Welche Risiken sind mit dem Einbau von Wärmedämmung, Wärmedämmverbundsystemen, Dämmstoffen im Dach und übertriebener Luftdichte im sogenannten Niedrigenergiehaus und Passivhaus verbunden? Was bedeutet Wärmeschutz nach DIN? Ist Zwischensparrendämmung/Sparrenvolldämmung eine gute Lösung?
Diese Stellungnahme nimmt gegenüber dem DIN-Ausschuß fachlich engagiert Stellung gegen falsche Normvorschriften, die in "energetisch sanierten" Altbauten, aber auch im (wie lange noch?) sogenannten Niedrigenergiehaus und Passivhaus für lebensunwürdige Wohnverhältnisse mit Schimmel und kranken Bewohnern sorgen:
Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
Neuendettelsauer Straße 39
90449 Nürnberg
Folgende Anmerkungen sind vonnöten:
1) Wärmeschutz und Energieeinsparung.
Wenn es statt "Wärmeschutz im Hochbau" (DIN 4108, 1981-8) jetzt "Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden" (E DIN 4108, 1999-7) heißt, dann wird damit etwas suggeriert, was es mit dem derzeitigen bautechnischen Trend einer Dominanz der k-Werte, gültig ausschließlich nur für den Beharrungszustand, gar nicht gibt: nämlich eine Energieeinsparung im Sinne volkswirtschaftlicher und auch betriebswirtschaftlicher Relevanz. Was hier an Energieeinsparungen (?) "vorgerechnet" wird, entspricht keinesfalls nachhaltiger Effizienz - im Gegenteil: Superdämmungen sind unwirtschaflich.
Solange der k-Wert dazu diente, bei der bisher üblichen Massivbauweise Heizkörper und Kessel zu dimensionieren, war der k-Wert ausreichend. Eine Überdimensionierung der Anlage kann durch größere Stillstandszeiten ausgeglichen werden, auch diente sie zur Abpufferung von Kältespitzen. Daraus aber nun abzuleiten, der k-Wert könne nun auch für die Quantifizierung von Energieeinsparungen herangezogen werden, ist äußerst voreilig, wenn nicht sogar einfältig.
Bei Massivbauten wird ein zu hoher, bei "Niedrigenergiehäusern" ein zu niedriger Energiebedarf "berechnet"; es besteht also eine große Diskrepanz zwischen Bedarf und Verbrauch. Wenn nun diese recht unterschiedlich ausfallenden "berechneten" Energiebedarfszahlen im Energiebedarfsausweis verankert werden, bekommen diese unzutreffenden Zahlen damit eine juristische Bedeutung - Bußgeldvorschriften sollen diesem Energieverbrauchsroulett Nachdruck verleihen. Hier geht es also auch um die Krimininalisierung unbescholtener und denkender Bürger.
Es ist deshalb ein Trugschluß, wenn im Capatect Architektenbrief Nr. 1 "Der k-Wert im Kreuzfeuer öffentlicher Diskussionen" von Gertis gesagt wird:
"Diese Diskussionen erscheinen in Kreisen echter Fachexperten überflüssig, weil der k-Wert bzw. der Wärmedurchlaßwiderstand seit Jahrzehnten in der Wärmetechnik und in der Heizungstechnik unumstritten und mit Erfolg verwendet worden war".
Er ignoriert eben halt die Fouriersche Wärmeleitungsgleichung. Interessant ist jedoch, daß dieser Trugschluß wohl von "echten Fachexperten" geteilt wird. Da er immerhin die Fachexperten in echte und offensichtlich dann falsche unterteilt, bleibt zu klären, in welchem Lager die falschen und wo die echten zu finden sind. Oder werden vielleicht die echten zu falschen und die falschen zu echten Fachexperten umfunktioniert. Logik ist hierfür ein Gradmesser.
2) Normative Verweisungen
Die Menge der insgesamt 40 Verweisungen auf Normen machen die Anwendung unpraktikabel. Diese Flut von z. T. falschen Festlegungen (allein die E DIN 4108-3 umfaßt 43 Seiten) verwirrt den Anwender, zuviel Widersprüche sind auszumachen. Es wird u. a. auch die E DIN 4108-2 erwähnt; hier gilt meine Stellungnahme vom 20. Juli 1999. Die Grundaussage dieser Stellungnahme ist:
"Es ist falsch und irreführend, in unserem Klima die Speicherung von Außenwänden zu negieren".
3) Definitionen
Selbst wenn es um Definitionen von Begriffen geht, wird auf andere Normen verwiesen; hier sind es insgesamt acht Normen, die z. T. noch als Entwürfe benannt werden. Damit wird nur Unübersichtlichkeit und Verwirrung erzeugt - vielleicht ist dies sogar Absicht?
