10. Petra Egloffstein/Heike Dreuse/Christel Nehring: Moderne Kalkfarben in der Denkmalpflege
Beispiel: Marksburg Rheinbau 2002: „Mit (Colfirmit-)Hydraulkalkmörtel (Brandenburger) und
-Kalkanstrich gestrichen“ (KF: Im Gegensatz zu Manuskript im Vortrag kein Hinweis auf Acrylatzugabe in
Farbe sowie damit zusammenhängende Anstrichschäden wie
Algenbewuchs dank Trocknungsblockade und erheblichen Anstrichverlust an der
Sockelzone , Aufnahme 3/04,
hinter der nur z.T. ein undichter Zisternenspeicher für erhöhte Mauerwerksfeuchte sorgte. Hier die immer noch weiter
auftretenden Schäden nach mehreren Reparaturversuchen am 29.10.04 aufgenommen: .
.
.)
2. Beispiel: St.Peter in Merzig „Caparol-Calcimur mit Acrylat vergütet,
kleinere Probleme sind aufgetreten“. IFS-Untersuchung von „Kalkfarben“ –
alle mit Acrylat/-Dispersion/-Leinöl „vergütet“. Ergebnis: Konfektionierte
(Dispersionszusätze!) Anstriche „besser“ als Selbstmischungen. (KF:
Gilt doch nur im Rahmen des eingeschränkten Untersuchungsprogramms,
historische und gut funktionierende Vergütungstechnik wie mit Zucker
und im Löschvorgang aufgeschlossenes Kasein offenbar total unbekannt.)
Leinölzusätze wirken hydrophobierend. Tests auf verschiedenen Gründen
in Erfurt: Kein Luftkalkputz hat Winter überstanden!
(KF: Ja mei, das zeigt nur die angewendete Rezepturkunst, nicht die Mindereignung von Kalkmörtel an sich!)
Auf Sandstein haben alle untersuchten Farben einigermaßen gut gehalten.
Leinöl verzögert Carbonatisierung, Acrylatdispersion nicht. (KF:
Das mag glauben, wer will. Die kapillarblockierenden Acrylatzusätze
verhindern Trocknung des Frischmörtels und damit Entwicklung Adhäsionsfestigkeit
und CO2-Zutritt für Carbonatisierung, mindestens ebenso fraglich
die andauernde Empfehlung blühsalzreicher Mörtelrezepturen
(mit Zement+Trass bis zum Abwinken "vergütet"!), die in, zwischen
und hinter Altmauern eingebaut werden und durch überraschendste
Effloreszenzen bei entsprechender Feuchte schon allerlei Bauherrn (z.B.
Waldweiler Kirche) zur Verzweiflung brachten, außerdem die
hochproblemreichen Hydraulkalkmörtel, die bei Hinternässung
und Dauerfeuchte im Untergrund nach anfänglicher Überharte
bis zur Rieselung entfestigen (Hydratphasen brechen nach einiger Zeit
zusammen) und zur Landkartenrißbildung darüber gesetzter
Kraßzementmörtel führten, weil diese ihre gigantischen
Abbindespannung in nach ca. einem Jahresablauf erweichte Hydraulkalk-Unterputze nicht mehr einbringen können.) Deckkraft,
Abkreidung, Haftfestigkeit bei konfektionierten Farben besser.
In Diskussion scharfe Kritik Prof. Hassler, Pursche (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege München):
Altmannsteiner Kalk pur als Referenzanstrich grottenfalsch. Stingl (Denkmalamt
Wien): Vorgeführte Kalkfarben sind in Wahrheit gar keine, da außerhalb
der historisch üblichen Rezepturtechnik mit allerlei (kalkschädlichen)
Bindemitteln (oder eben gar nicht) vergütet!
11. Roz Artis-Young (GB): Fortschritte bei Kalktünchen
Scottish lime Center möchte Kalkanwendung für Alt- und Neubauten
fördern. Probleme in Kalktünchen ist Aggloneration von Kalkpartikeln.
Vorteile, wenn sehr kleine Partikelgröße in Tünche ->
bessere Bindung. Je höhe Anteil Feinteile, desto besser Pigmentbindung
– 1 µm Partikelgröße vorteilhaft. Geringere Neigung zur
Partikelaggloneration. Schnellere Karbonatisierung, höhere Abriebfestigkeit.
Durch längere Einsumpfzeit mehr Partikelfeinheit 1-3 µm. 8 Tünchschichten.
Einsumpfzeit bis ca. 1 Jahr! Zementbasierte Testmethoden sind ungeeignet
für Kalkprodukte. (KF: Bravo in jeder Hinsicht. Das
ist handwerksgerechtes Know-how für Rezeptur und Anwendung.)
12. Christian Brandes (D): Erfahrungen mit Kalkfarben im Aussenbereich: Präziser:
"Anstrichsysteme auf Basis von Kalk" (Calcimur von Caparol –
acrylatvergütet). Silikatfarben setzen unbedingt Kalkzementputze voraus, sonst Schäden.
Probleme Kalkfarben: Flecken, Ansätze, Ausblühungen. Temperaturen
unter 10°C, über 25°C sehr kritisch. Verbesserung Abwitterungsbeständigkeit
durch Füllstoffe -> erhöhte Schichtdicke. Hydrophobierung ->
keine Patinabildung (Trocknungsblockade!). Abdeckungen sinnvolle Schutzmethode.
Calcimur hat ca. 2,5% Acrylharzzusatz. Kreidungsstabilität nur durch Ca(OH)²
nicht herstellbar, es müssen deswegen org. Zusätze sein, 0,5% Leinölzusatz.
Hydrophobierungszusätze blockieren Untergrundtrocknung. Gelbtöne
gut machbar, Rottöne milchig. Untergrundeignung: Gute Saugfähigkeit!
Auf gering saugfähigen Untergründen schlechte Bindung. Verarbeitung:
Vornässen nur bei hellen Farbtönen. Nachnässen nur bei hellen
Tönen. Bei dunklen Tönen bringt Nachnässen weißliche
Kalkausblühung. Beispiel: Merzig: St. Peter, Tittmoning Burg: St. Josefkapelle,
St. Petersburg: Peterhof, Graz: Odilienheim.
13. Lothar Goretzki (D): Praxiserfahrung mit Kalkfarben
Weimar, Residenzschloß. Kalkputz + freskale Kalkfassung. Mörtelanalyse
-> Mörtelnachstellung. Exakte Materialanalyse aufwendig, Verwertbarkeit
der Analyseergebnisse sehr gering. Altersbedingte „Gebrechen“ (Feuchte, Salz,
Abwitterung) bringen Probleme. Ausgangsmaterialien des Originals nicht identisch
nachstellbar, Anwendungspraxis gem. Original nicht verfügbar. Deswegen
wichtig: Bemusterung. Auf Feuchte + Salz: Sanierputz (porenhydrophob) als
Unterputz! Ergebnisse zufriedenstellend. (KF: Sanierputz ist aber Sperrputz)
Auswaschungen gut reparierbar. Grafitti gut abnehmbar.
Algenbesiedlung im Spitzmauerbereich wg. Org. Zusätzen.
14. Klaus Häfner (D): Kalk zur konservatorischen Behandlung von Architekturoberflächen
– Handwerkliche Anwendung, Schlämmen und Einsatz bei Gipsbelastung,
Problem: Industrie schätzt Kalkprodukte nicht gut ein, Beispiel: Prüfnorm
fordert 28 Tage, Kalk benötigt mindestens 90 Tage für Endfestigkeit.
Beispiel Kelheim, Befreiuungshalle, Kalkschlämme als Opferschicht auf
Kalksteinsulpturen. Auch im Original gab es schon Kalkanstrich auf Skulptur.
Skulptur zeigte Kittungen, Ausbrüche, Algenbewuchs, Gipskrusten. Auf
Fassade war Steinschnitt imitierende Kalkfassung auf Putz. Maßnahme
an Skulptur: Naßreinigung, Endreinigung, Festigung, Kittung mit disp.
Kalkhydrat, weißzement Kalkschlämme. Schichtdicke ca. 1 mm. Ziel: verminderter Wassereintrag.
Beispiel Residenz München, versalzte Gipsreliefs im Portalbogen. Ausblühung:
Magnesiumsulfat (aus Reaktion Calciumsulfat + Magnesiumcarbonat (in Dolomit).
Magnesiumsulfat + Ca(OH)² Magnesiumhydrogencarbonat + CaSO4
-> Abbau der MGSO4-Fracht in gewissem Maße durch Kalksinterwasser-Spülung. Methode
geeignet für maximale Bestandserhaltung.
