Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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90449 Nürnberg
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Wärme- und Feuchteschutz beim Altbau - Theorie und Wirklichkeit 1
Bauen bedeutet Tradition, Bauen bedeutet Baukultur, Bauen erfordert auch Charakter.Diese Basis droht, bedeutungslos zu werden, da eine virtuelle Scheinwelt dominiert. Im heutigen Bauen haben Lobbyismus und monetärer Markterfolg starken Einfluß. Das provoziert Fehlentwicklungen. Denkfehler und Fehlschlüsse sind die Ursache. Sie müssen in ihren Auswirkungen und ihrer Widersprüchlichkeit offengelegt werden. Bewährte Kenntnisse und gesichertes Wissen aus früheren Zeiten ist auch heute noch gültig. Gewisse Begriffe müssen zurechtgerückt, Zusammenhänge geklärt werden. Die Spreu vom Weizen zu trennen! Karl Steinbuch [1]: "Habe Mut, dich deines Verstandes ohne fremde Leitung zu bedienen".
Rechtliche Aspekte
Baurechtlich wird das Baugeschehen beeinflußt durch:
Allgemein anerkannte Regeln der Technik
Diese Regeln bilden die Grundlage bautechnischen Schaffens, sind bewährte Methoden und dienen der Planung und Herstellung von Bauwerken. Sie sind Bestandteil des Werkvertrages. Sowohl das BGB als auch die VOB/B (als Ergänzung zum BGB) stützen sich auf a.a.R.d.Bt. Auch das Strafgesetzbuch kennt nur den Begriff der allgemein anerkanten Regel der Technik (§ 323). Diese Regeln entwickeln sich im Zusammenspiel von theoretischer Überlegung und praktischer Erfahrung und können auf eine jahrhundertalte Tradition zurückgreifen.
DIN-Normen
Im Bauvertragsrecht spielen die DIN-Normen erst dann eine Rolle, wenn sie als Vertragsbestandteil besonders vereinbart werden. Bei der technischen Umsetzung von DIN-Normen muß damit gerechnet werden, daß sowohl die Beachtung der DIN-Normen zu fehlerhaften, als auch die Nichtbeachtung zu fehlerfreien Lösungen führen können. Diese Aussage mag überraschen, wird aber durch folgende Feststellungen verständlich: DIN ist ein Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft und seit über 75 Jahren privatrechtlich organisiert. Im Vorspann von zusammengefaßten DIN-Normen steht in den "Hinweisen für den Anwender": "DIN-Normen sollen sich als "anerkannte Regeln der Technik" einführen. Bei sicherheitstechnischen Festlegungen in DIN-Normen besteht überdies eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sie "anerkannte Regeln der Technik" sind.
DIN-Normen sind nicht die einzige, sondern eine Erkenntnisquelle für technisch ordnungsgemäßes Verhalten im Regelfall. Durch das Anwenden von Normen entzieht sich niemand der Verantwortung für eigenes Handeln. Jeder handelt insofern auf eigene Gefahr". Deutlicher kann die Unverbindlichkeit von DIN-Normen nicht charakterisiert werden. Trotzdem versucht DIN den Eindruck zu erwecken, eine a.a.R.d.Bt. zu sein, scheut sich aber offenbar vor der Verantwortung.
In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht u.a. [2]: "Daneben gehören den Normausschüssen des DIN aber auch Vertreter bestimmter Branchen und Unternehmen an, die deren Interessenstandpunkte einbringen. Die Ergebnisse ihrer Beratungen dürfen deshalb im Streitfall nicht unkritisch als geronnener Sachverstand oder als reine Forschungsergebnisse verstanden werden. ... . Andererseits darf aber nicht verkannt werden, daß es sich dabei zumindest auch um Vereinbarungen interessierter Kreise handelt, die eine bestimmte Einflußnahme auf das Marktgeschehen bezwecken".
DIN-Normen (und jetzt Euro-Normen EN) sind industrie- und wirtschaftsorientiert. Demzufolge haben sich "fortentwickelte Normen" oft als fehlerhaft und falsch erwiesen. Zwei Beispiele der DIN 4108 "Wärmeschutz im Hochbau" werden beim Feuchteschutz angesprochen (auf den Seiten 9 und 10).
Bei der Unverbindlichkeit der Normen ist auch der Versuch bedenklich, Normen nun auf dem Verordnungswege zu a.a.R.d.T. umfunktionieren zu wollen [3], das rechtliche und fachliche Durcheinander wäre vollkommen.
Wegen der technischen Fehler in der DIN, übertriebener Kooperation mit der Wirtschaft und großem lobbyistischen Einfluß der Industrie müssen die DIN-Vorschriften mit großer Zurückhaltung und Vorsicht angewendet werden; Mehr Verlaß ist auf die a.a.R.d.Bt, die sich von der Bindung der Industrie loslösen (sollten).
Energieeinsparungsgesetz
Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß der Wärmeschutzverordnungen enthält im §5 (1) das Wirtschaftlichkeitsgebot, im §5 (2) das Härtefallgebot:
(1) "Die in den Rechtsverordnungen ... aufgestellten Anforderungen müssen ... wirtschaftlich vertretbar sein. Anforderungen gelten als wirtschaftlich vertretbar, wenn generell die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können."
Damit kann das Fazit gezogen werden, daß unwirtschaftliche Energiesparmaßnahmen gesetzwidrig sind; sie können - und müssen - unterbleiben. Die Auslegung des §5 (1) läßt keine andere Schlußfolgerung zu [4].
(2) "In den Rechtsverordnungen ist vorzusehen, daß auf Antrag von den Anforderungen befreit werden kann, soweit diese im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen".
Dieser Absatz (2) findet sich deshalb im § 14 der Wärmeschutzverordnung 95 "Härtefälle" (in EnEV 2002: § 17, 2007 § 25) wieder und ermöglicht eine Befreiung, wenn u.a. eine unbillige Härte vorliegt.
Die eindeutigste Form einer unbilligen Härte ist die Unwirtschaftlichkeit (s. Materialien zur Wirtschaftlichkeit (Download selbstentpackende Word 6-Zip-Datei)->Anhang, beim Autor erhältlich).
Wärmeschutzverordnung
Die Wärmeschutzverordnung 95 war seit dem 01.01.1995 in Kraft (die Energieeinsparverordnung EnEV seit 2002, novelliert ab 2007, 2009 ff.). Der methodische Aufbau unterscheidet sich nicht vom Aufbau früherer WSchVOen, trotz gegenteiliger Behauptungen. Der Lüftungswärmebedarf (51,4 kWh/m²a) und die internen Wärmegewinne (25 kWh/m²a) sind konstante Werte. Insofern reduziert sich das "Energiebilanzverfahren" zu einem km-Verfahren (Solargewinne können über kFeq -Werte berücksichtigt werden). Zur Erfüllung der verschärften Anforderungen müssen nur entsprechend kleinere k-Werte gewählt werden [5] (dies hat sich auch bei der inzwischen gültigen EnEV nicht geändert).
Methodisch bedeutet die WSchVO 95 wegen der bürokratisch / technokratischen Grundstruktur eine einzige Konfusion, ist voller Widersprüche und Ungereimtheiten [6] (dies wurde bei der EnEV ab 2002/2007 weiter verfeinert). Maßgebend für den Wärmeschutz bleiben nach wie vor allein die k-(aktuell: U-)Werte. Wie aber ist die Gülltigkeit des k-(U-)Wertes einzuschätzen?