Merke: Wahrheit und Klarheit wird vom Volk honoriert (Sachsenwahl), Verklausulierungen und Wirrnis kennzeichnen jedoch unseriöse Absichten und Motive.
4) Die sd-Werte
Die Definitionen in 3.1.4 bis 3.1.6 für diffusionsoffene, -hemmende und -dichte Schichten sind irreführend, denn es kommt nicht auf die absoluten sd-Werte, sondern zum einen auf die relativen sd-Werte in Prozenten und zum anderen aber besonders auf die µ-Werte an.
Werden diese , und nicht die sd-Werte, richtig geschichtet, dann kommt es zu keinem Tauwasserausfall, was ja früher einmal selbstverständlich und "Stand der Technik" war.
Ein äußerer sd-Wert von 0,5 m kann verheerend sein, wenn es sich insgesamt um eine recht dampfoffene Konstruktion handelt (etwa 1 m); ein äußerer sd-Wert von 100 m kann problemlos sein, wenn es sich insgesamt um eine recht dampfdichte Konstruktion handelt (etwa 1000 m).
5) Tauwasserbildung im Inneren von Bauteilen
Am Anfang wird gesagt:
"Tauwasserbildung ist zu vermeiden, wenn durch Erhöhung der Stoff-Feuchte Schädigungen oder Beeinträchtigungen der Funktionssicherheit zu erwarten sind".
Dies ist ein guter Satz, doch ist er mehr ein Beschwichtigungssatz.
Die Randbedingungen nämlich, die dies gewährleisten sollen, sind sehr "auslegungsfähig":
a) Baustoffe dürfen nicht geschädigt werden.
Wer stellt dies fest? Die Bauschadenberichte der Bundesregierung sprechen eine deutliche Sprache. "Zukunftsweisende" Kostruktionen sind dabei besonders schadenträchtig.
b) Anfallendes Tauwasser im Winter muß im Sommer wieder an die Umgebung (meist nach innen, wo es nichts zu suchen hat) abgegeben werden können.
Feuchte muß doch nach außen, aber nicht nach innen abgegeben werden (s. "intelligente" Dampfbremse, die das alles selbst steuert - was soll dieser Schmarren?)
c) Dabei sind 1 Liter pro Quadratmeter zulässig.
Welch eine große Menge! Man bedenke: dies sind immerhin 1 mm Wasser pro Quadratmeter, was zu erheblichen Veränderungen in der Wärmeleitfähigkeit führt.
d) Zur "Begrenzung" des Ablaufens oder Abtropfens darf diese Menge bei kapillar nicht wasseraufnehmenden Schichten ½ Liter pro Quadratmeter nicht überschreiten.
Welch ein technischer Fortschritt: Tauwasserabtropfende und -ablaufende Konstruktion sind nach dem Verständnis von DIN wohl "Stand der Technik", wenn dies Ablaufen und Abtropfen "begrenzt" wird? Wage nur keiner, sich über tropfende Konstruktionen zu beklagen - die sind DIN-gerecht ! Wer hat sich das nur ausgedacht ?
e) Neben der maximalen Tauwassermenge von 1 Liter/m² müssen bei Holz außerdem die 3 bzw. 5 % (massebezogen) eingehalten werden.
Bei 700 kg/m³ Raumgewicht und 1 cm Holzstärke bedeutet dies eine Wassermenge von 210 bzw. 350 g/m² Wasser !
Feuchtebelastete Konstruktionen werden mit derartigen "DIN-Normen" wohl zur Standardkonstruktion. Die Schichtkonstruktionen sind dafür prädestiniert. Durch die Verpackungskampagnen mit Dämmstoff wird jedoch jede massive Oberfläche der Häuser zerstört. Der durch fehlendes Speichervermögen bedingte Algen-, Pilz- und Flechtenbewuchs geben Hilfestellung. Damit aber wird die Bausubstanz zerstört. Am Ende steht der Abbruch.
6) Falsche Rechnung
Die Berechnungen der Tauwassermasse werden gemäß 4.2.2 nach Anhang A durchgeführt. Dort aber wird für Dächer ein falsches Verfahren präsentiert (s. vorn).
7) Bauteile ohne rechnerischen Tauwasser-Nachweis
In 4.3.1 "Allgemeines" geht im physikalischen Grundverständnis vieles durcheinander. Es heißt:
"Für die aufgeführten Bauteile mit "ausreichendem Wärmeschutz" ist kein Tauwasser-Nachweis erforderlich, da der Feuchtetransport wesentlich durch "Kapillareffekte" beeinflußt und nur zum Teil durch Diffusionsvorgänge bestimmt wird".