Diskussion: Lenz: Gebrannte Dolomit-Kalke liefern MgO, dass dann vorwiegend in Schadsalz MGSO4
reagiert und ausblüht. Dieses Problem wird vor allem durch Feuchtebelastung
verursacht. Bläuer-Böhm: Evtl. hat Fluatierung mit Magnesiumsulfat zu tun? Antwort: Nein, nur Grotte wurde fluatiert.
Menghini (Denkmalamt CH): Es gibt auch eine andere Denkmalpflege, die nicht eine
Prostituierte der Industrie ist! Entsetzliche Beispiele, die bisher gezeigt
wurden, soweit Industrie"kalk"anstriche gezeigt wurden.
Antwort: Man muß doch froh sein, wenn Industrie „auf den Kalkzug aufspringt“
(Häfner, Mörsch). Im Unterschied zu Industriestandpunkt der 70er
schon große Fortschritte. Auch in Industrie sind Menschen tätig (Stürmer).
Begriffsklärung erforderlich – Kalktünche, Kalkschlämme Kalk+Sand
(Pursche) – kalkbasierte kunststoffmodifizierte Anstrichsysteme sind eigentlich
keine originären Kalksysteme.
15. Jürg Goll (CH): Kalkmörtel in Müstair. Man glaubt an die Gründung durch Karl den Großen, Ende 8. Jh..
Archäolog. Befund: Karol. Mörtelmischer D 3,20-3,40 m, ottonische Mörtelmischer. Keine
Sumpfgruben gefunden -> Heißkalktechnik? Kalksplitterschicht als
karolingische „Leitschicht“. Ziemlich „lagiges“ Mauerwerk mit dichter Schichtung.
Aussendekoration: Backsteingliederung, Zickzackfries. Mit Schlagschnur abgedrücktes
Muster für Flechtbandfries. Boden: Lehmschlag, Rollierung pflasterartig,
Gußmörtelboden, z. T. Ziegelmehlüberzug. www.muestair.ch
16. Anja Diekamp (A): Kalkputz und Kalkfarbe in Tirol – Bestand, Untersuchung, Restaurierung
Wesentliche Bindemittelgruppen: Hydraulische Anteile + Dolomitmörtel.
Klause Altfinstermünz: Got. Putz in Fächerstruktur Wollantonit-Nadeln (Ca(SiO)3)
deutet auf Hydraulphasen im Bindemittelbereich. Ca-SiO 85:15 und 18:62 zeichnen
sich hell und dunkel in Probenstück (Dünnschliff in Durchsicht) ab.
Turm in Oetz: Dolomitkalkmörtel. Hydraulmörtel müssen trocken
gelöscht und heiß verarbeitet werden, da die Hydraulbestandteile
nicht einsumpffähig sind, sondern unter Wasser abbinden.
17. Andreas Küng (CH): Ein Atlas historischer Mörtel der Schweiz – MA ~ 1850. Keine Zementmörtel, nur Kalk,Gips, Lehm.
Ladakh-Palast: Lehmsteine-Lehmgrob und –feinputz; darüber Tünche aus Kalksteinmehl!
Atlasprojekt: Mörteldatenformular in Checkliste für Datenbank. Schwerpunkt: Zuschlagstoffe. Zweck: Dokumentation in allerlei Hinsicht.
Mörteldoku als Quelle für allerlei historische Ereignisse. Abfallprodukt: Probenarchiv in Datenbank, ähnlich Steinatlas in Deutschland. (KF:
Ja mei, für was es alles Geld gibt! Hungert Afrika nicht mehr?)
18. Philipp Rück (CH): Vom Kalkmörtel zum Zementmörtel im Brückenbau (1850-1920) (der Schweizer Bundesbahn). Inventar
als Beleg der Beständigkeit der verschiedenen Mörtel. ~1850: große Quader, keine Fugen, heiße Vergußmörtel für Gewölbe,
allg. Kalkmörtel mit hydr. Zusatz. Mörtel heute oft mürbe.
Ab 1880: kleinere Steine, breitere Fugen, Fugenanstrich, höhere Hydraulbestandteile,
heute meist mürbe. Typisch: starke Sinterbildung an Gewölbeuntersicht, wenn Abdichtung defekt. Hochofenschlacke.
Bis 1290 Mauerwerk wie vor, PZ. In Bogenbereich reiner PZ-Mörtel, darüber
hydr. Kalkmörtel. Guter Zustand. Zerstörungsbild:
Mauerscheiben lösen sich vom Kern, bauchen aus. Kantenabsplitterung überlasteter Fugenflanken.
Fazit: Bei engen Fugen und eher monolithischem Mauerwerk ist Mörtelkorrosion von geringem Einfluß. Bei breiten Fugen
größere Probleme. Zerfallsgeschichte = Durchfeuchtungsgeschichte. Reparaturen: tiefenbindende
feste Reparaturfugen verursachen konzentrierte Lastüberlagerung in Schale.
Frostbereich an vorderen Mauerzonen-> Abscherung. Nur an Frostbereich eingebaute linsenförmige Versiegelung als Abwitterungsschutz mit durch
Schwund entstandenem Abriß von ob. Fugenflanke verursacht kein Abscheren. Dichtere Fugen Problem bei durchlässigem Stein.
Diskussion: Pursche: Kalkspatzen sind ungelöschte Branntkalkstückchen, die Nachlöschen und trichterförmig ausplatzen – ein Schadensfaktor.
Alles andere sind nicht nachlöschgefährdete „taube“ Kalksteinsplitter.
19. Steffen Laue (D): Konservierung magnesiumsulfat-belasteter Wandmalereien des Kapitelsaals in Riesa/Sachsen
Dolomit-brennen-CaO + MGO-löschen-Ca(OH)2 + MG(OH)2 – Glätten
– MGCO3 + MG(OH)2 + ... + CaCO3 – SO2
ausLuft >MGSO4 x 7H2O (Epsomit) x 6H2O..(Hexahydrit) x 4H2O (Starkeyit)
Bei Phasenumwandlung Lösung-Kristallisation entstehen Volumenveränderungen, die Mörtelmaterie
zerstören.
In Riesa hohe Salzbelastung durch Ionengemisch. Forderung: Luftfeuchte -> 60% um Phasenumwandlung Magnesium-hexahybrit ->Epsomit zu vermeiden <
18%, Minimum Salzkristallisation. Grenzfeuchtemeßgerät an Wandoberfläche steuert Klima und ggf. Wasserzugabe zur Luft. Monitoring
von Prolbem-Referenzflächen. Klimavorgaben entsprechend Salzbelastung! (KF: Altertümliches, teures und unsicheres Konzept angesichts
Hüllflächentemperierung)
Diskussion: Zehnder: Magnesiumhydrate in Vergesellschaftung mit anderen hygroskopischen
Ionengemischen verändern Phasengrenzen. Exakte Klimavorgaben relativieren sich dadurch.
20. Ruedi Krebs (CH): Zwanzigjährige Erfahrung mit Sumpfkalk in der Schweiz
Zusammenarbeit mit Putzer Germann (+). Herrliche Praxisbeispiele, zurückhaltende Bauwerksreparaturen mit Sumpfkalkmörtel. Gleiches mit Gleichem
flicken. Bodenbeispiel: Platten in Erde verlegt, Kalkmörtelverfugung. Beispiel:
alter Mörtelboden, auch aus Anhydrit. Küchenboden-Platten Zementfugen
mit Ausblühung, Zementmörtel wurde entfernt aus Fugen, denn Fugen
nur ausgewischt. (KF: Das war echt spitze, warum nicht mehr
solche echten Fachleute der Praxis?)
21. Günther Stanzl (D): Kalkmörtel in der Denkmalpflege von Burgruinen
Saniertradition an Ruinen vorwiegend mit Traßzement-Mörtel bevorzugt in Spritzmörteltechnik. Riesenschäden wie Ausbrüche und
Salzausblühungen, Feuchtestau die logische Folge. Umdenken: Kalkmörteleinsatz. Dann aber Schäden, da sich Restauratoren nicht
auskannten. Nächste Phase: Märkertraßmörtel mit geringerer Ausblühneigung. NHL-Kalke für Putze scheinbar besser, nicht für
Mauerkronen. Frost + Sieblinie + Nachbehandlung + Verarbeitung brachten Probleme. Dann feuchtestauende Hydrophobierung der Flächen
und wieder Auswaschen der Fugen mit Hochdruck. Heute gepflegte Zusammenarbeit mit Industrie. Volldeklaration, Sulfadurzugabe
(sulfatbeständiger Zement) sind erste Erfolge des denkmalamtlichen Einwirkens. Ebenso Einweisung der Handwerker vor Ort, Spritz- +
Handtechnik. Spritztechnik erfordert geringere Korngröße. Beispiel Aquädukt. Bei Sanierung römischer Aquädukte wurde vor 20 Jahren
hydrophobiert. Auf Nachfrage: Dadurch über 2 cm „Bröckelzerfall“ aller betroffenen Oberflächen. Barbarathermen in Trier
seit 100 Jahren 9mal unter Aufsicht und tatkräftiger Mitwirkung der Denkmalexperten kaputtsaniert. Vielerlei aktuelle Projekte mit
Hydraulkalkmörteln.
