"So geht´s in der Welt,
dass, wer öffentlich stehlen und rauben kann,
der geht sicher und frei dahin,
von jedermann ungestraft ...
Unterdessen müssen die kleinen heimlichen Diebe,
die sich einmal vergriffen haben,
die Schande und Strafe tragen."
Dr. Martin Luther im "Großen
Katechismus"
Behördenprobleme
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(aktualisiert 9.10.08)
Inhalt:
1. Baurecht und Ausnahmen
2. HOAI-Mißbrauch
2.1 Im Vertragswesen der öffentlichen
Hand
2.2 Finanzierungsrichtlinien
der öffentlichen Fördergeber
3. VOB-Manipulationen
4. Stadtsanierung/Städtebauförderung/kirchliche
und staatliche Denkmalpflege
5. Privatisierte, kommunale
und staatliche Baubehörden
6. Technische Prüfbehörden
7. Wasser-/Abwasserwirtschaft
8. Hochschule
9. Regierungskriminalität
10. Links
Daß die Baukorruption unter Baubeamten und Planern gerade von den Baubereichen, wo es traditionell am meisten stinkt, nicht Halt macht, ist den nachfolgenden Belegen zu entnehmen:
Flughafen, Klärwerk, U-Bahn, Klinikbauten:
Eine Zwischenbilanz des Münchner Korruptionssumpfes
Die unendliche Skandal-Geschichte
In 156 Verfahren wurden 147 Jahre Haft sowie Strafen
in Millionenhöhe ausgesprochen - und jetzt geht´s erst richtig
los
Von Stephan Lebert
[...] Stichtag 24. Mai 1996, die bisherigen Zahlen des unendlich scheinenden Skandals: 156 Gerichtsverfahren mit mehr als 500 Beschuldigten [...] bereits abgeschlossen (mehrere hundert laufen noch); insgesamt [...] Haftstrafen von 147 Jahren [...], Geldbußen von 6,3 Millionen Mark und Geldstrafen von 2,1 Millionen Mark; [...] Angeklagten [...] inzwischen [...] 23 Millionen Mark Schadensersatz bezahlt. [...] allein neun Staatsanwälte ermitteln in einer Sonderabteilung.
Zwei weitere große Verfahrenskomplexe [...]. [...] Gruppe von Ingenieurbüros und Baufirmen, die den Klärwerksbau im ganzen Bundesgebiet seit Jahrzehnten nach Meinung der Staatsanwaltschaft auf betrügerische Weise und [...] mit großem Schaden für die öffentliche Hand untereinander aufgeteilt [...]. Im anderen Verfahren [...] der leitende Baudirektor der Stadt München, Hans G., im Mittelpunkt. [...] maßgeblich verantwortlich für den Münchner Entwässerungskanalbau [...] Auftragsvolumen [...] jährlich rund 150 Millionen Mark; [...] Bauaufträge an Firmen gegen sechsstellige Schmiergelder generös vergeben [...].
[...] 61jährige G. [...] ausgerechnet Personalratsvorsitzender im Rathaus, sowohl in der SPD als auch in der ÖTV aktiv [...] gehörte [...] einer Wählerinitiative für Oberbürgermeister Ude an [...].
[...] Erst war die sogenannte Elektro-Mafia an der Reihe, dann die Klärwerk-Mafia bis hin zu den Ingenieurbüros, doch jetzt geraten die großen deutschen Baufirmen immer mehr ins Fadenkreuz der Ermittler [...] auch die renommierten Bauriesen Dyckerhoff&Widmann Bau AG, Riepl Bau AG oder Heilit und Woerner. [...]
[G´s] Lebensstil, Ferienhaus, zwei teure Autos, war all die Jahre niemandem aufgefallen. Der Herr Baudirektor konnte halt gut mit Geld umgehen, hieß es. [...]
[...] Anfang der 90er Jahre ein Unternehmer seine Schmiergeldzahlungen an einen städtischen Beamten auch noch von der Steuer absetzen wollte [...] anonymer Hinweis [...] rasch wurde daraus eine Lawine, in die zum Beispiel auch der Siemenskonzern geriet.