Dazu wäre zu sagen:
- Der Wärmeschutz hat überhaupt keinen Einfluß auf den Tauwasserausfall in einer Konstruktion; hierfür ist ausschließlich die richtige Anordnung der einzelnen Bauteilschichten maßgebend. In einer Schwerbetonwand von 20 cm z. B. fällt kein Tauwasser an, obwohl der Wärmeschutz keinesfalls ausreichend ist.
- Bei der Diffusion handelt es sich um den Transport von Wasserdampf (also gasförmig). Die Diffusionsberechnung behandelt demzufolge nur diesen Part und klärt, inwieweit die Schichten gemäß ihrer Dampfdurchlässigkeit in richtiger Reihenfolge angeordnet werden. Kapillarität der einzelnen Schichten wird bei der Diffusion unberücksichtigt gelassen.
- Beim Feuchtetransport allerdings werden die Kapillareffekte zum entscheidenden Faktor. Hier jedoch werden die Sorptionseigenschaften von Konstruktionen gerade durch die bei der Diffusionsbetrachtung ständig empfohlenen Dampfbremsen und Dampfsperren, ja sogar durch Kunstharzputze und diffusionsdichte Anstriche, arg beeinträchtigt.
Kapillares Wasser muß an die Oberfläche gelangen, um dort verdunsten zu können, dieser Sorptionsprozeß wird aber durch viele "fortschrittliche" Baustoffe, die die Industrie anbietet, behindert, wenn nicht sogar verhindert.
8) Außenwände
In 4.3.2 werden Außenwände aufgeführt, für die kein Tauwassernachweis erforderlich wird:
- Außenschichten:
Die aufgeführten Konstruktionen (angemörtelte oder angemauerte Bekleidungen, Außendämmung und zugelassenes Wärmedämmverbundsystem) garantieren für sich allein nicht die Schadensfreiheit der Konstruktion. Es muß die Gesamtheit der Konstruktion betrachtet werden. Dies ist in 4) "Die sd-Werte" erläutert.
- Wände:
eine Innendämmung, selbst nur bis zu 4 cm Dämmung (R £ 1,0 m²K/W) und einem sd-Wert von größer/gleich 0,5 bzw. größer/gleich 1,0 m führt meist zu Feuchtebelastungen, die unerwünscht sind. Der Gesamtquerschnitt ist maßgebend, nicht einige Angaben über Absolutwerte.
Außerdem muß die Wirksamkeit des sd-Wertes gewährleistet sein (Beschädigungen und fehlerhafte Überlappungen). Bei den einbindenden Konstruktionen kann überhaupt kein sd-Wert wirksam werden. Eine Innendämmung steckt somit voller Gefahren und sollte erst garnicht in einer DIN-Norm erwähnt werden.
- Wände in Holzbauart:
Bei genormten Wärmedämmverbundsystemen oder Mauerwerk-Vorsatzschalen einen innenseitigen sd-Wert von größer/gleich 2,0 m vorzuschreiben, ignoriert wiederum die Notwendigkeit, die Gesamtkonstruktion betrachten zu müssen.
- Holzfachwerk:
Hier wird die Luftdichtheitsschicht gefordert. Zum Zwecke der Energieeinsparung ist Luftdichtheit nicht erforderlich, denn bei einem vorgesehenen 0,6 bis 0,8fachen Luftwechsel spielt Nebenluft durch Undichtheiten keine wesentliche Rolle. Luftdichtheit wird nur dann zwingend, wenn eindringende warme Raumluft in den kalten Schichten kondensiert und dann nicht verdunsten kann - dies geschieht bei unbelüfteten Konstruktionen.
Auch sperrt eine Luftdichtheitsschicht die Konstruktion vom natürlichen Feuchteaustausch ab; man schafft damit "künstliche" Verhältnisse.
zu a):
Eine wärmedämmende Ausfachung hat sich in der Praxis nicht bewährt. Auch denke man an das miserable Temperatur-Amplituden-Verhältnis, das auf ein typisches Barackenklima schließen läßt. Für Außenkonstruktionen werden TAV von 0,10 bis 0,15 empfohlen. Leichtkonstruktionen haben dagegen Temperatur-Amplituden-Verhältnisse von über 0,35 bis 0,70. Reiner Dämmstoff von 15 cm liegt etwa bei einem TAV von 0,8. Dies führt zu raumklimatisch unzumutbaren Zuständen.
zu b):
Eine Innendämmung über das Fachwerk gezogen provoziert geradezu die Feuchteschäden, auch wenn ein R kleiner/gleich 1,0 m²K/W und ein sd größer/gleich 0,5 m vorgeschrieben werden.
zu c):
Die Außendämmung als Wärmedämmverbundsystem oder Wärmedämmputz mit einem sd-Wert von kleiner/gleich 2m kann ebenfalls zu irreparablen Feuchteschäden führen; maßgebend ist der Gesamtquerschnitt und der Aufbau der anderen Schichten. Die Nennung von Absolutwerten ist unzureichend.