Diskussion: Menghini: Beste Konservierung wäre Schutzabdeckung gewesen.
22. Peter Widmer (CH) – Anleitung zur Mörtelrestaurierung mit „Mörtelcheckliste“. Praktische Hilfe für Beteiligte – von
Bestandsaufnahme bis Ausführung/Dokumentation, Benutzung, Handwerkertraining. (KF: Akademisch. Wer braucht das wirklich?)
23. Bernhard Nydegger (CH) – Sumpfkalk – Heißkalk – Kalkhydrat und Hydraulischer Kalk
Turmverputz in Rheinfelden mit hydr. Hochofenschlacke aus Eisenverhüttung
14. Jh.. Viele Ziegelteile von Feinmehl bis Brocken. Zusammensetzung von
grob bis fein mit sonst gleicher Zusammensetzung, Hydraulfaktoren aus Brand
binden bei Einsumpfen ab -> werden latent hydraulisch. Wichtig: historische
Vergütung, bisher und warum eigentlich so dermaßen unerwähnt?
1 kg Kalk + 1 Würfelzucker -> sehr gute Bindung der Farbtünche.
Deckenanstrich: Seifengrundierung. Öl + Kalk -> Kalkseife: dicht
und hart. In röm. Thermen angewendet. Warum keine Erforschung der histor.
Vergütungstechnik? Hydrophobierte Kalkanstriche sind
vorprogrammierte Schadensfälle der Industrie. Industrieberatung will keine Verantwortung.
Haftung des Handwerkers kann nicht versichert werden. Hydrophobierung ist
im Untergrund tatsächlich dauerstabil, inversibel. Der "Abbau" von Hydrophobierung
ist ein Irrglaube! Anstand im Verkauf muß über Gewinnmaximierung stehen!
24. Karl Stingl/Barbara Kosednar (A) – Kalkanwendung in Österreich – Beispiele aus der Denkmalpflege
Österreich hat inzwischen auch schon Kalköfen. Es gibt auch reine Kalkfassaden auf nicht abgeschlagenem Originalkalkputz. Mauerbach
bildet Handwerker aus. Start bei Null. Hinterfüllen und Festigen soll bei Stingls Projekten nur mit reiner Kalktechnik erfolgen.
Hydraulzuschläge reagieren bei Trockenlöschung zur Erhöhung der Frühfestigkeit. Umgebungsgerechte Bestandsergänzung. Mitwirkung bei ROCEM-Projekt. KF: Und was haben wir gelernt? Es gibt viel zu erforschen. Die Frage ist nur die Richtung.
Kirchenmalertagung am 26. Oktober 2009 in München, Schloß Nymphenburg
Kalk – Bindemittel in der Restaurierung
Programm
09:30 Grußworte
Prof. Dr. J.E. Greipl (Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes
für Denkmalpflege)
B. Mayrhofer (Vorsitzender der Fachgruppe Kirchenmaler)
10:00 Chemie (und Physik) rund um das Kalkbrennen, Kalklöschen und Verarbeiten. (Dipl.-Rest. M. Eiden, Rimpar)
10:30 Mörtelanalyse und Umsetzung in Vorgaben für Mörtelergänzungen / neue Mörtel. (Dr. K. Kraus, IfS Mainz)
11:30 Historische Bedeutung der Hydraulefaktoren bei Kalkputzen in der Denkmalpflege. (Dr. K.G. Böttger, Universität Siegen)
12:00 Kalk-Fassadenanstriche an Bauwerken der Bayerischen Schlösserverwaltung; Beispiele und Erfahrungen. (S. Wolf,
Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München)
12:30 Angewandte Kalktechniken in der Ersdiözese München-Freising. (Dr. H. Rohrmann, Kunstreferat der Diözese München-Freising.)
14:30 Zur Bedeutung des Materials Kalk, seine Geschichte der Anwendung als Bindemittel und Beschichtungsstoff und die historische Technologie
der Reparatur. (Prof. Dr. I. Hammer, Wien)
15:00 Materialien schreiben Kunstgeschichte. (Prof. Dr. A. Reller, Universität Augsburg)
15:30 Erfahrungsbericht Sachsen-Anhalt, Hundisburg. (Prof. Dr. Dott. T. Danzl, Hochschule für Bildende Künste Dresden)
16:00 „Positiv- und Negativbilanz der Kalkpolitik“ in Österreich seit 30 Jahren. (Prof. Dr. habil. M. Koller)
16:30 Diskussion / Tagungsende
Unautorisierte und kommentierte Tagungsmitschrift von Konrad Fischer
Grußworte/Eröffnung
Prof. Dr. Greipl: Grußwort
Kalk ist ehrwürdig und einer der 4 Grundstoffe unserer Baudenkmäler. Aber auch etwas Schwieriges.
Kommentar KF: Ob das "Schwierige" der Grund dafür ist, daß ausgerechnet die Deutschen Denkmalämter
seit altersher kalk- und bestandsfeindlichste Technologien mit Industrieprodukten der Bauchemie fördern,
empfehlen, durchsetzen und erzwingen? Beispiele gefällig? Wer kennt ihn nicht, den weltweit größten
Wasserglaspanscher aus Bayern? Und den bayerisch-wackeren Urstoffproduzenten der Silikatchemie mit all den zur
Natursteinverhunzung mißbrauchten synthetischen Silikatderivaten rund um Silane, Siloxane und Silicone?
B. Mayrhofer: Begrüßung, Kalknutzung seit ca. 14.000 Jahren. Vielfältige Anwendung, nicht nur im
Bauwesen.
Dipl.-Rest. M. Eiden: Chemie (und Physik) rund um das Kalkbrennen, Kalklöschen und Verarbeiten.
Moderne Mörtelindustrie mit Zement-Kunstharz-Hydrophobierung bedrohen Erhaltung historischer
Originaloberflächen von Baudenkmalen. Sumpfkalke + Stuckkalke sind als Mörtelbindemittel wichtig.
Trockenlöschung liefert gute Qualitäten. Luftkalkmörtel im Außenbereich seit dem 16. Jh. an
Moldaukllöstern perfekt erhalten. Restaurator Thomas Kenter hat am Schloß Ludwigsburg, seit über 10
Jahren gut erhaltene Putzmörtel aus trockengelöschtem Kalk. Tonhaltige Kalksteine liefern problematische
(hydraulische) Alkalien im Kalkbindemittel. Antike Beispiele Pompeij und Herculaneum. Feuchte und Salze bedrohen
Kalkmörtel und Kalkanstriche. Beispiel Kalkbrennen im Meilerofen mit selbsttragendem Steingewölbe, Ofenanlage
an Hanggelände. Brennen: Ca CO3 > CaO + CO2. CaO+H2O > Ca(OH)2 (löschen) > Branntkalk und griesiger
Kalk/Kalkgrieß. Abbindung: Ca(OH)2+CO2 > CaCO3+H2O. Naßlöschverfahren: Stuckkalke sind in Wanne mit
Wasserüberschuß verrührt und als Milch in Kalkgrube abgelassen. Trockenlöschung: Stuckkalk wird in
Sandmischung in mehreren Lagen aufgeschichtet und mit kontrollierter Wassermenge gelöscht. Dabei
„gedeiht“ Kalk mit 2-3facher Volumenvergrößerung. Ergebnis: „Kalkspatzen“ und
homogen verteiltes Kalkbindemittel. Kloster Gradenburg 1635 zerstört und als Ruine mit Kalkputzen und Fugen sehr
gut, trotz Extrembewitterung, erhalten. Anzunehmen ist auch historische Verarbeitung des noch nassen, frisch
gelöschten und warmen Kalkmörtels. Problem durch ungelöschte Kalktreiber. Palladio – Putz stark
verdichtet und feinkörnig. 400-500 Jahre bewitterte Kalkaußenputze gibt es im Tessin. Kalkspatzen wirken als
Wasserspeicher, verhindern das Aufbrennen und begünstigen Karbonatisierung des Frischmörtels.
Dr. K. Kraus: Mörtelanalyse und Umsetzung in Vorgaben für Mörtelergänzungen / neue Mörtel.
IFS – von Denkmalbehörden gegründetes wissenschaftliches Institut. Analyse: Frage nach Rezeptur, welche
Ausgangsstoffe in welchen Mengen. Bauforschung: Herkunft der Rohstoffe, Restaurierung: Nachstellung Konservierung.
