Der Sicherheits- und Gesundheitsschutz im Altbau - Planungsaspekte bei denkmalgeschützter Sanierung - ein ernstgemeinter Vorschlag 2
Vortrag auf der 1. Fachtagung der Koordinatoren Deutschlands, Leipzig 7.-8.4.2000
aktualisiert 2.08.2017
Es könnte ja der Malermeister in seiner gewohnten Tolpatschigkeit in ein vom WC-Installateur bis zum Anliefern der wegen Lieferverzug gerade nicht montierbaren Kloschüssel offen gelassenes Abflußloch hineintappen, sich den Hals brechen und eine 10-köpfige versorgungsberechtigte Familie hinterlassen. Die muß dann eben der Bauherr versorgen, soweit er nicht gesetzmäßig arbeitsschutzrechtlich und schriftlich nachweisbar koordiniert hat bzw. koordinieren ließ. Solche Fälle gibt es inzwischen, in denen der Bauherr erst staatsanwaltschaftlich und dann privatrechtlich seitens der Rententräger in Haftung genommen wird. Im Fall "W" war es die typische Kleinmaßnahme, die bauernschlauerweise ohne Architekt und - wenn schon, denn schon - selbstverständlich ohne Koordinator ablief. Ein Toter, und dann gings eben gegen den Bauherrn rund nach dem alten Motto: Dummheit schützt vor Strafe nicht. Und vor vorsätzlichem Verstoß gegen eine sicherheitstechnische Verordnung kann sich der Bauherr unter keinen Umständen versicherungsrechtlich absichern. Sonst könnte er ja auch seine Bude persönlich vorsätzlich abfackeln und dann bei der Brandversicherung die Hand aufhalten.
Die Leistung des SiGeKo betrifft nach dem Willen der Baustellenverordnung nur den Sicherheits- und Gesundheitsschutz der "Beschäftigten" auf der Baustelle. Für den Altbau-Bauherrn greift diese versicherungs- und haftungsrechtlich nachvollziehbare und gewollte Eingrenzung aber eigentlich zu kurz. Ein kompetenter Altbau-SiGeKo kann dem Bauherrn durch seinen altbaubezogen ergänzten und selbstverständlich auch zusätzlich honorierten Leistungskatalog nämlich auch zusätzlich Vorteile in den Bereichen Bautechnik, Kosten, Wirtschaftlichkeit, Terminsicherheit und Gebäudeunterhalt bieten, die bisher weder vom stilsicheren Architekten noch vom tabellentreuen Fachingenieur geboten wurden. Dafür wäre die Forderung nach Sicherheit und Gesundheitsschutz über den Bereich der "Beschäftigten" hinaus zu erweitern auf den schützenswerten Baubestand und die späteren Nutzer des Bauwerks. Daß damit die Stellung des SiGeKo beim Bauherren bedeutend mehr gestärkt wird, als wenn er ihm nur Vorschrifteneinhaltung, Haftungsvorteile und verminderte Bauunfälle verspricht, liegt auf der Hand.
Die Gefährdungsanalyse
Schon die Gefährdungsanalyse im Altbau hat dann einen ganz anderen Charakter als im Neubau. Es geht hier nicht nur um die gegenseitige Gefährdung gleichzeitig anwesender Bauhandwerker. Der Altbau bietet selbst ein Gefährdungspotenzial, das der ergänzend tätige SiGeKo zu Beginn der Planung berücksichtigen könnte. Dabei wären besondere Sicherheitsbedürfnisse des Bestands, die z.B. sein Denkmalcharakter mit einbringt, zu berücksichtigen.
Einige altbautypische Gefährdungen:
1. Der Bauzustand des sanierungsbedürftigen Altbaus selbst ist von Anfang an eine Gefahr für alle dort wirksam werdenden Arbeiten. Die Erfassung geschädigter Bereiche fordert besondere Umsicht: Absturzgefährdete Bauteile, einsturzgefährdete Decken und andere Tragkonstruktionen sowie eingeschränkte Resttragfähigkeit von geschädigten Bereichen, die nur im Rahmen tiefergehender Freilegung beurteilt werden können, bieten hier die Problemfelder.