[...] Eine Clique von Ingenieurbüros und Industriefirmen organisierte sich nach folgendem Muster:
[...] Stadtverwaltung beauftragt [...] Ingenieurbüro mit der Planung eines neuen Klärwerks; das Büro läßt diesen Job aber kostenlos von einer Firma machen, die als Gegenleistung den Bau so planen darf, daß sowieso nur die eigene Firma sowie vielleicht noch ein paar Freunde dafür in Frage kommen (obwohl eigentlich kostenlos, stellten die Ingenieure die Arbeit dieser Firma der Stadt jedoch offiziell in Rechnung). [...] gelang es einem Kartell, [...] den gesamten Klärwerksbau untereinander aufzuteilen. Tauchte mal ein lästiger Mitkonkurrent auf, der etwa billigere Leistungen anbot, wurde ein noch günstigeres Scheinangebot abgegeben, was später nach Erhalt des Auftrags durch Nachträge zu eigenen Gunsten wieder korrigiert wurde. Fazit: Es existierte kein freier Markt, die Preise konnten zu Lasten der öffentlichen Haushalte fast beliebig manipuliert werden. [...]
Es gibt viele Fakten in dieser Korruptionsaffäre, zum Beispiel, daß die wenigsten größeren Bauprojekte der vergangenen Jahrzehnte in München nicht betroffen sind, ob der Flughafen in Erding, verschiedene Klinikbauten oder U-Bahnen. [...]"
Schon schrecklich, wie gelassen man diese üble Praxis hinzunehmen gewohnt ist. Und wer denkt wirklich, daß es heute damit vorbei wäre? Eine mickrige Prüfung der Rechnungsprüfer in JEDEM Bauamt nach korruptionstypischen Auffälligkeiten wie unerlaubte Produktnamensnennung i.V.m. "oder gleichwertig" würde all die Abgründe offenbaren, die hinter solchen industrietypischen Mogeleien und beamten-/planerseitigen Vorteilnahmen stecken. Denn "umsonst" kommen solche Produkte/Firmenangaben niemals in Leistungsverzeichnesse für absolut "homogene" Leistungen, die nach VOB/Verdingungsordnung für Bauleistungen keiner firmenspezifischen Konkretisierung bedürfen und deswegen schlichtweg strengstens verboten sind. Weiß natürlich jeder, und genau deswegen prüft das niemand. Könnte man sonst vielleicht gleich die Mehrzahl der Baubehördenmitarbeiter landauf und -ab in Staat und Kirche inkl. deren "zuarbeitenden" freien - und wenigstnehmenden Planer ins Kittchen bringen? Oder sehe ich hier zu schwarz, verehrte Leser der Bau- und Prüfungsbranche?
Neue Presse Coburg 21.8.1997:
"Beispiellose Korruptionsaffäre um Baupreise
250 Millionen Schaden durch Absprachen
Von Moritz Döbler
München. Die Korruptionsaffäre im Münchner Kanalbau weitet sich zum bisher bundesweit größten Baupreisskandal mit einer Schadenssumme von mindestens 250 Millionen Mark aus. [...] Es geht um nahezu den gesamten Kanalbau der Nachkriegszeit mit einem Investitionsvolumen von rund 2,5 Milliarden Mark.
"Seit rund 40 Jahren ist die Praxis so gelaufen, seit 1978 mit dem Beschuldigten, sagte [Oberstaatsanwalt Manfred] Wick. [...] stets vorher abgesprochen [...] welche Firma den Zuschlag bekam. Die zwischen der Industrie und der Behörde ausgehandelte Regelung [...]: ein Promille der Auftragssumme als "Gegenleistung", pro Auftrag aber höchstens 10.000 Mark. [...] Unternehmen - [...] Kartell mit über einem Dutzend Baufirmen - versteckten in ihren Rechnungen satte Profite. [...]
Der geständige Beamte war seit 1958 in der Kanalbauabteilung, im Jahr 1991 stieg er als Leitender Baudirektor an ihre Spitze auf. [...]