Anorg. Bindemittel: Kalk, Gips, Lehm, Probenentnahme: Funktion – Setzmörtel, Putzmörtel, Fugenmörtel.
Zeitstellung Zweck der Analyse. Probemenge 30-50 g. Gefüge intakt! IFS: chemisch-mineralogischer Analysengang:
Auflösen in Salzsäure, Sieblinienanalyse, Dünnschliffe. Was sagt Analyse? Was wird gefunden? Kalkstein, Dolomit.
Mergeliger Dolomit: Dolomitierter, mergeliger Kalkstein. MgO-Gehalt, säurelöslich, SiO2 Gehalt. Zuschläge:
Silikatische Zuschläge. Großes Spektrum der Korngröße, farbige Zuschläge. Carbonatische Zuschläge.
Säureempfindliche Zuschläge schwierig nachweisbar, z.B. Bims und Kalkzuschläge. Puzzolane als Zuschläge Traß,
Schlacken, Ziegelmehl, Fasern (Haare, Flachs, Hanf, Heu), Holzkohle! Zusatzmittel: Milch, Blut, Öle, Fette, Eier
> Gasbläschen in Mörtelgefüge (Porenbildner) hist. Mischungsverhältnisse oft 1:2 Zuschlag zu Bindemittel.
Zusatzmittel der Moderne sind erlaubt! Sanierputz! Realität: IFS empfiehlt Rezepturen, die „sich am
historischen Befund orientieren“ – aber mit hydraulischen Bindemitteln, auch Portlandzement. Moderne
Mörtelkunde geht aus von Hohlraumvolumen der natürlichen Sande > 3:1, 4:1 z.B. Werktrockenmörtel von Firmen.
Beispiel Kloster Heydau mit Kalkspatzen. Dortige Schäden werden von Dr. Kraus nicht angesprochen. „Wir
weichen auch manchmal ab!“ Beispiel Neues Schloß in Idar-Oberstein. Kalkzement als Bindemittel (HL 5).
Gellershausen, Kirche: Werktrockenmörtel mit DL 85 S. Nachstellung historischer Mörtel ist teuer, eine
Analyse ~ 400 EUR.
Kommentar KF: Werbefeldzug für hydraulische Werktrockenmörtel, nicht für reine Luftkalkmörtel. Aber so kennt
man das IFS und seine Trockenmörtler. Nahtlos schließt sich in diesem Sinne an ein gewisser
Dr. K.G. Böttger: Historische Bedeutung der Hydraulefaktoren bei Kalkputzen in der Denkmalpflege.
2500 v.Chr. schon hydraulischer Kalk mit hoher Bindung/Festigkeit. In Cheopspyramide war Ziegelmehl in Kalk.
Pantheon in Rom hatte Puzzolan-Mörtel als Vergußmörtel. Magdalenberg 28 v. Chr.: Metallschlacke in Mörtel
– bis 10N/mm² Druckfestigkeit. Brenntemperatur 1000 °C: Kalk, über 1000 < 1200 °C: NHL, 3/5, 5/5,
> 1200 °C: Zemente. Wasserbedarf korrespondiert mit Schwinden, Schwinden beeinflußt Festigkeit. Gröbere
Bestandteile – geringeres Schwinden – bessere Festigkeit. C2S, CaO, C3A (entstehen bei
Temp. > 1200°C) binden ab als Calciumsilikathydrate, Calciumaluminate und CaCO3. Schwinden der Kalkmörtel:
„starkes Schwinden in der Form“, geringeres Schwinden des Festmörtels. Festigkeitsentwicklung
abhängig von der Zusammensetzung. Feuchtelagerung verhindert in Luftkalkmörtel Erhärten! Das CO2 kommt dann nicht
in die Mörtelsubstanz, da dort noch das Wasser sitzt. Bei 90% rel. Feuchte + 1% CO2-Atmosphäre bekommt auch
Luftkalkmörtel LKM Festigkeit. Hygrisches Verhalten: Mit zunehmender Festigkeit nimmt Wasseraufnahme ab, aber
auch Wasserabgabe (Trocknung). Alkali- und Sulfatgehalte steigen mit Hydrauleanteile K2O+Na2O+SO3. NHL darf
normgemäß bis 6% Gipsanteil („SO3“) haben. Gipszugabe in NHL! Bisher auch
organische Bindemittel in NHL erlaubt. Ausblühverhalten der Mörtel: keine Ausblühungen in LKM, in NHL schon.
Sulfatwiderstand von NHL werden bei Gipskontakt zerstört (Treibmineralien). Beispiel Martinikirche Halberstadt:
Mörtelzermürbung durch Thaumasitbildung im hydraulischen Mörtel. Festigkeitssteigerung durch Hydraulen > 10
N/mm² mit Ölschiefer, Metakaolin, Traß, Hüttensand; < 10 N/mm² mit Ziegelmehl; Ziegelmehl, Metakaolin und Hüttensand
führten zu keinen Ausblühungen, andere hydraulische Bindemittel/Zusatzstoffe schon.
Verwendung von Zement „in dosierter Form“ sinnvoll für Restaurierung. Weniger Nachbehandlung.
Kommentar KF: Tarnsprache. Wer viel weiß vom Problemfeld, erwirbt damit die ultimative Berechtigung, dann
selbstverständlich Zement in den Kalkmörtel reinzuhauen. Das vom lieben Gott höchstpersönlich
verliehene Primat der doktorierten Mikroskopblinzler und Suppenpanscher.
S. Wolf: Kalk-Fassadenanstriche an Bauwerken der Bayerischen Schlösserverwaltung; Beispiele und Erfahrungen.
Beispiele Blutenburg: 1979 Fassade alles in Kalk, 1995/97/02: Dispersions-Silikatfarbe als Bauunterhalt. Vergleich 2008:
Ähnliches Abwitterungsverhalten. 2. Feldafing, Casino auf Roseninsel, bauzeitlich originale Traß- u.
Romankalkmörtel im Bestand an Fassade. Ursprünglicher Fassadenanstrich Kalkkasein, Instandsetzung
Putzfassaden 2001/03, Probenreihe für verschiedene Anstrichsysteme. Sumpfkalk SK, SK + Seife, Kalkkasein, Gelsilikat,
Industrie-Kalkfarbe. Restauriermörtel 3 SK, 1 Traß+Sand. Mit Marseiller Seife aufgespritzt wird
Kalkanstrich wasserabweisend, ohne Diffusionseigenschaften zu verschlechterten. Umgesetzt: Kalkkasein, auf
W-Seite hydrophobiert, Seifenzusatz war anstrichtechnisch negativ, Bläschenbildung. S-N-O-Seite gut erhalten,
auf W-Seite starke Verwitterung. Genau in Rissen stärkere Karbonatisierung, weniger Rückwitterung. Teils
Anstrichablösungen. Starke Sockelschäden. (KF: Angeblich) „Aufsteigende Feuchte“
(KF: in Wahrheit keine Nitrat-Entsalzung vor Neuverputz!!! Fachleute und Experten!).
3. Burg Trausnitz, Landshut, Damenstock, 2003/4 Kalkschlämmen.
Umfangreiche Bemusterung inklusive hydraulischem Bindemittel
(Portland?), auch Acrylat (Primal), Leinölfirnis. Kalk + Leinöl bestes Ergebnis. Acrylate
bildeten „Puddingkeit“ (puddingartige Erscheinung) in Oberfläche,
Mischungen mit HL5 sind durchgefallen (Wasseraufnahme + Abriebfestigkeit als Testkriterien). Acrylatzusatz: führt zu
deutlichst mehr Wasseraufnahme! Aktueller Zustand: Sockelschäden (KF: Ja, die Nitratsalze/der
Mauersalpeter, den man drinließ). Zementputz + Dispersionsilikat stark geschädigt auf Kamin. Fazit:
Handwerkliche Fehler machen Kalkanstriche problematisch, doch im technischen und gestalterischen
Vergleich gute Gesamteigenschaften! Unabhängige Kontrolle durch Fachbehörden unangenehm
für Handwerker, aber wichtig. Kritik: verschiedene bauchemische Vergütungen könnten entfallen, wenn
handwerksgerecht gearbeitet wird (gutes Vornässen), was aber - unausgesprochen, aber gewissermaßen durch die
Blume oder zwischen den Zeilen gesagt - von typischen Kirchenmalern nur in Ausnahmefällen zu
erwarten wäre. Apell!
Kommentar KF: Sehr gut die vortragsimmanente Radikalkritik an den in
reicher Zahl anwesenden Zement- und Chemieschmieraxlern.
Dr. H. Rohrmann: Angewandte Kalktechniken in der Ersdiözese München-Freising.
Kalk nie umunstritten, Außen immer Problem. 1. Beispiel: Egling,
Kirchturm, Luftkalkmörtel + Kalktünche gewünscht. Ergebnis: LKM + Purkristallat/Wasserglasfarbe. 2.
