Nachdem sich viele Hersteller darin gefallen, durch fehlerhafte Inverkehrbringung ihrer Sanierprodukte gem. §3 Produkthaftungsgesetz den intelligenten Verbraucher und seine Leidensfähigkeit zu testen, hier einige Vorschläge, diese heftige Vermarktungsform zu mäßigen:
WTA-Workshop
"Bauwerksinstandsetzung - eine interdisziplinäre Aufgabe für Denkmalpflege und Technik"
(aktualisiert 20.06.2009)
Der Einsatz von Baustoffen und Baustoffsystemen in der Bauwerksinstandsetzung und Denkmalpflege
Erforderliche Informationen zur Zusammensetzung und Anwendung
Entwurf für ein WTA-Merkblatt Fassung 3
Verfasser: Dipl.-Ing. Konrad Fischer nach Abstimmung auf Arbeitstreffen in Köln am 1.2.99 mit Prof. Dr. Hans Leisen, Prof. Dr.-Ing. Jörg Schulze, Dr. Günter Stanzl
1. Einführung
Der Einsatz moderner Baustoffkompositionen in der Bauwerksinstandsetzung
und Denkmalpflege ist auch geprägt von Mißerfolgen. Nicht alle
im Labor entwickelten neuen Baustoffe und Produktsysteme entsprechen den
Erwartungen und Anforderungen, die an bestandsgerechtes Restaurieren und
Konservieren zu stellen sind. Hauptproblem ist neben der immer drohenden
falschen Ausführung das unerwartete Langzeitverhalten moderner Stoffsysteme.
Der Einsatz ungeeigneter bzw. bestandsunverträglicher Stoffe gefährdet
den Denkmalbestand bis zur Schädigung und Vernichtung. Auch der Grundsatz
der möglichst bestandsschonenden Reversibilität, also Umkehrung
und Rückgängigmachung des Eingriffs in die Denkmalsubstanz wird
in der Entwicklung von Baustoffen für den Altbau bisher wenig beachtet.
Zwei Beispiele mögen das veranschaulichen:
Spätfolge einer als denkmalgerecht beworbenen Silikatfarben auf einer
barocken Klosterfassade - die überfestigten und überdichten Fassadenschichten
fallen großflächig herunter, keine 15 Jahre nach Neuanstrich.
Null Bereitschaft des Herstellers zur Übernahme der Verantwortung!
Holzfenster, zwei Jahre nach Neuanstrich mit als besonders reparaturgeeignet
und "ventilierend" beworbener Alkydharzfarbe - Großflächige
Anstrichablösung mit Kittversprödung und Holzzerstörung
infolge Stauwasser unter dem aufgerissenen überdichten und überfesten
Anstrichfilm. Null Bereitschaft des Herstellers zur Übernahme der Verantwortung!
Ein weiteres Beispiel zum Thema Energiesparen und Wärmedämmung erwartet Sie hier.
Ein besonderes Problem ist - auch im Hinblick auf die Globalisierung des Baumarktes - die technisch ungenügende Information zu den neuen Produkten aus dem In- und Ausland. Oft ergibt sich daraus eine Irreführung des Kunden, der durch falsche Versprechungen, beschönigte oder gar verheimlichte unangenehme Produkteigenschaften in seinen marketingerzeugten Erwartungen betrogen wird. Dies führt fast zwangsläufig zu Fehlanwendungen durch mangelhaften Produkteinsatz seitens der Verarbeiter sowie überzogene Erwartungen seitens der Planer und Bauherrn.
Wegen der Begriffsnähe von "Denkmalpflege" und "Sanierung" (="Heilung"), kann die Baustoffinformation zu "Nebenrisiken" und "Kontraindikationen" auch mit den "Beipackzetteln" der Heilmittel verglichen werden. Eine vergleichbare Informationsbereitschaft ist von Seiten der Baustoffproduktion erforderlich, um deren Produkte am Denkmal erfolgreich einsetzen zu können.
Auch das Produkthaftungsgesetz fordert im § 3 a ein hinsichtlich "Darbietung" fehlerfreies Produkt, um "Instruktionsfehler" aus falscher bzw. unvollständiger Gebrauchsanweisung zu vermeiden. Im sogenannten "Sicherheits-Datenblatt" wird die Qualitätssicherung bei der Herstellung, der Anwendung und dem sollgemäßen Einsatz am Bauwerk und den dort gegebenen Risiken nicht berührt. Die üblichen Angaben im sog. "Technischen Merkblatt" vernachlässigen ebenfalls die Risiken, die dem Bauwerksbestand durch Produktfehlanwendung drohen. Die fehlerfreie Darbietungspflicht wird somit nicht erfüllt. Betrug am Kunden durch irreführende Werbung?