Viele kritische Konstruktionen werden durch diesen "Befreiungskatalog" einer eingehenden bauphysikalischen Würdigung entzogen, sie bekommen durch DIN einen konstruktiven Freibrief, der jedoch damit die Schadensträchtigkeit nicht beseitigt.
Merke: "Nach DIN-Verständnis handelt jeder auf eigene Gefahr, in eigener Verantwortung."
9) Dächer
In 4.3.3 werden die Dächer aufgeführt, für die kein Tauwasser-Nachweis geführt werden muß.
- Unbelüftete Dächer (4.3.3.2):
Der Hinweis am Anfang, unterhalb der diffusionshemmenden Schicht dürfe bei Dächern ohne rechnerischen Nachweis der Wärmedurchlaßwiderstand höchstens 20% des Gesamtwärmedurchlaßwiderstandes betragen, wird der Gesamtsicht einer Konstruktion nicht gerecht. Maßgebend ist das Zusammenspiel von Dämmung und Sperrung in den einzelnen Bauteilschichten und es kann trotz Einhaltung dieser Forderung durchaus zu schadensträchtigen Konstruktionen kommen.
- Unbelüftete Dächer mit Dachdeckungen:
Die zugeordneten Größen der äußeren und inneren sd-Werte in der Tabelle 1 sind für die angenommenen Randbedingungen der Tabelle A1 im Anhang A annehmbar, doch bei der vermehrt auftretendenen Schimmelpilzbildung liegen höhere relative Feuchten der Innenraumluft vor, so daß das bauphysikalische Verhalten der Konstruktion ungünstiger wird. Schadensfreiheit wird mit dieser Tabelle nicht gewährleistet.
- Unbelüftete Dächer mit Dachabdichtung:
Ein innerer sd-Wert ³ 100 m kann, aber muß nicht ausreichen, um unliebsame Durchfeuchtungen zu vermeiden. Bei Flachdächern kann selbst ein innerer sd-Wert größer/gleich 100 m eine sehr schadenträchtige Tauwasserbildung nicht verhindern, wenn die abschließende äußere Dachabdichtung einen sehr hohen sd-Wert aufweist. Das im Anhang B angeführte Beispiel liefert hierfür den Beweis.
Maßgebend ist nach wie vor immer das Verhältnis beider sd-Werte. Dieses eherne Gesetz wird in der DIN konsequent ignoriert.
Wenn diffusionsoffene Unterspannbahnen verwendet werden, dann ist der sd-Wert von 100 m dagegen viel zu hoch.
Mit solchen Absolutangaben wird man der Beurteilung der Gesamtkonstruktion nicht gerecht, es wird dann immer ein Gefeilsche um sd-Werte geben, das jedoch zu keiner befriedigenden Lösung führt.
- Generell
ist festzustellen, daß "unbelüftete" Dächer weniger wegen des bauphysikalischen Schichtenaufbaues, sondern vielmehr wegen fehlender, konstruktiv nicht zu garantierender Luftdichtheit durchfeuchten. Langfristig nicht funktionstüchtige Details sind hierfür verantwortlich. Schon um dieses Risiko auszuschließen, war es früher Stand der Technik, bei Leicht- und Skelettkonstruktionen immer belüftete Konstruktionen zu wählen, um ein Abtrocknen zu gewährleisten.
Auf diesen Umstand wird ja auch besonders in der ANMERKUNG hingewiesen:
"Erhöhte Baufeuchte und eingedrungenes Wasser könne nur schlecht oder garnicht ausdiffundieren".
Heute dagegen beharrt man völlig praxisfremd auf die Luftdichtheit, die bei Leicht- und Skelettkonstruktionen langfristig immer eine Fata Morgana bleiben muß.
Es ist unerträglich, wenn bauschadenanfällige und risikoreiche Konstruktionen in der DIN aufgeführt werden und dann in einer ANMERKUNG jedoch besonders darauf hingewiesen wird. Solche ANMERKUNGEN sollen wohl davor schützen, einmal zur Verantwortung gezogen zu werden. Der Leitspruch des DIN in einem solchen Falle lautet ja dann:
"Durch das Anwenden von Normen entzieht sich niemand der Verantwortung für eigenes Handeln. Jeder handelt insofern auf eigene Gefahr".