Dies gilt nicht nur für historische Baukonstruktionen wie morsche Holzbauteile, aufgefrorene bzw. überbeanspruchte Gewölbeschalen, mehrschaliges Bruchsteinmauerwerk, abstürzende Putzschollen, Gesimse usw., sondern auch für "modernen" Pfusch. Die Ein- und Absturzgefahr korrodierter Stahlbetonteile darf beispielsweise nicht zu gering geschätzt werden.
Sowohl die in der Bauuntersuchung tätigen Architekten, Ingenieure und Bauforscher/Bauarchäologen, als auch die dabei eingesetzten Handwerker sind von gefährlichen Bauzuständen des Bestands betroffen.
2. Die Freilegungen zur Schadensuntersuchung und teils auch zur Bauforschung hinterlassen ebenso wie spätere Zwischenbauzustände im Bauablauf ebenfalls bauliche Risiken, die in der Gefährdungsanalyse kritisch gewürdigt werden müssen. Abbruch- und Montagepläne sind hier die oft die einzigen Möglichkeiten, einen einigermaßen sicheren Bauablauf zu gewährleisten.
3. Altlasten wie Kampfstoffe der Weltkriege, aber auch toxische Baustoffe der Bauchemie (z.B. Holzschutzmittel, Kleb- und Farbstoffe) gefährden nicht nur im ursprünglichen und zweckentsprechenden Einsatz das Leben und die Gesundheit der Betroffenen. Bei Sanierungseingriffen wird ihr Gefährdungspotenzial oft nachhaltig verschärft.
Der SiGeKo im Altbau ist auf vertiefte und erfahrungsgestützte Kenntnisse in diesen Problemfeldern angewiesen. Auf die Gefahrstoffverordnung und die reiche Sonderliteratur zum Thema sei hingewiesen. Wer einmal DDT- oder lindanverseuchte Schloß- oder Kirchdachstühle regelgerecht instandsetzte, wird schon wegen der immensen Sicherungs- und Ensorgungskosten nie mehr vergessen, rechtzeitig Kontaminationsbeprobungen durchzuführen. Erfahrene Zimmerleute nutzen dieses Nachtragspotenzial mit großem Geschick.
Doch nicht nur Altlasten bedrohen den Gesundheitsschutz der Beteiligten auf Handwerker- und Nutzerseite, auch die modernen Baustoffe sind nicht ohne. Was die Bauchemie an Giftsuppen zusammenbraut, was Farben und Baukleber, Spachtelmassen und Dichtstoffe, Kunstharzprodukte und maurerkrätzefördernder Zement, toxische Schimmel- und Holzschädlingsbekämpfungsmittel hier der Gesundheit antun, ist nur selten Auswahlkriterium für die hier meist uninteressierten Planer. Hier kann der SiGeKo sein Fachwissen zum gesunden Bauen, zur alternativen giftfreien Lösung (z.B. giftfreier Holzschutz, Mörtel und Farben aus nichtzementären, kunstharzfreien und reinen Kalkprodukten) in den Planungsprozeß mit einbringen, um dem Bauherrn spätere Prozeßrisiken erkrankter Handwerker bzw. Bauwerksnutzer ersparen.
Daß viele dieser Problembaustoffe auch technisch kaum halten, was sie versprechen, ist nicht nur seit den Betonbaueinstürzen des deutschen Brückenbaus und den alljährlich wieder absplitternden Kunstharzfarben auf bewitterten Holzoberflächen allgemein bekannt. Da dies die Planungsbeteiligten aber bisher nicht störte, kann auch hier der SiGeKo einen bisher zu kurz gekommenen, aber durchaus für den Bauherrn nützlichen Beitrag leisten.
4. Ein zusätzliche Erweiterung der neubauüblichen Gefährdungsanalyse liegt im Altbau besonders nahe und im besonderen Interesse des Bauherrn:
Die Gefährdung des wiederzuverwendenden Bestands, im Baudenkmal zusätzlich der historisch wertvolle Bestand mit erhöhtem Sicherungsbedarf, durch die Baumaßnahme selbst.