Da viele am Bauwerk eingesetzte Industrieprodukte nur im Hinblick auf Norm- oder Regelerfüllung beworben werden, erscheinen sie als "homogene", also in sich gleichwertige Güter ohne nennenswerte Unterschiede. In Wirklichkeit unterscheiden sie sich aber vom Rohstoff über den Verarbeitungsprozeß bis zum Produktservice für den Verarbeiter und Endkunden ganz erheblich. Wenn diese Qualitätsunterschiede in das Produktmarketing aufgenommen würden, hätte das für den Kunden und Bauwerksplaner bedeutende Vorteile. Sie könnten damit besonders hochwertige Produkte von reinen Billigangeboten besser unterscheiden.
Das von Denkmalpflege und Planungsseite im folgenden Themenkatalog dokumentierte Informationsinteresse kann den Partnern in der Baustoffentwicklung entscheidende Hinweise vermitteln, um den Einsatz denkmalgerechter Baustoffsysteme durch begleitende Information zu fördern. Sinngemäß sind diese Hinweise auch anwendbar auf die vielfältigen Hilfsstoffe für die Konservierung und Restaurierung von Kunstwerken, die hier aber nicht weiter thematisiert werden.
2. Zielsetzung der Information
Informationen zum fachgerechten, d.h.
mängelfreien und längerfristig
wirksamen Einsatz von Baustoffen müssen den Kenntnisstand und
das
Interesse der Zielgruppe berücksichtigen. In der Denkmalpflege
sind
vor allem zu berücksichtigen:
Aus der nahezu unüberschaubaren Produktvielfalt, dem breiten Spektrum der Zielgruppe und der Problematik der Bauafgabe folgen besondere Anforderungen an Form und Inhalt der Produktinformation:
3. Themengliederung des technischen Merkblattes
3.1 Deckblatt
Aus der Deckblattinformation sollen sich die wesentlichen Produkteigenschaften
schlagwortartig ergeben. Für nur oberflächlich interessierte Informationsempfänger kann das genügen, bei
Fachleuten wird ggf. das Interesse für die nachfolgende ausführliche Information geweckt.
3.1.1 Produktname
Der Produktname soll den technischen Verwendungszweck des Produkts mit zum Ausdruck bringen. Reine Phantasienamen oder seltsame
Zahlen-Buchstabenkombinationen (Katalog-/ Bestellbezeichnungen) verunsichern den Informationsempfänger.
Es geht ja nicht um Reklame für Autotypen oder elektronisch
gestützen
Versandhandel, sondern um materialbewußtes Bauen.
3.1.2 Kurzfassung des Einsatzbereichs
Überblick über die wesentlichen
Einsatzgebiete, für
die das Produkt entwickelt und geeignet ist.
3.1.3 Kurzfassung der Eigenschaften
Überblick zu den wesentlichen
technischen Eigenschaften, auch
in möglichst deutlicher Abgrenzung zu ähnlichen
Produkten für
verwandte Einsatzgebiete.
3.1.4 Herstellerangaben
Volladresse mit Telefon, Fax, E-mail und
Internet, Firmenlogo.
3.2 Bestandteile und Wirkungsweise
3.2.1 Vollständige
Aufzählung aller Inhaltsstoffe
Beschreibung der Inhaltsstoffe aller
Systembestandteile, geordnet nach
ihrer technischen Bedeutung und Funktion (z.B. Grundierung, Zwischen-
und
Endanstrich; Lösemittel, Bindemittel, Zuschlag und Zusatz) in
zutreffender,
üblicher und allgemeinverständlicher Benennung bzw.
Klassifizierung
der Natur- und Chemieprodukte.
Die Rohstoffherkunft und ihre Bedeutung in technischer und ökologischer Hinsicht, beides heute nicht zu unterschätzende Entscheidungsfaktoren, sind darzulegen.
Das Produktrezept muß dabei nicht nachbaufähig ausgebreitet werde. Es genügt die bei der Offenlegung von Patentschriften geforderte Darstellungsschärfe.
3.2.2 Wirkungsweise
Die Bestandteile sind nicht nur
aufzuzählen, sondern in ihrer
technischen Wirkung kurz zu beschreiben. Damit wird geklärt,
warum
sie enthalten sind und ob die damit verbundene Wirkung vorrangig der
Lagerstabilität
(z.B. Konservierungsmittel), Verarbeitbarkeit (z.B. Frostschutzmittel,
Verflüssiger, Abbindeverzögerer bzw. -beschleuniger
in Mörteln)
oder auch dem baulichen Ergebnis im Hinblick auf Beständigkeit
und
Bestandsverträglichkeit (z.B. Kapillarporenbildner zur
besseren Entfeuchtung,
geringfeste Bindemittel zur Vermeidung der Ablösung von
weicheren
Untergünden) dient. Unerwünschte Neben- und
Nachwirkungen rein
verarbeitungstechnischer Zutaten können so rechtzeitig
bedacht, durch
Vorsichtsmaßnahmen verringert oder verhindert werden.