DIN wäscht seine Hände durch solche ANMERKUNGEN in Unschuld. Deshalb ist auf DIN kein Verlaß.
Schlechte Konstruktionen gehören eben überhaupt nicht in eine DIN-Norm.
- Belüftete (Flach)Dächer (4.3.3.3):
Auch bei belüfteten Dächern (< 5°) wird ein innerer sd-Wert von größer/gleich 100 m angegeben. Hier ist ein sd-Wert bauphysikalisch überhaupt nicht erforderlich, wenn nicht der absolute Wasserdampfstrom gemindert werden soll. Bei der Dampfsperre wird somit überhaupt kein Unterschied zwischen einer unbelüfteten und einer belüfteten Konstruktion gemacht.
Drückt sich hier Unverständnis, administratives Gehabe oder Gleichmacherei der Konstruktionen aus? Bauphysikalisch ist diese Handhabung jedenfalls ein gravierender Widerspruch.
- Bei belüfteten (Steil)Dächern (> 5°)
wird dagegen nur ein innerer sd-Wert größer/gleich 2 m gefordert. Auch dieser wird nur dann erforderlich, wenn ein Weglüften des diffundierenden Wasserdampfes nicht gewährleistet ist. Generell diese Forderung zu stellen, ist deshalb falsch.
10) Schlagregenschutz
Beim Schlagregenschutz handelt es sich um flüssiges Wasser. Kapillarität und Verdunstungsmöglichkeit stehen im Vordergrund. Der adäquate bauphysikalische Begriff ist der Wasseraufnahmekoeffizient w (kg/m² h0,5). Die Diffusionsäquivalente Luftschichtdicke sd mit der Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl µ als Kennzeichen eines (gasförmigen) Wasserdampftransportes haben bei der Schlagregenbeanspruchung nichts zu suchen. Physikalisch liegt bei der Schlagregenbeanspruchung ja keine Diffusion vor. Das Produkt aus w und sd ist also eine Fiktion, die zwar numerisch berechnet werden kann, jedoch keine bautechnische Aussage enthalten kann.
- Zu der Tabelle 3 ist folgendes zu sagen:
Zu Zeile 1:
Je höher die Beanspruchungsgruppe, desto höher der sd-Wert (Kunstharzputz). Dies aber verschlechtert den bauphysikalischen Aufbau und führt zu Feuchteschäden.
Zu Zeile 2:
Die Zweischaligkeit der Beanspruchungsgruppe III ist aus der Erfahrung heraus entstanden (belüftete Konstruktion). Den Lüftungsraum mit Kerndämmung auszufüllen, verhindert das Entlüften - es entsteht eine unbelüftete Konstruktion. Dies bei der Beanspruchungsgruppe III aufzuführen, widerspricht den Erfahrungswerten und ist sehr risikoreich.
Zu Zeile 3:
Angemörtelte Fliesen oder Platten müssen bei der Beanspruchungsgruppe III mit wasserabweisendem Ansetzmörtel verarbeitet werden. Dies aber verschlechtert den bauphysikalischen Schichtenaufbau (diffusionsdichte Schicht außen) und kann sehr leicht zu Absprengungen führen. Die Diffusionsoffenheit einer Fliesenverkleidung hängt weitgehend von der Diffusionsoffenheit der Fuge ab. Insofern ist dies eine widersinnige Bedingung.
Zu Zeile 6:
Ein zugelassenes WDV-System ist anwendbar für alle drei Beanspruchungsgruppen.
WDV-Systeme genießen durch DIN offensichtlich Artenschutz. Der häufig anzutreffende Algen-, Pilz- und Flechtenbewuchs spricht allerdings gegen ein WDV-System.
Zu Zeile 7:
Das gleiche gilt für "Außenwände in Holzbauart" mit Wetterschutz.
Holz ist ein ausgezeichneter Baustoff, doch nur als Vollholz. Die Skelettbauweise mit Dämmstoffgefachen jedoch leidet unter dem schlechten Temperatur-Amplituden-Verhältnis und führt zum Barackenklima. Nur eine aufwendige Gebäudetechnik kann diesen Mißstand mildern.