Einmal geht es dabei um Brandsicherung während der Baumaßnahme beispielsweise durch Brandwachen und eine mobile Brandschutzanlage, dann um den Bestandsschutz vor Verletzung und Zerstörung durch ungeeigneten Bauablauf und mangelhafte Sanierungsmethoden, schließlich auch um den Schutz vor Diebstahl und Vandalismus. Bei einer phasenweise Baudurchführung werden dabei ständige Aktualisierungen der Gefährdungsanalyse erforderlich.
5. In vielen Altbausanierungen spielt auch die Wechselwirkung zwischen Baustellenbetrieb und weitergeführter Nutzung eine wesentliche Rolle. Auch hier wird der SiGeKo nicht nur die Arbeitssicherheit, sondern auch weit umfangreichere Schutzbedürfnisse koordinieren müssen.
Fluchtwegeplanung durch Baustellenbereiche, Vernetzung der Brandmeldung zwischen Baustelle und weitergenutzten Bereichen, Zugangssicherung gegen unbefugtes Betreten der Baustelle und des weitergenutzten Bereichs, Schutzkonstruktionen und Schleusen gegen Beeinträchtigung des weitergenutzten Bereichs durch den Baustellenbetrieb (Staub, Kontamination mit freigesetzten Gefahrstoffen wie freigesetzte Lösemitteldämpfe oder toxische Bestandteile von Holzschutzmitteln, ...) sind nur einige der Problembereiche, die hier durch organisatorische und konstruktive Vorkehrungen gelöst werden müssen.
6. Die neubautypischen Gefährdungspotenziale sind - je nach Umfang der Sanierung - auch im Altbau vorhanden, oft sogar mit besonderen Komplikationen. So sind
- die Baustellenorganisation im beengten Altbau,
- die Gerüststellung an differenzierten historischen Fassaden mit verletzungsempfindlichen Ziergliedern oder einsturzgefährdeten Bereichen,
- das gleichzeitige Arbeiten in dem Neubau geradezu entgegengesetzten Bauabläufen,
- das bekannte Desinteresse der Bauhandwerker an Bestandsschutz
altbautypische Herausforderungen, denen sich der SiGeKo dort ständig neu stellen muß, wenn er sich über sein originäres Aufgabenfeld auch um die gefährdete Bausubstanz kümmern soll.
Insgesamt wird die Gefährdungsanalyse des erweitert tätigen SiGeKo im Unterschied zum Neubau also nicht nur aus der vorliegenden Planung, sondern aus der Analyse des Bestands selbst erfolgen müssen. Selbstverständlich können dabei extern erbrachte zuverlässige Bestands- und Schadensaufnahmen berücksichtigt werden. Hier entstehen altbautypische Prüfungs- und Mitwirkungspflichten des SiGeKo. Eine qualifizierte Beratung des Bauherrn in den genannten Problemfeldern, die Hinwirkung auf umfassende Bestands- und Gefährdungsanalysen bieten ein Aufgabenfeld, das reiche Betätigung verspricht.
Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGePlan) im Altbau
Im SiGePlan für die "große" bzw. "gefährliche" Baustelle im Bestand müssen die oben angesprochenen Problemfelder in differenzierter Form berücksichtigt werden. Und noch mehr als im Neubau ist im Altbau eine intensive Aktualisierung des SiGePlans unabdingbar, um wirklich umfassend "Sicherheit und Gesundheitsschutz" unter den Anforderungen des rauhen Baubetriebs zu gewährleisten.
Dabei sind dann nicht nur für die gewerktypischen Gefährdungen die Arbeitsschutzmaßnahmen darzustellen, sondern die Sicherungs- und Schutzmaßnahmen für alle oben genannten Problembereiche, die das Bauvorhaben zu bieten hat. Die nur formale Erfüllung der Baustellenrichtlinie "um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen", kann den tatsächlichen Schutzbedarf nicht erfüllen. Hierzu muß der Bauherr sachgerecht beraten werden. Der auftragsfördernde Wink mit dem juristischen Zaunpfahl ist ein Merkmal mangelnder Kompetenz, mehr nicht.