Beispiel: Bad Tölz, Kreuzkirche: Außenfassade als Altararchitektur
farbig in Kalkmalerei marmoriert. Überwitterte Bemusterung mit
Abriebtests. Auf Romanputz lösen sich z.T. Kalkanstriche ab,
sonst auf altem + neuem LKM gute Erfahrung. 2. Beispiel: Aufkirchen,
St. Johann Baptist / Johannes der Täufer, 1726 ff. Stark verdichtete LKM-Oberflächen,
annähernd spiegelnde Effekte. Extrem gut erhaltene Kalkglätte. Barocke Räume und Inventar wirken nur,
wenn originale Lichtwirkung an originaler / originalgleicher Oberfläche der Wand erhalten
ist. 4. Beispiel: Tuntenhausen, Pfarr- u. Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt. Rosafarbenes Stuckgewölbe.
Rückführung der ursprünglichen Kalk-Lasur-Oberfläche. 5. Beispiel: Au bei Berchtesgaden, Hl.
Familie, Sockel in Dipersionsfarben der letzten Restaurierung geschädigt / schädlich. Mit Silikatfarben ist
originaler kristallin-brillanter Kalkton nicht zu erreichen. Entscheidung: Freilegung, und
retuschierende Ergänzung mit Smalte-Kalk. – Vorstellung der Kirchengemeinde: „Nur
Rausweißeln , wir haben einen günstigen Maler, muß kein Kalkanstrich sein“. Kein
Qualitätsbegriff bei den Verantwortlichen vor Ort, jedoch im Diözesanbauamt.
Kalkoberflächen sind gut zu reinigen. Sehr schlechte Erfahrungen mit typischem Dispersionsanstrich-System. Auch Kirchenmaler
sollten für Kalk eintreten! Viele arbeiten mit Dispersion! Qualitätsbewußtsein für Kalk-Rohstoff
fehlt. Kalklasurtechnik wird von Kirchenmalern nicht beherrscht. Acrylate werden eingesetzt. Über 0,5% Leinölfirnis!
Dispergiertes Weißkalkhydrat?! Material- und Verarbeitungstechnik müßte dringend entwickelt
werden, Merkblatt wäre erforderlich, um Standards zu klären. Auch für Vergleichbares ausschreiben.
Spachtelmassen mit Kunstharz? Gütekriterien einer Fassung! Kritik an den immensen Desideraten im von seinen kalkigen
Ursprüngen entfremdeten Malerhandwerk.
Kommentar KF: Sehr gut auf die Pauke gehauen. Wie immer total "vergessen" oder pure Scheinheiligkeit des
Kirchenreferenten: Daß die allgemeine Korruption der Planer durch gratifikationsgestützte Umsonstplanung seitens
Bauchemie / Bauindustrie / Bauhandwerk - ein Muß bei den Honorarbedingungen in der Denkmalpflege, vor allem auch
bei allen kirchlichen Planungsaufträgen! - eben genau den vielbejammerten bauschädlichen Industriemüll an die
Wand bringt. Und nicht nur dort.
Prof. Dr. Ivo Hammer: Zur Bedeutung des Materials Kalk, seine Geschichte der Anwendung
als Bindemittel und Beschichtungsstoff und die historische Technologie der Reparatur.
Kalk seit 7000-6000 v.Chr. nachweisbar als Putz verwendet, soweit die archäologisch greifbaren Befunde. Seit ca.
11000 v. Chr. im Gebrauch. Kalkbrennen: Unterschiedliche Temperaturen im Kalkofen ergeben unterschiedliche
Materialqualitäten. Kalkqualität muß handwerklich am Objekt bemustert werden. Früher immer
sandige Feinanteile in Kalktünchen (Aufschlämmen von ungewaschenem Sand) tonig + silikatisch + pigmentierend
+ Beschleunigung Kristallisation und Carbonisation durch ungleich große Kornpartikel + latent hydraulischer
Effekt. Feinstsand quarzitisch 0,01 mm. Mineralisches System auf Kalkbasis im Vergleich zu allen konkurrierenden
Systemen günstiger in vielerlei Hinsicht: - Mikrorisse nicht festigen/fixieren wie mit krustenbildendem
Silikat-Fixativ, sondern elastifizieren (thermische Dilatation), - hydrophil (wasserdurchlässige Porosität),
- keine schädliche Salzabspaltung wie bei Silikatprodukten / Wasserglasprodukten, - Schnelltrocknung (1000x
schneller als Dampf), - bauschädliche Salze aus dem Untergrund blühen an durchlässiger / kapillaraktiver
Oberfläche aus, nicht in Poren, - gute Reparierbarkeit. Entsalzung Untergrund z.B. mit Putz-Zellstoff-Kompressen.
Gipsumwandlung/Krustenminderung durch Hirschhornsalz, danach Entsalzungs-Kompressen. Oberflächenreinigung z.B.
durch Dampf und Eispartikel (CO2-), auch Laser.
Kommentar KF: Das große Loblied des Kalks - wieder mal in den verkeimten Wind gesprochen. Bezeichnend die
Gesichtsausdrücke so einiger der anwesenden Kirchenmaler (und Architekten).
(Terminbedingte Programmumstellung) Prof. Dr. habil. M. Koller: „Positiv- und Negativbilanz der
Kalkpolitik“ in Österreich seit 30 Jahren.
Gewährleistung – nur eine gesellschaftliche Konvention. Früher: Große Gebäude alle 100 Jahre
instandgesetzt, kleinere alle 20 Jahre. Bildbeispiele: Tamsweg im rauhen Lungau, Kirche 1560: Originaler Kalkputz und
Anstrich gut erhalten. Marbach am Felde, Speicher, 350 Jahre alte Kalkputzfassade, 95% original. Ehemalige Kartause
Mauerbach, Kalkputze original aus dem 17. Jh. Melk Kirche, 1948: Kalk, 1978: Silikat (Purkristallat), 1981 schon wieder
Silikat, da Oberfläche hinüber: Keine!!! erhöhte Dauerhaftigkeit der Industriesysteme und von der ekelhaften
Industriepropaganda als überlegen hochgelobten Chemiepampen. Wien, Unteres und Oberes Belvedere, Kalkanstrich auf
Feinputzglätte, Sockelschäden auf versalztem Untergrund. Schönbrunn, Westfassade, Silikatdispersion 1996,
Südfassade Kalk 2007. Benamsung der übelst beluemundeten industriellen Pampenbastler, Danke, Koller! - Hier
verzichten wir aber lieber darauf ...
Kommentar: Ach, wenn es doch solche Leute in Deutschland gäbe!
Prof. Dr. A. Reller: Materialien schreiben Kunstgeschichte.
Nevali Çori: Beispiel für antike Kalkverwendung. Verschiedene Bildungsformen in Kalkkristallen. Stahl und
Zement erzeugen mehr als 14% des anthropogenen Kohlendioxids (KF: Ha, ha, selten so gelacht - als ob das ein Problem
wäre!), Kalk + Zement ca. 7%. Mineralien im antiken Ägypten, durch Suche nach künstlichem Blau
(Azurit/Lapislazuli war teuer) viele chemische Entdeckungen. > Ägyptisch Blau: Calcium-Kupfer-Silikat. Auch
Chinesen haben Blau synthetisch hergestellt: Bariumcarbonat, Michelangelo hat venezianisches Blau verwendet
(Kobaltfritte) und hat unter Farblasur reflektierendes Kalkpulver verwendet.
Prof. Dr. Dott. T. Danzl: Erfahrungsbericht Sachsen-Anhalt, Hundisburg.
Mystische und mythische Überhöhung der zweifellos überlegenen Eigenschaften von Kalk – reziprok
zur vermehrten Verwendung von Zement und Kunstharzbindemitteln. „Kunstharzbindefarben“ treten in Nazizeit
ihren Siegeszug an. Auch in der DDR dann PVAc-Latexfarben und Silikatfarben (Berlin-Grimma). Historische Werktechniken
waren in der DDR bald nur noch auf VEB Denkmalpflege beschränkt. Im Alltag verschwanden sie. Diktum: "Die
Qualität der Restaurierung bestimmt die Qualität der Denkmalpflege, die Qualität der Denkmalpflege
bestimmt die Qualität der Restaurierung". Restaurierungswellen in der ehem. DDR fanden quasi ohne Kalk statt.
Bauchemie hat ehem. DDR / Ossis mit ihren bekannten Praktiken nach Wende noch weiter überrollt.
„Interdisziplinärer Diskurs“ in Zerbst zur Förderung einer Kalkrenaissance installiert.