11) Hinweise zur Erfüllung des Schlagregenschutzes
Für Außenwände werden in 5.3.1 Beispiele in Tabelle 3 angegeben. Es wird darauf hingewiesen, daß die Tabelle andere Ausführungen entsprechend "gesicherter praktischer Erfahrung" nicht ausschließt. Es ist zu fragen, inwieweit die Tabelle 3 selbst Lösungen enthält, die "gesicherten praktischen Erfahrungen" entstammen. Die Schadensberichte, die gerade die Wärmedämmverbundsysteme an führender Stelle nennen, lassen dies nicht vermuten.
12) Luftdichtheit
In 6 werden die Gründe genannt, weswegen Luftdichtheit gefordert wird. Im Gegensatz zu 3.4 "Luftdichtheit" wird die dort genannte Begründung "zur Vermeidung von Wärmeverlusten" hier nicht erwähnt. Aus energetischen Gründen muß auch keine Luftdichtheit gefordert werden, denn ein Luftaustausch muß aus hygienischen Gründen gewährleistet sein und wird in den Wärmeschutzverordnungen automatisch mit einem 0,6 bis 0,8fachen Luftwechsel berücksichtigt.
Der einzige Grund für Luftdichtheit ist die Gefahr einer Kondensatbildung, wie auch erwähnt. Insofern ist die Begründung in 3.4 irreführend.
Für Holzbauteile wird generell eine Luftdichtheitsschicht gefordert. Bei "modernen" Baustoffen ist dies notwendig; allerdings läßt sich die empfohlene Klebetechnik mit Dichtungsbändern und elastischen Kitten nicht zufriedenstellend durchführen; Details und Langzeitbewährung hinterlassen Fragezeichen. Dagegen zeigt die Erfahrung, daß beim Fachwerk die von alters her verwendeten Lehmausfachungen keine "Dichtigkeitsschicht" benötigen, da dieser Baustoff ohne Behaglichkeitseinbußen Luftundichtheiten infolge des Schwinden und Quellen ohne weiteres verkraftet.
13) Anhang A
Für besondere Berechnungen wird in A 1.1.1 auf Anhang E [8], [9], [10] und [11] verwiesen. Auch in A 9.2.4 wird auf [5] hingewiesen. Dies sind Literaturangaben von Veröffentlichungen. Solche Angaben gehören nicht in eine DIN-Vorschrift.
Ein Anwender von DIN-Vorschriften ist doch kein arbeitssuchender Akademiker, der sich umfangreiche Literaturstudien leisten kann. Er will konkrete Angaben über das Wie und Ob von Maßnahmen und diese Angaben müssen knapp, klar und verständlich gegeben werden. Ein Slalomlauf durch den Irrgarten eines Überangebotes von DIN-Normen dient wirklich nicht dem Verständnis und der Akzeptanz von DIN-Normen.
Im Gegenteil: Immer mehr kommen zu dem Schluß, daß DIN für die praktische Tätigkeit nicht mehr zu gebrauchen ist. Aber darum kümmern sich die Verfasser wohl weniger, denn sie haben einen einträglichen Dauerjob entdeckt.
In diesem Zusammenhang spricht Neil Postman in seinem Buch "Die zweite Aufklärung" von der Informationsschwemme, vom Informationsmüll. Müll ist für eine derartige Produktion von Papier wohl der richtige Ausdruck.
14) Berechnungen
In A.1.1.4 (Wärmeübergangswiderstand), in A.2 (Wärmedurchlaßwiderstand), in A.3 (Wärmedurchgangswiderstand) und in A.4 (Wärmedurchgangskoeffizient) wird auf die DIN EN ISO 6946 verwiesen. Diese Norm behandelt jedoch nur den Beharrungszustand, gilt also nicht für realistische Klimazustände in unseren Breiten (s. Stellungnahme vom 20. Juli 1999 zur E DIN 4108-2).
Außerdem wird dort das Gebiet der klassischen Wärmelehre, der Thermodynamik mit der Wärmeleitung und der Wärmeströmung, die Temperaturdifferenzen benötigt und das Gebiet der Quantenmechanik mit der Wärmestrahlung, die nur absolute Temperaturen benötigt, in unzulässiger Weise vermischt - ein physikalischer Fauxpas.
Darüber hinaus ist die DIN EN ISO 6946 mit 16 Seiten ein typisches Beispiel für einen rechnerisch aufgezogenen Unfug, der nur aus den Alchimistenküchen akademischer Brutanstalten entsprungen sein kann. Mit praxisnaher Präsentation hat diese Norm überhaupt nichts zu tun.
Die Krönung ist der Anhang C mit den Formeln für die Berechnung keilförmiger Wärmedämmschichten.