Korrosive bzw. sonstige auf den Bestand und das Bauergebnis schädliche, oft nicht vollständig vermeidbare Stoffe in den Bestandteilen (z. B. Schadsalze, Umweltgifte, Lösemittel) sind im Vergleich zu den gesetzlich bzw. technisch zulässigen Werten aufzuschlüsseln. Hinweis auf Meßverfahren, mit denen technisch klassifizierte Eigenschaftswerte gewonnen wurden. Damit kann der Materialeinsatz im Unterschied zu vergleichbaren Produkten sachgerecht geplant, die Verarbeitung bewußt gesteuert und das Ergebnis durch entsprechende Maßnahmen gesichert werden.
Insgesamt erleichtert diese funktionale Aufschlüsselung der Inhaltsstoffe den qualitätsbewußten und denkmalverträglichen Einsatz von Baustoffen. Das hilft, Planungs- und Anwendungsfehler zu vermeiden.
Bei öffentlicher Ausschreibung gem. VOB helfen diese Angaben dem Planer, exakte Qualitätsvorgaben an Baustoffe und Bausysteme zu formulieren. Die von der VOB als unzulässige Marktbeschränkung verbotene und für den Anwender und Empfehler mit Regreßrisiko verbundene Nennung von Produktnamen und eigentlich unbegründet vorgenommenen "technischen" Vorgaben (auch bei Gleichwertigkeitsöffnung!) kann so vermieden werden.
3.3 Produkteigenschaften
3.3.1 Zusammenfassung
Wesentliche Produkteigenschaften hinsichtlich
Verarbeitung und baulichem
Ergebnis als Überblick.
3.3.2 Anwendung
Aufzählung der zugelassenen
Anwendungsgebiete, bedarfsweise mit
exakter Abgrenzung von Problembereichen. Hinweis auf empfohlene
Voruntersuchung
und -behandlung, Arbeitsmuster und -proben.
3.3.3 Unverträglichkeiten
Abgrenzung unzulässiger Anwendungen,
soweit diese typischerweise
zu erwarten sind. Deutliche Risikobeschreibung bei Fehl- oder
Versuchseinsatz
in Problembereichen.
3.3.4 Reversibilität in Bezug
auf die Denkmalsubstanz
Angaben zur möglichen
Rückgängigmachung der Produktanwendung.
Hinweise zum Einsatz in Bezug auf den Bestand bzw. auf wertvolle und
schutzbedürftige
Denkmalbestandteile. Verweis auf die dafür
verfügbaren Arbeitsmethoden
und Hilfsstoffe.
3.3.5 Alterungsverhalten
Beurteilung der typischen Alterung in technischer
und gestalterischer
Hinsicht. Darstellung der hier gegebenen Problemfelder hinsichtlich
Einwirkung
auf den Originalbestand, Klima- und sonstigen
Belastungseinfluß,
Verschmutzung, Baustoffkorrosion und Veränderung der sonstigen
Eigenschaften.
Hinweis auf eigenschaftserhaltende bzw. -verlängernde
Unterhaltsmaßnahmen.
3.3.6 Eigenschaftsentwicklung
Darstellung des Vorgangs vom Ein-/Aufbringen des
Produkts bis zur Entwicklung
seiner vollen Gebrauchstauglichkeit bzw. Belastbarkeit. Beschreibung
der
störenden und fördernden Umgebungseinflüsse,
erforderlichen
Nachbehandlung, Schutzmaßnahmen.
3.3.7 Eigenschaften bei üblicher
Belastung am Objekt
Beschreibung der üblichen,
bestimmungsgemäßen Einflüsse
(z.B. Klima, Lasteinleitung) auf das Objekt in Hinsicht auf die durch
die
Produktanwendung veränderten Bestandseigenschaften (z.B.
Festigkeit,
Dichtheit, Feuchteaufnahme, Trochknungsverhalten,
Oberflächenoptik).
Beurteilung der Problemfelder bezüglich ungewünschter
aber möglicher
besonderer Einflüsse (z.B. Streusalzeinfluß auf
Fassadenkonstruktion,
Verschmutzung, Fassadenvergrünung durch kupferhaltigen Regen
unter
Verblechung) sowie Rückwirkungen auf den Bestand und
Eigenschaftsabbau.