Im komplexen Baugeschehen der Altbausanierung und Denkmalpflege könnte der Planungsbeitrag des SiGeKo das altbautypische Umfeld also zusätzlich mit berücksichtigen. Das bringt dem Bauvorhaben erheblich mehr Nutzen, als nur Versicherungsaufwendungen der Berufsgenossenschaft und die Haftung des Bauherren zu reduzieren. Genau diesen Planungsbeitrag wird der altbaukompetente SiGeKo besser leisten können, als die in Einzelproblemen befangenen Fachplaner. Deren Ausbildung berührte den Altbau, mehr noch die Denkmalpflege bestenfalls nebenbei. Und das Nachplappern von Normen und UVV´s kann zumindest im Altbau das erforderliche Gesamtergebnis - Schutz für Mensch und Objekt - nicht liefern. Daß hier gegebenenfalls Überschneidungen der SiGeKo-Leistung zur Architektenplanung und restauratorischen Fachplanung anzutreffen sind, ist selbstverständlich. Sie müssen eindeutig zugeordnet werden, um den Verlust an Sicherheit durch ungeklärte Kompetenzen weitestgehend zu vermeiden. Eine Utopie?
Bei der sicherheitstechnischen Mitwirkung an den Leistungsbeschreibungen sollte der SiGeKo zumindest das System der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) kennen. Sie fordert im § 7 Teil A die eindeutige Benennung aller preisbeeinflussenden Umstände des Bauwerks, damit jeder Bieter im gleichen Sinne anbieten kann. Diese Eindeutigkeit kann als Ergebnis einer systematischen Leistungsbeschreibung für den Altbau derzeit nur das Positionsbausteinsystem bieten. Dort werden die Gefährdungspotenziale und die daraus entstehenden Sicherheitsbedürfnisse für den Bestand und den Baubetrieb in einem selbstführenden Textsystem abgefragt und damit dem Planungsablauf als unabwendbares und unübersehbares Thema "vorgeschrieben".
Eine zutreffende Kostenermittlung ist im Altbau oft nur auf Grundlage einer gewerkweisen Ermittlung und Kalkulation der Baumaßnahmen in einer vorläufigen Leistungsbeschreibung möglich. Die HOAI faßt dies als "Besondere Leistung" auf, eine vorgezogene Ausführungsplanung und Mengenermittlung ist dafür Voraussetzung. Daß dabei auch die Sicherheits- und Schutzmaßnahmen nach SiGePlan rechtzeitig einfließen müssen, ist klar. In der HOAI ist die Planung und Überwachung von Maßnahmen zum Schutz vorhandener Substanz übrigens ebenfalls als "Besondere Leistung" vorgesehen. Es kommt nur darauf an, diese Leistungen auch wirklich zu erbringen.
SiGe-Koordination der Baustelle im Altbau
Hier ist besonderes Gewicht auf die Aktualisierung der im SiGePlan vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen zu legen. Da im Altbau regelmäßig Überraschungen nach Beginn der Arbeiten auftreten - die beste Voruntersuchung kann diese zwar begrenzen, aber nicht zu 100% verhindern - muß der Altbau-SiGeKo wissen, was ihn alles erwarten kann. Nicht nur die überraschenden erweiterten Schadensbilder freigelegter Konstruktionen, zusätzliche Kontaminationen oder baubetriebliche Störungen wie Unfälle, Bestandsverluste und Personenschädigung wegen mangelhafter Sicherung, auch unerwartete Befunde vom archäologischen Fragment bis zum hinter Verkleidungen verborgenen Wand- oder Deckengemälde können den geplanten Bauablauf und die Sicherheitsplanung immer wieder grundlegend umstürzen.
Die Sicherungsstrategie des SiGePlans muß also laufend kontrolliert und an den aktuellen Bedarf angepaßt werden.