15) Wärmestromdichte
Bei der rechnerischen Behandlung der Wärmestromdichte in A.5 wird wiederum lediglich nur der Beharrungszustand beschrieben. Ein solch wichtiger Hinweis fehlt jedoch. Immerhin wurde in der DIN 4108-6 im Abschnitt 7 noch erwähnt:
"Durch ein Außenbauteil, .... , fließt im Beharrungszustand ein Wärmestrom mit der Dichte q".
Jetzt wird der Tatbestand des Beharrungszustandes und damit die Fragwürdigkeit einer k-Wert-Berechnung bei speicherfähigen Baustoffen nicht mehr erwähnt. Mit dem Weglassen derartiger Klärungen wird doch nicht dieser Sachverhalt inhaltlich überwunden. Im Gegenteil: Man berührt in überzeugender Weise den Straftatbestand des Betruges.
Der Text des § 263 StGB lautet:
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
16) Temperaturen
In A.6 werden die Formeln für die anzunehmenden Temperaturen eines Bauteils angegeben. Hier gilt das in 15) bereits Gesagte.
17) Wärmebrücken
Für die Berechnung von Wärmebrücken in A.8 wird auf die DIN EN ISO 1012 hingewiesen. Diese Verfahren sind sehr rechenaufwendig und deshalb für die Praxis nicht brauchbar. Dies hat Hauser in einem Brief vom 13. 05. 1991 sogar selbst bestätigt. Er schreibt u. a.:
"Es ist mir völlig klar, daß bei Verwendung pauschaler Korrekturfaktoren zur Erfassung der Wärmebrückenwirkung erhebliche Fehler eintreten. Andererseits erscheint die generelle Verwendung der WBV-Werte viel zu aufwendig."
Und trotzdem wird all dies in den DIN-Normen (und in der Energieeinsparverordnung 2000) festgeschrieben.
Di Trochio schreibt in seinem Buch "Newtons Koffer" im Vorwort:
"Wissenschaftliche Institutionen sind dagegen oft stumpfsinnig konformistisch. Sie sind nicht nur nicht in der Lage, anders zu denken, sondern weisen diejenigen, die es versuchen, auch noch zurück und grenzen sie aus".
In diesem Text ist erfahrungsgemäß "anders" durch "richtig" zu ersetzen.
18) Berechnung der Verdunstung
Hier wird, wie anfangs erläutert, ein kapitaler Fehler gemacht. Der Satz "Tauwasserausfall während der Verdunstungsperiode wird in diesem Fall rechnerisch nicht berücksichtigt" führt zu entscheidenden Fehleinschätzungen. Die Frage ergibt sich: Warum werden solche Fehler nicht beseitigt?
Ist es geistige Überforderung, ist es das peinliche Eingeständnis eines Irrtums, ist es die Willfährigkeit gegenüber der allmächtigen Wirtschaft oder ist es gar Arroganz und Selbstüberschätzung? Selbstherrlichkeit hat sich aber noch nie ausgezahlt.
19) Beispiel 1: Außenwand
Mit der in B.2 berechneten Tauwassermasse 0,225 kg/m², der Verdunstungsmasse 0,514 kg/m² und des massebezogenen Feuchtegehaltes von 0,399 kg/m² heißt es dann in B.2.4 als Ergebnis:
"Die Tauwasserbildung ist im Sinne dieser Norm unschädlich".
Auf die problematische Formulierung "im Sinne dieser Norm" ist schon eingegagen worden. Mißtrauen ist angebracht. Wer garantiert die klimatischen Randbedingungen?
20) Beispiel 2: Flachgeneigtes Dach mit Abdichtung
Mit der in B.3 berechneten Tauwassermasse 0,023 kg/m² und der Verdunstungsmasse 0,56 kg/m² heißt es dann in B.3.4 als Ergebnis:
"Die Tauwasserbildung ist im Sinne dieser Norm unschädlich".
Auf die falsche Berechnung ist bereits am Anfang hingewiesen worden. Allerdings ist bei dieser Formulierung absurderweise selbst das falsche Ergebnis als richtig (?)"im Sinne dieser Norm" zu werten. Dies bedeutet die perfekte Perversion einer DIN-Vorschrift, gerade dann, wenn inkognito in einer ANMERKUNG auf diesen Fehler hingewiesen wird. Das Infame dieser Vorgehensweise ahnt natürlich kein Anwender.
21) Anhang E
In den Literaturhinweisen sind neben der Aufzählung von 11 DIN-Vorschriften, die alle zu beachten sind, noch 11 Literaturangaben von Veröffentlichungen, auf die zurückgegriffen werden kann, oder bei Bedarf sogar muß.