[...] zehn bis 30 Prozent des Auftragsvolumens überteuerte(n) Preise(n) [...] zumindest zehn Prozent [...] üblicher "Kartellaufschlag". [...] Schaden [...] zwischen 250 und 750 Millionen Mark. [...]
[...] größter deutscher Baupreisskandal [...] bisher [...] Auftragswerte von rund 1,5 Milliarden Mark. Bei Preisabsprachen wurden wie in München von den Firmen mindestens zehn Prozent "Kartellaufschlag" erhoben. Unter anderem [...] Frankfurter Startbahn West, [...] Frankfurter U-Bahn, [...] Main-Donau-Kanal und [...] Nebelhornbahn in Oberstdorf [...] betroffene Großprojekte[...].
[...] Dieter Emrich, heute Generalstaatsanwalt, [...] vor zwei Jahren geurteilt: "Man kann im Baubereich hinlangen, wo man mag, und stößt auf diese Absprachen". In München machten Preiskartelle der Bauindustrie häufig Schlagzeilen. [...] Im Zwielicht sind die meisten Firmen im Kanal- und Rohrleitungsbau, unter anderem Heilit+Woerner, Radmer Bau AG, Strabag Bau AG, Riepl Bau AG, Brochier GmbH&Co KG, Philipp Holzmann/Held&Francke, Dyckerhoff&Widmann Bau AG, Walter Bau-AG, Wayss&Freytag AG, Brunner&Co Bau GmbH, Lang Hans oHG, Bergauer GmbH&Co KG Waldsassen und Schwab Hoch- und Tiefbau GmbH Augsburg."
Das Ergebnis für den korrupten Beamten - Obermain-Tagblatt 22.4.1999:
"Korruption: Im Prozeß um Korruption im Münchner Kanalbau ist ein ehemaliger leitender Stadtbaudirektor zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Laut Anklage hatte sich der 63jährige in 15 Fällen von Baufirmen mit 64.000 Mark bestechen lassen."
- zuzüglich der inzwischen verjährten bzw. durch Zusammenhalten und Falschaussagen der Beteiligten nicht mehr beweisbaren Fälle. Die ja auch heute gang und gäbe sein dürften, oddä?
Obermain-Tagblatt 12.8.1999
"Korruption im Untergrund
Illegale Preisabsprachen in Milliardenhöhe beim Leitungsbau [...]
MÜNCHEN/NÜRNBERG
Die milliardenschwere Korruptionsaffäre um verbotene Preisabsprachen
beim Bau von Wasser-, Gas- und Fernwärmeleitungen in Bayern zieht immer weitere Kreise.
Die Ermittler haben erneut acht Firmen und zehn Wohnungen im Freistaat sowie eine Firma bei Frankfurt am Main durchsucht. [...]
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte das sogenannte Rohrleitungskartell aus Großfirmen, mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetrieben von 1990 bis 1995 Hunderte von Bauvorhaben im Gesamtwert von mehr als eine Milliarde Mark abgesprochen. Der Schaden für die öffentliche Hand belaufe sich vermutlich auf einen dreistelligen Millionenbetrag, lasse sich aber noch nicht genauer beziffern, hieß es. [...]
[...]Kommunen, Stadtwerke und kommunale Zweckverbände in ganz Bayern geschädigt. Besonders betroffen [...] Stadtwerke München. Mit den systematischen Preisabsprachen hätten die beteiligten Firmen Preise erzielt, die gegenüber den im freien Wettbewerb eigentlich durchsetzbaren Preisen deutlich überhöht gewesen seien. [...] bis zu 15 Prozent über den Marktpreisen[...].
[...] Mitglieder des Kartells teilweise zu flächendeckenden Absprachen in der Lage. In bestimmten Regionen hätten sie "bestimmte Gewerkgruppen über Jahre hinweg nahezu vollständig abgesprochen" und andere Mitbewerber so aus dem Markt "gebissen", so die Staatsanwaltschaft."
Das geht natürlich nur deswegen so gut, weil das Netz- besser Filzwerk bis in die letzten Stübchen reicht. Das ist beim Dämmzwang ja nicht anders. Jeder will eben möglichst kräftig zulangen. Warum sollte da der brave Beamte eine Ausnahme sein? Wo er sich doch so sehr beim Bleistiftspitzen für uns alle abmühen muß, bis er vielleicht sogar schwitzt?