Die Bedeutung der "Unterlage" im Altbau
Hier kann der Altbau-SiGeKo neben der altbaugerechten Gefährdungsanalyse die bedeutensten Wirtschaftlichkeitsvorteile für den Bauherren anbieten. Seine Kenntnisse zum gesundheitlichem Gefährdungspotenzial normierter Bauweisen (Schimmel durch verordnungsgerechte Dämmung und Dichtung, SBS im klimatisierten bzw. anlagentechnisch gelüfteten Bauwerk, Gesundheitsgefährdung durch hochabsorbierende Sondergläser im Fassaden- und Fensterbau), die Analyse der üblicherweise eingesetzten Giftstoffe der Bauchemie im Krieg um schnellere, billigere Verarbeitung und Baustoffkonservierung (auch bei sog. Bioprodukten bzw. Blauer-Engel-Produkte oft ein ungern kommunizierter Problemkreis), die Unmenge von Industriebaustoffen ohne jegliche Eignung für die Bedürfnisse des Altbaus, dessen Besitzer und Benutzer sind bei der Beratung zum sicherheits- und gesundheitsschützenden Bauen gefragt.
Die Architekten- und Ingenieurausbildung hat hier viel versäumt. Fragen rund um die Dauerstabilität und Gesundheitsverträglichkeit von Baustoffen und -konstruktionen wurden zugunsten der Effekthascherei und genormter Rechenformel hintangestellt. Die Folgen sind am Bauschadensgeschehen abzulesen, auch an den vielen Prozessen nach Gesundheitsschädigung der Bauwerksnutzer. Die empörenden Ergebnisse der Gesundheitsbeeinträchtigung nach Sanierung und Modernisierung von Wohnungen, das steile Anschwellen der gebäudebedingten Krankheiten in Ostdeutschland durch "energetische Sanierung" im Plattenbaubestand nach der Wende, das Schimmelsyndrom in Folge der Fenstererneuerung sprechen hier eine deutliche Sprache.
Nicht nur die extremen Instandhaltungskosten aufgeglaster Protzfassaden durch sicherheitstecnisch aufwendigste Reinigung, auch deren generelle Schadensanfälligkeit durch Glassprung verdienen hier kritische Betrachtung. Gleiches gilt für viele vermeintlich preisgünstige Bauvarianten, deren Unterhalt bis zum Entsorgungsprozeß unwirtschaftlich ist. Daß hier die Baubranche insgeheim mit den baldigen Folgekosten liebäugelt, ebenso wie der Architekt/Ingenieur mit den honorarsteigernden Baukosten seiner überdimensionierten und überteuerten aber bunt gefärbelten Konstruktionsvariante, ist vielen Bauherren schon bewußt. Nur, wie sollen sie sich davor schützen?
Hier wird in Zukunft der SiGeKo eine bedeutende Rolle spielen. Seine Aufgabe ist es ja, die sicherheits- und gesundheitstechnischen Folgen der geplanten Maßnahmen zu beurteilen, am Planungsprozeß auf Bauherrenseite teilzunehmen und der oft zu betriebsblinden Fachplanung ein kritisches Gegenüber zu gönnen. Wer hindert ihn, hier auch verstärkt die wirtschaftlichen Bauherreninteressen zu vertreten, technisch und wirtschaftlich ungeeignete Baustoffe und -konstruktionen abzuwehren und so beim Bauherren zu punkten? Nur seine fallweise mangelnde Kompetenz, vielleicht auch sein an die Baukosten gebundenes Honorar. Daß die Aufgabenbereiche Arbeitsschutz, Bestandsschutz, Gefahrstoffbeurteilung und -vermeidung, langfristiger Gesundheitsschutz der Bauarbeiter wie auch der Bauwerksnutzer, Konstruktionstechnik und Baustellenorganisation nicht unbedingt in Personalunion eines "Koordinators" zu leisten sind, liegt auf der Hand. Vor allem auch, wenn die mittel- und langfristige wirtschaftliche Beurteilung der eingesetzten Baustoffe und -verfahren dazutritt.