Nach Neil Postman für den Anwender jedoch alles, weil unzumutbar und überzogen, weitgehend Informationsmüll.
Schlußbemerkung
DIN schreibt über "Grundsätze und Organisation":
"Normung ist das Ordnungsinstrument des gesamten technisch-wissenschaftlichen und persönlichen Lebens, sie ist integrierender Bestandteil der bestehenden Wirtschafts- Sozial- und Rechtsordnungen".
Werden der Zustand und die Handlungen des DIN hier zum Maßstab für diese "Ordnungen", dann ist kritische Wachsamkeit angebracht; solche Absurditäten verträgt keine Demokratie.
"Normung als satzungsgemäße Aufgabe des DIN Deutsches Institut für Normung e. V. ist die planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit".
Es wird ernsthaft bezweifelt, ob diese DIN-4108 zum Nutzen der Allgemeinheit formuliert wurde. Eher ist anzunehmen, daß interessierte Kreise und ihre Sympathisanten an dieser DIN materiell partizipieren. Es werden einseitige Interessen durchgesetzt.
Und in den Hinweisen für den Anwender von DIN-Normen steht:
"Durch das Anwenden von Normen entzieht sich niemand der Verantwortung für eigenes Handeln. Jeder handelt insoweit auf eigene Gefahr."
Dies bedeutet doch konkret, DIN-Normen sind nicht ernst zu nehmen, wenn im Streifall die Verantwortung für die Richtigkeit auf den Anwender verlagert wird. Bei der Norm ist immerhin zu beachten, daß sie keine Rechtsnormen sind, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (BGH Urteil vom 14. 05. 1998). Es heißt dort:
"DIN-Normen sind nicht die einzige, sondern eine Erkenntnisquelle für technisch ordnungsgemäßes Verhalten im Regelfall".
Damit wird doch eindeutig zugestanden, daß es auch andere technische Lösungen gibt, die umgesetzt werden können. Mehr noch. Die Erfahrung zeigt, daß DIN gemäße Lösungen auch falsch sein können; in einem solchen Falle muß man andere Lösungen finden, um nicht gegenüber dem Auftraggeber schadenersatzpflichtig zu werden.
Es ist darüber hinaus auch unverantwortlich, wenn unter Federführung des Staates die Reglementierung der Fachwelt durch Erlaß von Normen derartige Formen annimmt. Da werden Selbstverständlichkeiten genormt. DIN hat sich zu fragen, ob es beabsichtigt, Normen zu erlassen, die offensichtlich für Leute gedacht sind, die vom Bauen keine Ahnung haben. Von den Erstellern dieser Norm zumindest hat man diesen Eindruck.
Weiter fragt man sich, warum die DIN-Normen federführend dann von Dilettanten und Unwissenden formuliert werden. Der Einfluß der Fachleute wird jedenfalls immer geringer; man versucht jetzt sogar, diese aus dem Normungsprozeß auszugliedern, indem DIN von den Teilnehmern Kostenbeiträge verlangt. Die praktizierenden Fachleute, die bis jetzt schon ehrenamtlich, also ohne Bezahlung, bei der Normung mitwirkten und damit die schlimmsten Auswüchse verhindern konnten (allerdings nicht immer), sollen nun für ihr Engagement noch bezahlen.
Es ist ein Skandal.
Auf diese Weise entledigt man sich der Fachleute, die etwas von den Dingen verstehen. Übrig bleiben nur die marktvereinnahmenden Interessenvertreter der Wirtschaft, geldhungrige Wissenschaftler und karrieresüchtige Showerscheinungen der Ministerialbürokratie - man bleibt damit unter sich.
Insoweit gilt auch heute noch der bereits erwähnte Satz von Jean-Jacques Rousseau:
"Es ist nicht nötig, den Charakter der Leute zu kennen, sondern nur ihre Interessen, um ungefähr zu erraten, was sie zu jeder Sache sagen werden".
Und Karl Steinbuch schreibt in seinem Buch: Maßlos informiert. Die Enteignung unseres Denkens:
"Es ergibt sich zwangsläufig aus dem gegenwärtigen Umgang mit der Information, der - ähnlich dem Umgang der Alchimisten mit ihren Elixieren - mit Verstand und Verantwortung wenig, mit Unverstand, Täuschung und Betrug aber viel zu tun hat. Wir werden zugleich informiert, verwirrt und betrogen, wir sehen kaum mehr die Wirklichkeit, fast nur noch Kulissen und Spiegelbilder".
Mit den vorgelegten DIN-Vorschriften wird diese Vision von Karl Steinbuch Wirklichkeit.
Nürnberg, den 07. Oktober 1999