Trockenlöschexperimente, unterstützt von Fels-Werken. Kooperation mit Ziegelei Hundisburg (Kommentar K.F.:
Hoch subventionierte Spaß-Projekte): Hochbrandgips-Produktion in Hundisburg. Dessau und Keim: Schon ein Architekt
Gropius setzte marktbeeinflussendes "Sponsoring" von Keim in Gang. Bauhaus-Atelier-Fassade zeigt: Kalkrestaurierung,
stabiles Ergebnis. Marketingkeule der bauchemischen Industrie sichert Produktverkauf zu Apothekerpreisen. „Oder
gleichwertig“-Schwindel in den korrupten Ausschreibungsbüros ist zu verurteilen.
Kommentar KF: Den Finger auf besonders auch unter vielen anwesenden Tagungsteilnehmern schwärende Wunden gelegt.
Bravo!
Diskussion
Die vorgesehene Diskussion fand - leider, leider! - nicht statt. So sind meine entfallenen Diskussionsbeiträge auf
die Kommentare und überspitzte Exzerption hier beschränkt. Wer dazu was antworten oder hinzufügen will,
soll es mir mailen. Zensur findet wenigstens auf diesen Seiten nicht statt. Ende der Veranstaltung!
Kirchenmalertagung am 11. November 2010 in Thierhaupten, ehem. Kloster, jetzt Bauarchiv
des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege
Kalk - Bindemittel in der Restaurierung - Erfahrungsberichte
Konrad Fischer: Kalk am Baudenkmal - Scheitern und Gelingen
Publikationstext (30.03.2011)
Kalk am Bauwerk früher
"Nur der Baumeister, der in den bescheidenen Maßen der Neuzeit Fialen, Erkerhelme und Turmspitzen zu schaffen
hat, sinnt mit einer Mischung von Neid über das Geheimnis des Zaubermörtels nach, der jene Märchenpracht durch
die Jahrhunderte zusammenhielt, während ihm der zerborstene Prunk der anderen Bauten mit den neuzeitlichen
Mörteln drohend und ängstigend in Erinnerung ist. Ja, wie mag der Mörtel des baufreudigen Mittelalters
beschaffen sein?" (Max Hasak, aus dem Vorwort zu: Was der Baumeister vom Mörtel wissen muß, Kalkverlag,
Berlin 1925)
Viele Mauermörtel und Putze an unseren Baudenkmälern und "normalen" Altbauten bestanden über viele Jahrhunderte
aus hydratisch abbindendem "Luftkalkmörtel". Seine Bestandteile waren Gruben- oder Flußsand als Zuschlag und
als Bindemittel baustellengelöschter Branntkalk, teils auch angereichert mit noch ungelöschtem Branntkalk. Die
dabei enthaltenen Feinstanteile hielten genug Anmachwasser zurück für die nachfolgende Bildung von Kohlensäure
(infolge Kohlendioxidaufnahme aus der Luft in den Baustoffporen) und förderten so gleichzeitig ein optimales
Abbinden, das Schwundverhalten und die Verarbeitung. Je nach Beschaffenheit der zum Brand verwendeten
Kalksteine konnten auch leicht hydraulische Bestandteile enthalten sein (Wasserkalk, Schwarzkalk).
Auch für die Anstriche an der Fassade und in den Innenräumen wurden Luftkalktünchen verwendet. Die Lehmgefache
erhielten meist eine Schweißmörtellage aus Luftkalkmörtel und Luftkalktünche als Endbeschichtung. Diese
fungizide Oberfläche konnte das Kondensat aus zeitweise überschüssiger Luftfeuchte schnell absorbieren, damit
unter die schimmelkritische Konzentration abpuffern und später schnell wieder abtrocknen. Die
feuchteverträgliche "Kalkhaut" erhöhte auch an der bewitterten Oberfläche von Lehmstein- und Strohlehmgefachen
die Beständigkeit
Als Vorteile der Kalktechnik bestechen auch heute noch ihre einfache und preisgünstige Rezeptur, die
erfreuliche Ästhetik gekalkter Oberflächen während ihrer gesamten Lebensdauer sowie die an vielen Bauwerken
erwiesenen Langlebigkeit, für die vor allem zwei Eigenschaften verantwortlich sind: Die sehr geringe
Temperaturdehnung - gegenüber Zementmörtel etwa die Hälfte, gegenüber Kunstharzmörtel etwa ein Drittel, und die
hohe Austrocknungsgeschwindigkeit: zehnfach besser als die Zementmörtel, von den kapillartrocknungsblockierenden
Kunstharzmörteln und -beschichtungen ganz zu schweigen. Hinzu kommen die hygienischen Vorzüge - frische
Kalkschichten sind stark alkalisch und keimtötend, ihre sich mit der Erhärtung einstellende Sorptionsfähigkeit
kann Oberflächenkondensat sofort in der Mörtelschicht verteilen und entzieht damit dem mikrobiellen Befall die
Lebensgrundlage: Wasser in ausreichender Konzentration. Nachteilig sind die geringe Frostbeständigkeit stark
aufgenäßter Kalkmörtelschichten beispielsweise am Sockel und verarbeitungsbedingte Aufbrennerscheinungen wie
entfestigte Mörtel und kreidende Oberflächen, die immer aus Unkenntnis der drei großen Kalkgeheimnisse
entstehen: Wasser, Wasser und nochmals Wasser. Also:
- Kalkmörtel nur auf ausreichend gewässertem Putzgrund, um das Entfestigen der Mörtelschicht durch überhöhte
Absorption des Bindemittels im Untergrund zu vermeiden, dann
- ausreichend Wasserzugabe zur Tünche, um zu dicke, aufbrenn- und rißanfällige Malschichten zu verhindern, und
zuguterletzt
- eine ausreichende Nachbehandlung der frischen Kalkfläche mit aufgesprühtem Wasser, soweit vorschnelles
Auftrocknen droht. Das Abbinden (Karbonatisieren) von Kalkbindemittel nach dem System Säure (H2CO3 -
Kohlensäure) + Lauge (Ca(OH)2 - Kalklauge) = Salz (CaCO3 - Kalkstein) + Wasser
(H2O) setzt nämlich ausreichend Wasser in den nach dem Anwerfen im Mörtel entstandenen Luftporen und
ebenso in der Malschicht voraus, das nach Kohlendioxidaufnahme aus der Luft die für den Chemismus benötigte
Kohlensäure liefert. Die hohe adhäsionsbedingte Frühfestigkeit des Kalkmörtels infolge seiner schnellen
Trocknung, etwa 70 Prozent der nach seinem vollständigen Karbonatisieren entstehenden Endfestigkeit, garantiert
außerdem ein geschwindes Verarbeiten fast ohne Wartezeiten beim Mauern, Verfugen und Verputzen. Wobei wir genug
"unabgebundene" Kalk-Mauermörtel kennen, die auch nach Jahrhunderten nur dank ihrer enormen Adhäsionsfestigkeit
zusammenhalten.
Die Ablösung der Kalktechnik durch moderne Produktsysteme und ihre Folgen
"Sie werden sich selbst wie ihren Bauherren viel Ärger, Kummer und Kosten ersparen, wenn sie eine richtige
Mörtelwahl treffen, und sie werden eine größere Zahl unangenehmer Erscheinungen auf den neuzeitigen Bauten,
Hochbauten wie Ingenieurbauten, vielleicht nun mit anderen Augen ansehen und sie nicht mehr so unerklärlich und
gespensterhaft finden, wie dies auch mir als jungem Baumeister ergangen ist, ehe ich die wahren Schuldigen
[Zementbindemittel] auffand und die allzeit getreuen und zuverlässigen Freunde [Kalkbindemittel] erkannte.
... "Man kann mit dem besten Zementmörtel mauern und die vorzüglichsten Verblendsteine verwenden, es hilft
nichts! Es reißt alles kurz und klein!"" (Hasak, S. 9)
Seit dem 19. Jahrhunderts wurde dem Kalkmörtel vor allem im Fassadenbereich mehr und mehr Portlandzement oder
sonstige Zementarten zugesetzt. Dies geschah vor allem in der Hoffnung, dadurch die Festigkeit und
Frostbeständigkeit zu erhöhen. Im Zuge der folgenden "Sanierungen" historischer Bausubstanz wurden dann auch
die Fehlstellen der alten Luftkalkmörtel mit zementären Mörteln ergänzt und nach dem Zweiten Weltkrieg die
Kalktünchen mit "moderneren" Anstrichsystemen auf der Grundlage kunstharz- oder kaliwasserglashaltiger
Bindemittel überfaßt oder ersetzt. Der gut saugfähige Luftkalkmörtel im Malgrund wurde dann "grundiert" - also
mit trocknungssperrenden und straff aushärtenden Lösungen (Tiefgrund, Fixativ) getränkt. Trocknungsblockade
und überhöhte Temperaturdehnung der "modernen" Systeme waren die logische Folge ihrer physikalischen
Eigenschaften, die Aluminate der Hydraulbaustoffe (C3A-Bestandteile) begünstigten zusammen mit Feuchte und den
im einst sauer beregneten Kalkmörtel immer anzutreffenden Sulfaten die Treibmineralbildung (Ettringit,
Thaumasit). Die Kaliwasserglasanstriche spalten bei ihrer Abbindung Pottasche - ein ausblühfähiges und
hygroskopisch wirkendes Schadsalz - ab. Hohlstehende Putzschollen, sich ablösende Malschichtkrusten und
-schwarten, kapillar saugende Risse und Mikrorißcraquelée, Frostschäden im Malgrund und an der
Oberflächenbeschichtung, Algen an der Fassade und Schimmelpilzbefall an den Raumoberflächen sind die
Schadensbilder, die der falschen Baustoffwahl zwangsläufig folgen.