Das SiGeKo-Honorar im Altbau
Die bisher gängigen Vergabe- und Honorarbedingungen von SiGeKo-Leistungen sind - nicht nur im Altbau - ein deutlicher Indikator dafür, wie der Bauherr den Nutzwert dieser Leistungen bewertet. Vieles liegt hier noch im Argen. Eigentlich kein Wunder, da aus dem bisher beschworenen Nutzwert der Baustellenverordnung eher administrative Gängelung zugunsten der Unfallversicherungsträger vorschmeckt als ein handfester Vorteil für den Bauherren. Warum soll er plötzlich zahlen für etwas, das nach seiner Erfahrung auch ohne diese Kosten bisher insgesamt zufriedenstellend klappte?
Hier kann echte SiGeKo-Kompetenz ansetzen. Wer dem Bauherren ein wirklich sinnvolles und wirtschaftlich vorteilhaftes Leistungspaket schnüren kann, wird im Verdrängungswettbewerb der SiGeKos aus baufremden Branchen oder formalistischen Planern, aus arbeitslosen Asbestsanierern und zukunftsgeängstigter Arbeitsschützern vielleicht die Nase vorn haben. Und das im Neu- und Altbau. Voraussetzung: Ein aufmerksamer Bauherr, der selbst denkt und handelt. Ob das auch bei den aktuellen Investorenmodellen und der bekannten Vergabepraxis der öffentlichen Hand funktioniert, wird sich zeigen. Die "Saving the penny and losing the pound-Baumethode" ist jedenfalls schon bisher echten Nutzwertargumenten nicht zugänglich gewesen. Die HOAI-Mindestsatzunterschreitung ist dort zum Projektsteuerer- und Behördensport entartet, egal was die Gerichte sprechen. Eine Änderung in diesem Sektor wäre also ein Wunder. Fraglich bleibt, ob der echte SiGeKo dort landen will: Ein Stück SiGePlan inkl. SiGeKo für pauschal 0 Euro mit ein Stück Rückgrat als Zugabe.
Wenn man den Sicherheits- und Gesundheitsschutz in Altbau und Denkmalpflege ernst nehmen will, kann diese Leistung nur objektbezogen auf Nachweis sinnvoll vergeben werden. Der Leistungskatalog könnte dann wie im Anhang beschrieben aussehen und mit den erforderlichen Zuschlägen für Nebenkosten, Bauzeitverlängerung und andere unvermutete Erschwernisse nach Vorkalkulation objektspezifisch zurechtgestrickt auf Nachweis vergeben werden. Damit haben beide Vertragspartner Gewissheit, daß echte Leistung für angemessenes Honorar erbracht wird.
Vorschlag Leistungskatalog SiGePlan-SiGeKo im Altbau
I. Erstellung/Fortschreibung von Sicherheits- u. Gesundheitsschutzplänen (SiGePlan) gem. EG-Richtlinie 92/57 EWG
Bestandsaufnahme der zu berücksichtigenden sicherheitsrelevanten Planungsgrundlagen zur Baustellenorganisation
Ermittlung der objektspezifischen Gefährdung aus vorhandenem Bauzustand und Zwischenbauzuständen
Ermittlung der objektspezifischen Gefährdung aus vorhandener Objekt- und Grundstücksnutzung während Baustellenbetrieb
Ermittlung der objektspezifischen Gefährdung aus vorhandener Baustellensituation betr.:
- Lage
- Gefährdung betr. Personenangriff (Brandstiftung, Einbruch, Vandalismus)
- Gefährdung betr. Lagesituation, fahrlässigen Eingriffen und nachlässigem Verhalten für Bauwerk und Personen (Gefahr aus Brand, Verschmutzung, Absturz)
- Gefährdung betr. Witterungsangriff (Wasser, Frost, Wind, Besonnung, usw.)