Presse-Erklärung des "Vereins zur Abwasserversorgung bzw. -wiederaufbereitung im ländlichen Raum der Stadt Weismain" vom 16.4.1999:
"Die Wasserwirtschaftsämter in Bayern, ein Staat im Staate
Städte und Gemeinden, die besonders zur Abwasserentsorgung im ländlichen Raum unwirtschaftliche Zentralkläranlagen planen und bauen, berufen sich in der Regel auf die zuständigen Wasserwirtschaftsämter. Diese haben jedoch primär die Aufgabe, die wasserwirtschaftlichen Auswirkungen einer geplanten Baumaßnahme zu prüfen. Nach Aussage verschiedener Wasserwirtschaftsämter werden nur die eingereichten Planungseingaben der Bauherren geprüft, nicht jedoch parallel dazu alle möglichen Alternativen, die möglicherweise kostengünstiger wären.
Die Wasserwirtschaftsämter haben sich zu einer kaum noch kontrollierbaren Instanz entwickelt, die neben ihrer Aufgabe, über die wasserwirtschaftlichen Belange zu wachen, eine mehr und mehr verhängnisvolle Rolle spielen. Dies soll ein allgemein bekanntes Beispiel verdeutlichen:
In den vergangenen Jahrzehnten wurden in Verantwortung dieser Ämter zahlreiche Gewässer, Gräben, Bäche und Flüsse verrohrt, begradigt oder in Beton gezwängt. Diese Maßnahmen haben Millionen und Abermillionen Mark öffentlicher Gelder verschlungen. Inzwischen werden nach und nach diese Maßnahmen, wiederum in Verantwortung und auf Betreiben der Wasserwirtschaftsämter, rückgängig gemacht. "Rückbau" und "Renaturierung" kosten abermals Millionen und Abermillionen öffentlicher Gelder.
Wie muß es um den Sachverstand in diesen Ämtern bestellt sein, wenn solche Fehlentscheidungen getroffen werden können? Dies zeigt auch, daß den Entscheidungen dieser Fachbehörde bezüglich der Wirtschaftlichkeit von Abwasserentsorgungssystemen mit größtem Mißtrauen zu begegnen ist.
Dieser Bereich muß unbedingt einer scharfen Kontrolle durch die öffentlichen Medien, der Parlamente und der Rechnungshöfe unterworfen werden, da sonst volkswirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe verursacht wird."
V.i.S.d.P.: 1. Vorsitzender Harald Richter, Altendorf 13, 96230 Weismain
Kommentar:
Es geht dem Verein um Durchsetzung einer technisch, ökologisch und
wirtschaftlich überlegenen Pflanzenbeetkläranlage (z. T. als
Eigenleistung der Anlieger zu verwirklichen) anstelle Sammlung und Einleitung
der dörflichen Gewässer in eine zentrale, teure und planungshonorarfördernde
Kläranlage.
Nicht angesprochen in der Erklärung, aber zu berücksichtigen, sind die effektiven Strategien im Hintergrund der Entscheidung öffentlicher Verantwortungsträger vom Kommunalpolitiker bis zu den Behördenmitarbeitern. Aufwendige Bewirtungen durch auftragswerbende Ingenieurbüros bis zu dicken Kuverts und Herrenabenden im Rotlichtmilieu sind hier keine Unmöglichkeit.
Mögliche Gegenwehr: Öffentliche Anfrage nach derartigen Bewirtungsvorgängen und sonstigen Einflußnahmen mit der Forderung nach detaillierter schriftlicher Beantwortung und Offenlegung - Abdruck der Anfrage an zuständiges Finanzamt des Ingenieurbüros und die zuständige Rechnungsprüfbehörde mit der Bitte um Mithilfe bei der Aufklärung.
Merke (gilt nicht nur für den Bau der Cloaca maxima im alten Rom): Pecunia non olet. Aber es hinterläßt Spuren.