Vergabekriminalität vs. Kalktechnik
Wie kam es zu diesen immer mehr umsichgreifenden Brutalverstößen gegen die althergebrachten Regeln der Baukunst?
Zunächst mal ist dafür die bauphysikalische und bauchemische Ahnungslosigkeit aller Beteiligten verantwortlich.
Dieser könnte man durch entsprechende Aufklärung wohl leicht begegnen, wozu dieser Aufsatz gerne ein bißchen
beitragen möchte. Das wohlfeile - in aller Regel mit einschlägigen Firmen- und Produktnamen angereicherte -
Geschreibsel, das den Materialverstand und die aus Sonntagsreden bekannte Forderung nach bestandsgerechtem
Restaurieren gleichermaßen verhöhnt, ziert leider arg viele "Gutachten" und "Stellungnahmen", nicht nur der
Vorkriegsdenkmalpflege.
Noch verrückter sind aber die unsäglichen Manipulationen der Hersteller und Verarbeiter von Fertigmörteln und
Anstrichen, deren Bestechung der Bauplaner der Anwendung von baustellengemischten Kalkmörteln und -tünchen
Entscheidendes entgegensetzen:
Sie liefern "umsonst" die Maßnahmenplanung bis zur Ausschreibung und glänzen dann zumindest beim folgenden
Weihnachtsbesuch mit überquellenden Präsentkörben. Die mit Fiktiv- und absichtlich vergessenen Nachtragspositionen
manipulierten Leistungsverzeichnisse aus Verarbeiterhand als Grundlage seiner später erfolgreiche Teilnahme am
"selbstgemachten Vergabewettbewerb" übergehen wir hier. Zwei typische Beispiele verdeutlichen das
produzentenmäßige "Ausschreiben":
Erstens eine Ausschreibung aus dem Amt Mannheim, Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Vergabe-Nr. 09-08505,
Projektbezeichnung: Schwetzingen, Justizakademie, Schloss -linker Flügel-, Putz und Stuckarbeiten - für ein
"Kulturdenkmal nach § 2 Denkmalschutzgesetz, ... derzeit als Fachhochschule für Rechtspflege genutzt."
Und was finden wir da unter den Vorbemerkungen unter der Nummer 4.1? Zum Beispiel diese Forderung:
"Sämtliche Putz- und Anstrichmaterialien sind von (Trockenmörtelfirma X-Y) GmbH & Co. KG, Werk (Z) zu beziehen
... Der Ausschreibung liegen die Materialien der Firma (X-Y) zugrunde. Alternativ-Angebote sind, ausser von der
Fa. (XYfarben), nicht zulaessig."
In den folgenden Positionen wird der ganze Produktkatalog inkl. der "Art.Nr." vom
schadsalzalkalienbereicherten Trass-Kalk-Mörtel, Trass-Vorspritzmoertel, Trass-Kalk-Leichtputz über den
Trass-Kalk-Porengrundputz, Trass-Kalk-Sanierputz WTA bis zur Flex-Dichtschlämme runterzitiert und auf das
historische - also luftkalkvermauerte und -verputzte Barockmauerwerk losgelassen. Und dann aus der Ausschreibung
eines denkmalamtbevorzugten Architekturbüros für die barocke Luftkalkfassade eines mittelfränkischen Schlosses:
"Technische Ausführungen und Gestaltung sind mit dem Restaurator oder dem ebenfalls tätigen Fachberater der
Firma [Wasserglasanstrichhersteller / Putzlieferant] abzusprechen. ... Die Arbeiten [des Fachberaters] werden
unentgeltlich durchgeführt. ... Bei dem zu bearbeitenden Fassadenputz handelt es sich unseres Erachtens um einen
reinen Kalkmörtelputz. ... [Spritzbewurf, Ausgleichsputz, Sanieroberputz] erfolgt mit
[X-Sanierputz]-Trass-Zementputz ... Aufbringen eines deckenden Schutzanstriches im [Z-Silikatdispersionsanstrich]-System".
Mit solch kalkfeindlichen Vergabetricks, die sinngemäß wohl viele öffentlich geförderten und auch
privat finanzierten Denkmalsanierungen zieren, haben Kalksysteme - so sinnvoll sie im Einzelfall auch sein mögen
- niemals eine über das spaßige Treiben weniger Fanatiker hinausgehende Chance. Wer wollte das bestreiten, wer
den bundesweiten Eifer - meist mühsam und dennoch sofort erkennbar getarnt mit dem ebenfalls
verbotenen Zusatz "oder gleichwertig" - der beamteten und freiberuflichen Unternehmerfreunde auf Kosten der
Denkmalsubstanz, des Haushaltsrechts und der Fördervorschriften am Baudenkmal beschönigen? So sehen die
"unangenehmen Erscheinungen" (Hasak), die einer wahren Bauqualität entgegenstehen, heute überall aus. Das
"Gespenstertreiben" im Hintergrund des Bauens und auch der "Denkmalpflege" hat uns allen wohlbekannte
Namen, deren Handynummern sind als Favoriten gespeichert. Oder?
Ob es künftig helfen wird, daß das OLG Düsseldorf im Beschluß vom 23.03.2010, Verg 61/09 unmißverständlich sagt,
daß eine mit "Leitfabrikaten" produktmanipulierte Ausschreibung auch trotz Gleichwertigkeitshinweis wiederholt werden muß?
Aber: Solange die Denkmalpfleger, Städtebauförderer und Bauherren ihre Sanierungsprojekte weiterhin nur den am
meisten mindestsatzunterschreitenden Planern anvertrauen und der alle Ebenen durchseuchende Vergabebetrug
zugunsten der Industriebaustoffe nicht durch Behördenkontrollen, Rechnungsprüfer, Gerichte und das Planergewissen
gestoppt wird, brauchen wir uns eigentlich weder über echte Planungsqualität, noch über Kalk am Baudenkmal weiter
zu unterhalten.
Kalkbestand und moderne Zutaten
Die modernen Bauschäden an Denkmaloberflächen zeigen immer auch die naturgegebenen technischen Grenzen
systemfremder Baustoffe auf mit Hydratkalk vermörtelten, verfugten oder verputzten Bauteilen auf: Abgesprengte
und zermürbte Schichten sowie Rißbildung sind das Ergebnis der physikalischen und chemischen Unverträglichkeiten
moderner Baustoffsysteme. Sie sind zu hart, zu dicht, fördern mikrobiellen Befall und produzieren schädliche
Nebenwirkungen wie Treibmineralien, ausblühfähige Alkaliensalze und die meist unvermutet auftretende und
unbekannt gebliebene Spätentfestigung nachkarbonatisierender Hydraulkalkmörtel. Die Vortragsbeispiele zeigen nur
das, was wir alle täglich vor den Augen haben. Und geflissentlich weggucken.
Daß historische Kalkmörtel und -tünchen vorzugsweise mit möglichst gleichartigen Kalkbaustoffen ergänzt und
überfaßt werden sollten, ergibt sich nicht nur aus dem denkmalpflegerischen Prinzip der bestandsgerechten
Ergänzung. Auch eine sachverständige bauphysikalische, bauchemische und baubiologische Bewertung käme zu diesem
Ergebnis. Gleichwohl ist die Renovierung mit rein hydratisch abbindenden Kalkbaustoffen auf rein hydratischen
Untergründen nur sehr, sehr selten. Eigentlich absurd aus bautechnischer, wirtschaftlicher und raumhygienischer
Sicht.