3.3.8 Verbrauchsangaben
Beschreibung der üblichen
Verbrauchswerte bei bestimmungsgemäßem
Einsatz als Kalkulationsgrundlage.
3.3.9 Einsatzgrenzen
Abschließende Beurteilung und
ausführliche Beschreibung
der Einsatzgrenzen. Hinweise auf gegebene Randbedingungen für
erfolgreichen
Produkteinsatz. Mit diesen Angaben werden überzogene
Erwartungen abgebaut,
Fehlanwendungen begrenzt und Haftungsansprüche verhindert.
3.4 Die Verarbeitung
3.4.1 Muster, Proben, Versuchsanwendung
Die qualifizierte Produktanwendung am Baudenkmal
erfordert regelmäßig
Bemusterungen, um die geeigneten Arbeitstechniken und Produktvarianten
im Vorfeld der Gesamtausführung ausreichend zu erproben.
Diesbezüglich
zu beachtende Hinweise sind hier zu geben, um den Anwendungserfolg
sicherzustellen.
3.4.2 Vorbereitende Maßnahmen
Beschreibung von Maßnahmen (z.B.
Vorreinigung, Vorfestigung),
die vor der eigentlichen Produktanwendung durchzuführen bzw.
zu beachten
sind.
3.4.3 Verarbeitungstechnik
Angabe der üblichen Verfahren, um das
Produkt einsatztechnisch
vor-/aufzubereiten und nachfolgend ein-/aufzubringen. Hinweis auf die
zugelassenen
technischen Hilfsmittel, Werkzeuge, Maschinen,
Fördereinrichtungen.
3.4.4 Besondere Hinweise zur
Verfahrenstechnik
Beschreibung des Verarbeitungsvorgangs unter
Berücksichtung der
hier gegebenen unterschiedlichen Risiken und technischen Richtlinien
für
die anzunehmenden Einsatzbereiche.
3.4.5 Besondere Produktanpassung
Beschreibung möglicher Variantenbildung
(z.B. Nachrezeptur, Verfahrensänderung),
um den Produkteinsatz an unterschiedliche Objektgegebenheiten
anzupassen.
3.4.6 Gebinde
Beschreibung der lieferbaren Gebinde. Dabei
Kennzeichnung der Gebinde
unter Berücksichtigung aller sinnvollen Transportwege im In-
und Ausland.
3.4.7 Lagerung
Beschreibung der Lagerstabilität und
zugelassenen Lagerbedingungen.
3.4.8 Entsorgung
Angaben zur Stoff- und Gebindeentsorgung.
3.4.9 Bauliche Schutzmaßnahmen
und Reinigung
Angaben zum Schutz nicht betroffener angrenzender
Bausubstanz und zur
Beseitigung von ungewollten Verunreinigungen der Arbeitsumgebung, ggf.
auch des eingesetzten Werkzeugs.
3.4.10 Sicherheitshinweise für
Anwender
Beschreibung der erforderlichen und empfohlenen
Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen
bei sollgemäßer und möglicher fehlerhafter
Anwendung. Verweis
auf das EG-/DIN-Sicherheitsdatenblatt.
3.4.11 Instandhaltung und Wartung
Hinweise auf empfohlene
Instandhaltungsvorkehrungen und Wartungsintervalle
in zeitlicher und technischer Hinsicht.
3.4.12 Beratung
Hinweis auf zusätzlich erreichbare
Produkt- und Objektberatung,
Referenzen und ggf. Fortbildungsangebote.
3.4.13 Gewährleistung
Hinweis auf die mit dem Produkt verbundene
Gewährleistung bei
vorschriftsgemäßem Einsatz. Mitwirkungsangebot des
Herstellers
betr. sachgerechter und uneingeschränkt
abnahmefähiger Verarbeitung
seines Produkts. Unterstützung des Endkunden bei Abnahme,
Qualitätskontrolle
und Durchsetzung von Mängelbeseitigungsansprüchen
gegenüber
dem Produktverarbeiter.
3.4.15 Lieferung
Hinweis auf die Lieferbedingungen und Preise.
3.4.16 Zusätzliche Veranschaulichung
Soweit für die Beurteilung der
Produkteignung sinnvoll, sollten
die o.g. Angaben mit Fotos, Grafiken, Diagrammen, Tabellen und
Konstruktionszeichnungen
zur typischen Produktanwendung, zu Arbeitsabläufen und
-ergebnissen
sowie zu den Produktbestandteilen ergänzt werden.
Aufgestellt:
Hochstadt a. Main, 16.1.2000
Konrad Fischer