Ermittlung der für die Bauabwicklung erforderlichen Gewerke
Ermittlung der für die beteiligten Gewerke gegebenen Gefährdung im Bauablauf durch Zwischenbauzustände
Koordination der sicherheitstechnischen Beiträge der beteiligten Fachplaner
Ermittlung der objekt- und gewerkspezifisch anzuwendenden Sicherheits- und Arbeitsschutzrichtlinien
Zusammenfassung der Bestandsaufnahme
Vorentwurf SiGePlan als Balkendiagramm mit Eintragung:
- Ergebnisse Bestandsaufnahme
- Sicherheitsmaßnahmen (Baustellen- und Bauteilschutz)
- Arbeitsschutzmaßnahmen organisatorisch und baulich
Übernahme/Eintragung der Bauablaufplanung in den SiGePlan als Balkendiagramm
- Beurteilung der gegenseitigen
Gefährdungen der Gewerke gem. Bauablaufplan
- Änderung/Ergänzung Bauablaufplan mit Planung
Schutzmaßnahmen
zur Gefahrenabwehr, Ergänzung SiGePlan
Planung und Koordinierung der erf. Sicherheitseinrichtungen zur gemeinsamen Nutzung durch mehrere Gewerke
Ergänzung SiGePlan im Planungsprozeß
Übernahme der sicherheitsbezogenen Hinweise in die Leistungsverzeichnisse und sonstigen Ausführungsunterlagen
Eintragung der Gewerk-LV-Nummern in den SiGePlan Ausarbeitung der sicherheitstechnischen Meldepflichten für Übernahme in die Bauverträge
Ermittlung der erf. gewerkspezifischen Schutz- und Sicherheitspläne sowie sicherheitstechnischen Hinweise für sonstige Ausführungsunterlagen auch für die beteiligten Fachplanungen
Eintragung und Terminkoordination (Erstellung/Übergabe) der erf. gewerkspezifischen Schutz- u. Sicherheitspläne im SiGePlan
Eintragung der sicherheitstechnischen Rechtsgrundlagen im SiGePlan Erstellung Sonderpläne (z.B. Lageplan mit sicherheitstechnischen Hinweisen)
Erstellung besonderer Baustellenanweisungen (z.B. Baustellenordnung, Betriebsvorschriften, Arbeiten in kontaminierten Bereichen, Arbeitsphasen und Sicherheitsmaßnahmen bei Montage- und Abbrucharbeiten, ...)
Mitwirken bei Angebotsprüfung im Zusammenhang mit Belangen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Beratung bei Planung bleibender sicherheitstechnischer Wartungseinrichtungen
Zusammenstellung der Unterlage mit den Bauwerksmerkmalen für eine sichere Durchführung von Instandhaltungsarbeiten
Beitrag zur gesundheitlichen, technischen und wirtschaftlichen Beurteilung der geplanten Baustoffe und Konstruktionen
Einweisung des Koordinators für die Ausführungsphase, Übergabe der sicherheitstechnischen Planungsunterlagen
II. Tätigkeit als Sicherheits- u. Gesundheitsschutzkoordinator, Fortschreibung des SiGePlans gem. EG-Richtlinie 92/57 EWG
Koordination der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes i.A. des AG zwischen allen Planungs- und Baubeteiligten durch:
- Erfassen, Einweisen und Überwachen Baufirmen
- Klären sicherheitstechnischer Belange mit Baubeteiligten vor Arbeitsbeginn betr. Arbeitsverfahren, Arbeitsablauf, Nachweise, Gefährdungsanalyse,
Prüfzertifikate, Lagerung und Entsorgung
- Mitwirken bei der fortlaufenden Abstimmung der Baustelleneinrichtung unter den beteiligten Firmen
- Kontrolle Einhaltung SiGePlan, Baustellenordnung und sicherheitstechnische Einrichtungen und Schutzmaßnahmen,
- Einschreiten bei Sicherheitsmängeln
- Organisieren und Durchführen von Sicherheitsbegehungen und -besprechungen
- Kontrolle Baustellensicherheit betr. Baustellenpersonal und gegenüber Dritten
- Mitwirken an sicherheitstechnischer Beurteilung von Zwischenbauzuständen und freigelegten Baukonstruktionen im Bauablauf
- Mitwirkung bei sicherheitstechnischer Fortschreibung des Bauablaufplanes
- Fortschreibung SiGePlan und fortlaufende Bekanntmachung bei Baubeteiligten im Bauablauf
- Fortschreibung und Endfertigung der Unterlage mit den Merkmalen des Bauwerks für die sichere Durchführung von Instandhaltungsarbeiten