Am 30. März 2011 offenbart Karl Weber, Chef der "Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen" der hessischen Schlösserverwaltung in dem verzweifelten Appell
"Bröckeln Hessens Schlösser weg?" auf hr-online die ganze Wahrheit rund um den industrieberatenen Sanierpfusch auch seines Amtes (in dem es möglicherweise
auch noch nie eine VOB-gerecht-produktneutrale Ausschreibung von Bauwerkssanierungen gegeben hat und je geben wird):
"Teilweise wurden Schäden falsch oder kostensparend behoben, sodass die Arbeiten der vergangenen Jahrzehnte sich
zur folgenträchtigen Sanierungssünde entwickelt haben. Putz rieselt etwa am Bad Homburger Schloss und legt ein
blaues Plastiknetz frei. Hier müsse alles erneuert werden, so Weber. ... Hätte man vor allem mit dem richtigen
Material repariert, wäre das nicht passiert. Oft wurden schadhafte Fugen mit Zement ausgebessert, der das Wasser
aber ins Mauerwerk drückt und dies letztendlich zu Sand zermalmt. Von außen sei das nicht immer zu sehen. Richtig
behandelt, halten die Mauern Jahrhunderte. Regelmäßige Pflege mit den traditionellen Materialien sei nötig, sagt
Webers Mitarbeiterin Anja Dötsch. Auf Dauer sei das auch billiger."
Wer die von der staatlichen und kirchlichen Bauverwaltungen zwischen Alpen und Meer abgeschlossenen
Planerverträge (nicht nur) in solchen Fällen studiert, wird so gut wie niemals HOAI-Konformität mit korrekter
Einordnung aller honorarbildenden Faktoren finden. Auch alle staatlichen Förderrichtlinien boykottieren
Planerhonorare, die HOAI-konform und auskömmlich wären. Damit ist der Ausgangspunkt für die Planerbestechlichkeit
durch die firmenseitige Umsonstplanung geradezu automatisch gelegt. Ist es vielleicht das dürftige
Praxisverständnis unserer Baubehörden, das dieser logischen Erkenntnis entgegensteht?
So kommt es, daß die herstellerseitigen "Pharmareferenten-Sanierberater" im Hintergrund fast aller ausschreibenden Stellen nur die
zementär, silikatisch und polymerchemikalisch aufgeputschten Industriemörtel und -farben ihrer Chemiebuden in die
Restaurierungs-LVs landauf und -ab befördern. Ihr Umsatzinteresse - ideal gepaart mit der technischen, wirtschaftlichen und
ethischen Ignoranz von Planern, Denkmalpflegern und den Baubehörden sowie ihrer Finanzierungsrichtlinien - sind damit das
entscheidende Hindernis für jede einwandfreie Fachplanung und damit leider auch für die Kalktechnik.
Kalk, Baustoffexperten und Haftung
Nicht zu unterschätzende Hindernisse für die Kalkanwendung bieten aber auch die von der Bauindustrie für sich
selbst im DIN e.V. gestalteten Industrienormen, ihre Baustoffpropaganda und entsprechend industriegläubige oder
haftungsverängstigte Handwerker. Bei der mißlungenen Ausführung von Luftkalkprodukten durch unerfahrene
Handwerker kommen dann im gerichtlich organisierten Beweissicherungsverfahren meist ahnungslose oder
industrieseitig beeinflußte Schwachverständige zum Zug, die sich nur auf das Herunterbeten der angeblichen
Fachregeln und DIN verstehen und damit für jeden engagierten Kalkplaner ein extremes Existenzrisiko darstellen.
Bei absichtsvollem Verstoß gegen selbst untauglichste Industrienormen kann dem kalkverliebten Planer auch der
Versicherungsschutz für die grundsätzlich ausführungs- und handwerksbedingten Schadensfälle entzogen werden, für
die er wegen "Bauleitungsschaden" im Endergebnis der gesamtschuldnerischen Rechtsfigur oft ganz alleine haften
muß. Auch wenn der Handwerker vorsätzlich gegen alle qualitätssichernden Planungsvorgaben der Ausschreibung als
Grundlage seines Bauvertrags verstoßen hat. In diesem Problemfeld liegt eine erhebliche Tragik begründet, die
ihrerseits der Kalktechnik entgegensteht.
Es ist also nicht nur die Planerkorruption, sondern auch Handwerks-, Sachverständigen- und Juristenpfusch, die
eine Kalkrenaissance behindern. Die vielfältigen Verstöße, die das Handwerk mangels Handwerkskunst und der
Sachverständige mangels Sachverstand dem Planer und/oder dem unverschnörkelten Kalkrezept in die Schuhe schieben,
sind Legion. Die Expertengremien, die sich den Kalk auf die Fahnen schreiben und in Wirklichkeit das
industrietypische Aufpeppen der Kalkmischung mit salzigen Hydraulverstärkern, wasserrückhaltenden
Zellulosestäuben und pappigen Polymerklebern vorantreiben, ebenfalls.
Beispiele:
WTA-Merkblatt 2-7-01/D - Kalkputze in der Denkmalpflege - [8]: Abschnitt 3.3 "Grenzen der Anwendung":
"Kalkputze sind nur erfolgreich bei nicht dauerfeuchten Fassaden einzusetzen. Bei stark feuchtebelasteten
Fassaden und Mauern kann es durch Bindemittelauswaschungen zu extremen Kalksinterbildungen auf den Oberflächen
kommen, es kann keine Carbonatisierung stattfinden und somit keine ausreichende Festigkeit bzw. ausreichender
Frostwiderstand aufgebaut werden. Bei dauer- oder wechselfeuchten Fassaden ist mit Fleckenbildung, mit einer
schnelleren Verschmutzung und biologischer Besiedlung der Putzoberflächen sowie im Extremfall mit einer Schädigung
des Putzes zu rechnen. Auch stark bewitterte Fassaden ohne Dachüberstand sind problematisch."
IFS (Institut für Steinkonservierung)-Bericht Nr. 19-2004 [9]:
"Recht häufig sind Schäden vorprogrammiert durch Anwendung bei Belastungen, denen Kalkmörtel ohne hydraulische
Anteile nicht dauerhaft standhalten können. Dies betrifft in erster Linie Mauerwerksbereiche mit hoher Salz-
und/oder Feuchtebelastung. Auch an Bauwerksflächen, die extremen Witterungsbedingungen ausgesetzt sind,
insbesondere an horizontalen, regenexponierten Flächen muss mit baldigen Schäden gerechnet werden, wenn hier mit
überwiegend carbonatisch erhärtenden Mörteln verfugt oder verputzt wird."
Aus einem Beweissicherungsgutachten von Dr.-Ing. Nasser Altaha vom Fachverband Ziegelindustrie:
"Der vorhandene Fugenmörtel ist mangelhaft, weil es sich um einen reinen Luftkalkmörtel handelt, der für die
Fugensanierung der Fassade eines durch Schlagregen stark beanspruchten Gebäudes nicht geeignet ist. Es zeigen
sich als Folge dieser falschen Mörtelanwendung massive irreversible Schäden am Fugenmörtel, die nur beseitigt
werden können, wenn der vorhandene Fugenmörtel durch einen geeigneten Mörtel ausgetauscht wird. Als Fugenmörtel
muss ein Mörtel mit hydraulischem Bindemittel verwendet werden. ... Als Mörtel kann z. B. ein Mörtel der
Mörtelgruppe MG II oder MG IIa gemäß DIN 1053-1 verwendet werden."
Das alles hätten sich die altehrwürdigen Kalkbaumeister unserer Baudenkmale von den Kathedralen und Domen, Burgen
und Schlössern bis hin zum schlichtesten Bauernhäusel nun mal wirklich hinter die Ohren schreiben müssen. Auch
hydraul-, silikat- und polymerverliebte Denkmalgutachten mit qualitätssichernder Produktnamensnennung gab es
damals noch nicht. Die Armen im Geiste mußten ohne solch herrlichen Geistesfrüchte ihr mühseliges Tagwerk schaffen. Schade?
Wie funktioniert's?
Nur wenige technische Zutaten wie frost- und regenbehindernde Gerüsteinhausung und materialgerechtesVerarbeiten
inklusive aufbrennverhinderndes Vor- und Nachbehandeln braucht es, um die simplen Materialkombinationen aus
vorzugsweise baustellengemischtem Sand und Kalkhydrat/Branntkalk zu einem guten Ergebnis zu befördern. Und da das
alles ohne ausreichende Erfahrung an keinem Objekt gelingen wird, sind beweisführende Musterflächen
selbstverständlich Pflicht. Außen wie Innen! Nur so kann es auch heute noch gelingen, trotz aller Haftungsnöte
gute Kalkarbeiten abzuliefern. Doch ohne einen kompetenten Bauherren, der sich den Verführungsreizen der
Billigstplaner mit ihrer Vergabemanipulation und dem DIN-gespreizten Expertentum zu widersetzen
weiß, wird das auch weiterhin entweder ein frommer Wunsch oder krasse Ausnahme bleiben. Amen.
Literatur zu Putz und Farbe, Anstrich und Fassade, Badgestaltung und Lehmbau-Technik: