6. Falscher Farbanstrich
Nicht alle - besser: nur wenige Anstrichsysteme sind für Kalkputzuntergründe geeignet - trotz gegenteiliger Herstellerangaben. Die erforderliche Druckfestigkeiten des Malgrunds, durch das Farbsystem erzeugter Salzeintrag in den Malgrund und seine Folgen für die Putzstabilität setzen hier enge Grenzen. Eine Volldeklaration der Farbinhaltsstoffe und die Angabe dauerhaft bewährter Referenzflächen sind ein Muß am Baudenkmal. Falsche Baustoffanwendung kann die beste Handwerksarbeit zunichte machen!
Auf Kalkmörtel ungeeignete Anstrichsysteme verursachen oberflächennah zu hohe erhärtungsbedingte und schadsalzreiche dichte feste Mörtelbereiche, die sich dann über kurz oder lang abschälen. Moderne Anstrichsysteme auf Silikatbasis (Wasserglas, Kaliwasserglas) und Kunstharzbasis (Polymer-Dispersionen, Acrylate, Polyvinylacetat PVA usw.) sind oft wasserabweisend (hydrophob). Diese behindern nicht nur bis zu ihrer unausweichlichen Versprödung die direkte Wasseraufnahme, sondern auch die Kapillarentfeuchtung von innen her. Schadsalz und Feuchte, in Altfassaden immer vorhanden, wandern ebenso wie gelöstes Calciumhydroxid und in Gips umgewandelter Kalkstein kapillar zur Oberfläche. Wassersperrende Malschichten behindern den Abtransport der Schadstoffe und die Trocknung.
Dampfdurchlässige diffusionsoffene Beschichtungen lassen täglich Kondensat eindiffundieren, die unvermeidlichen Rißsysteme nehmen auch Regenwasser kapillar auf.
Falsche, das heißt kapillar sperrende Anstrichsysteme blockieren die Trocknung und damit die innere Carbonatisierung des Kalkputzes über seine gesamte Lebensdauer. Er wird nicht mehr ausreichend stabil und klingt hohl bzw. dumpf. Endergebnis: abschollende Farb- und Mörtelschichten, Frostzerstörung und Aufmehlen des tieferliegenden Mörtels. Da mit zunehmender Carbonatisierung auch die Trocknungsgeschwindigkeit zunimmt, erhöhen blockierende Anstriche auch die Frostgefährung des Kalkmörtels.
Anstriche auf Kalkmörtel dürfen deren Oberfläche also nicht übermäßig verfestigen oder deren Kapillartrocknung nach innen abdichten bzw. blockieren. Die Wasserabgabe aus dem Mörtelsystem an die Umgebungsluft muß ebenso gewährleistet sein wie die Möglichkeit der nötigen CO2-Aufnahme zur Carbonatisierung nach Aufnahme des CO2 im verbleibenden Porenwasser und dessen Umwandlung zur Kohlensäure. Die Kohlensäure mischt sich dann mit der Kalklauge und daraus fällt der Kalkstein - Kalkkarbonat als kohlensaures Salz des Calciums - aus und das überschüssige Wasser H20 wird abgegeben.
Für Kalkmörtel sind nur stofflich ähnliche Systeme wie Kalk- oder Kalk-Kasein-Anstriche geeignet. Sie erfüllen bei geeigneter Rezeptur und Verarbeitung alle Anforderungen. Ein gegenüber anderen Anstrichsystemen erhöhter Abbau von Kalktünchen durch Umwelteinwirkungen ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: bei Bindemittelverlust oder Rissen heilt sich die Kalkoberfläche durch die Nachversorgung mit löslichem Calciumhydroxid aus dem noch nicht durchcarbonatisierten Luftkalkmörtel selbst. Die Fähigkeit zur Selbstheilung kann abhängig vom Carbonatisierungsfortschritt über viele Jahre zur Verfügung stehen.
Allerdings ist wie bei jedem Anstrich auch bei der Kalktünche oder -schlämme die handwerklich korrekte Verarbeitung Grundlage des Erfolgs. Übliche Fehler:
- ungenügende baustellenseitige Verdünnung (beachte Austrocknung durch Wasserverlust aus Gebinde) und
demzufolge ungleichmäßiger und teils zu dicker Schichtauftrag. Es gilt hier ebenfalls die Vierkornregel -
bei Größtkorn 0,3 mm also max. Schichtstärke 1,2 mm (Schlämme), bei 0,015 mm max. 0,06 mm
(Tünche);
- zu hohe baustellenseitige Wasserzugabe zur "besseren" Verstreichbarkeit, dadurch Absinken der Zuschläge als
Eimersumpf, ungünstige Anstrichkonsistenz, zu hohe Porosität mit zu geringer Kornanbindung des
aufgetrockneten Anstrichs, in der Folge Abspülen, -mehlen, -stauben und - geradezu Standard, um
Handwerkerschweiß und Muskelkraft maximal zu sparen: ungenügende Aufmischung der Farbe während der
Verarbeitung, so daß schwerere Bestandteile auf den Eimerboden absinken und die oben entnommene dünne
Schlabberbrühe zwar wunderschön schwungvoll und spritzig aufzutragen ist, aber keine ausreichende
Kornanbindung und Untergrundhaftung erhält und schnell abmehlt. Ergebnis: Abkreiden der nur lose anhaftenden Anstrichpartikel;
- zu hohe Schichtstärke, die zu Abplatzungen, Rissen und Abbindestörungen der Anstrichschicht führt;
- überhöhte Anreicherung von Anstrichschichtstärke in Tieflagen, Abplatzungen und Anstrichrisse sind die Folge;