Sehr wichtige Weisheiten liefert uns orientierungslosen Banausen ein großer Künstler unserer Zeit - Alex Katz, USA, im Interview mit dem Süddeutschen-Zeitung-Magazin vom 19.11.1999, aus dem hier etwas herauszitiert wird (AK-Katz, SZ-Süddeutsche Zeitung):
[...]
SZ: Worum geht es Ihnen, wenn Sie malen?
AK: Ich will zeigen, wie alles um mich herum aussieht.
SZ: Was außerhalb Ihrer nächsten Umgebung ist, interessiert Sie nicht?
AK: Die Welt, in der ich lebe, ist die Welt, die ich male.
SZ: [Ihre Bilder] sollen etwas symbolisieren. Was?
AK: Sie sind selber Symbole. Wenn ich Ada male, dann
sollen Sie Ada, meine Frau, wiedererkennen, aber gleichzeitig sollen Sie
auch mein Bild der Frau schlechthin sehen. Realismus und Abstraktion in
einem. Der Rest ist Stil. Meine Bilder haben keine Inhalte, sie sind frei
von Bedeutung. [....] Bestimmte Dinge weglassen, andere hinzufügen
- und da sind wir beim Stil. Was ist Stil? Wenn es gelingt, viele Elemente,
die nichts miteinander zu tun haben, unter einen Hut zu bringen, der auch
noch toll aussieht - das hat Stil. Die Kunst der Kombination. [...]
SZ: Es soll Maler geben, die malen, weil sie ihr
Leiden an der Welt ausdrücken wollen.
AK: Ich hasse dieses Selbstmitleid. Ich glaube nicht,
dass man depressiv sein muss, um gute Kunst zu machen. Ich jedenfalls bin
nicht depressiv. Und ich habe weiß Gott harte Zeiten durchgemacht,
vermutlich härtere Zeiten als die meisten anderen Künstler. [...]
Wir hatten kein Geld, aber wir amüsierten uns prächtig. Jeden
Abend war irgendwo eine Party angesagt. Billiger Wein, tolle Mädchen,
coole Musik. Das Leben, eine einzige große Party!
SZ: Waren Jackson Pollock und Willem de Kooning dabei?
AK: Pollock war ziemlich wild, aber er war ein Einzelgänger.
Es gab verschiedene Kunstszenen. Die schmuddeligen Zausel, die tatsächlich
noch Baskenmützen trugen, Bärte und Kleidung mit Farbflecken
drauf - die fanden wir einfach ecklig. Die aufgeblasenen Typen, die sich
als moderne Künstler verkleideten - die waren nicht cool. Und dann
natürlich die abstrakten Expressionisten, die konnten wir nicht ausstehen
- das verband mich übrigens mit Warhol. Die abstrakten Expressionisten
trugen Anzüge, um sich von der Boheme abzuheben. Mark Rothko, immer
im Anzug, Ad Reinhard, immer im Anzug.
SZ: Was hatten Sie an?
AK: Weißes, gebügeltes Hemd, stets Krawatte,
schwarze Hose, Tweedjacket. Pollock genauso. Bill De Kooning war so dazwischen,
mal Anzug, mal unser Look. Da sehen Sie nebenbei, wie wichtig Kleidungsstil
ist. Man definiert damit eine Haltung, man kommuniziert damit bestimmte
verschlüsselte Informationen, man kombiniert daraus gewisse Schlussfolgerungen
- schon ist man auf der symbolischen Ebene. Deshalb habe ich schon damals
die Figuren auf meinen Bildern modisch eingekleidet. Das wurde mir natürlich
übel genommen. Die Baskenmützen, die sich nur mit tiefsinnigen
Inhalten beschäftigten, fanden das oberflächlich.
SZ: Der Vorwurf hat sich ja hartnäckig bis
heute gehalten: Alex Katz, der Maler des schicken Lifestyles, der
Posen, des Glamours, des oberflächlichen Glanzes eben.
AK: Es gibt nichts Aufregenderes als die Oberfläche.
Dort trifft unser Blick auf den Gegenstand und reflektiert. Was
kümmern mich Inhalte? Gar nicht. Mich interessiert nur die Oberfläche - in ihr ist alles.
SZ: Findet man die Wahrheit an der Oberfläche - und nicht, wie immer vermutet, in der Tiefe?
AK: Ganz ehrlich: Die Wahrheit interessiert mich gar
nicht. Ich halte die ganze Suche nach der Wahrheit in der modernen Kunst
für fatal. Ich finde, die Aufgabe des Künstlers ist es nicht,
die Wahrheit zu finden, sondern ein interessantes Bild zu malen. Ob etwas
wahr oder falsch ist, kümmert mich nicht. Hauptsache, etwas ist interessant.
Ich hasse es, mich zu langweilen. Nichts ist langweiliger als die Wahrheit.
Man ist gezwungen sich zu wiederholen, wenn man die Wahrheit sagen will.
Und Wiederholung ist langweilig. Ich finde die Oberfläche spannender,
denn da verändert sich das meiste. Und, wie gesagt, Bilder müssen
spannend sein und nicht langweilig.
SZ: In Europa heißt es in diesem Zusammenhang
immer, Alex Katz sei eben ein sehr amerikanischer Maler.
AK: Das ist ein Irrtum. Die Beschäftigung mit der Oberfläche hat gerade in Europa eine große
Tradition. Erst der Absolutismus der modernen Kunst kämpft gegen die "Oberflächlichkeit".
Deshalb glaube ich auch, dass die Kriterien für die moderne Kunst
auf meine Arbeit nicht anwendbar sind. Meine Arbeit hat mehr mit der Malerei
des 17. Jahrhunderts zu tun. Bezeichnenderweise melden sich in letzter
Zeit gerade in Europa Kunstkritiker zu Wort, die meine Bilder in diesem
Sinne deuten. Was hat Rubens denn anderes gemacht? Seine Bilder waren chic
und hatten Stil. Was hat Tizian denn anderes gemacht? Oder Vermeer. Ich
fühle mich in diesem Kreis wohler als bei den sogenannten modernen Künstlern.
SZ: Von der modernen Kunst wird ein politisches
Bewusstsein oder eine soziale Anteilnahme gefordert. Das sucht man bei Ihnen ebenfalls vergebens.
AK: Stimmt. Ich bin kein Heuchler. Soziale Probleme
interessieren mich nun mal nicht. Als Künstler gehöre ich sowieso
keiner Klasse so richtig an. Künstler, die Aristokraten sein wollen,
sind peinlich. Künstler, die sich ganz bürgerlich gebärden,
sind noch schlimmer. Erfolgreiche Künstler, die auf arm machen, sind
das Allerletzte. Man muss den Mut haben, nicht zu unserer Gesellschaft dazugehören zu wollen.
SZ: Sie sind ein harter Brocken.
AK: Finden Sie? Ich finde gar nicht. Aber ich habe
keine Angst. Das kommt vom Boxen. Ich war in der Marine und dort lernt
man boxen. Boxen fand ich cool. Man kann´s auch gut gebrauchen: Irgendwann,
auf einem Schiff, kam mir doch tatsächlich ein Kerl mit einer
antisemitischen Bemerkung. Ein riesiger Muskelberg. Dem musste ich natürlich
Prügel androhen, er hat dann auch klein beigegeben.
SZ: Spielt die jüdische Religion für Sie eine Rolle?
AK: Überhaupt nicht. Ich bin nicht religiös
und das ganze Gebaren der Juden hat mich immer befremdet. Sie sind so besitzergreifend,
sie wollen dich in Ihrer Mitte aufnehmen, umarmen. Sie sind mir zu lieb
und zu nett. Das mag ich nicht. Die Juden stehen mir genauso fern wie alle
Nichtjuden. Meine Eltern sind aus Russland eingewandert, die Familie meines
Vaters war strenggläubig, aber mein Vater hat mit der Tradition gebrochen.
Er sagte, er sei zu heißblütig dafür. Aber er hat die Gemeinde
immer finanziell unterstützt, als er es zu Geld gebracht hatte. [...]
SZ: Wo haben Sie gelernt, was Stil hat? In Queens?
Queens ist cool. Wenn man dort aufwächst, lernt man schnell, was cool ist und was nicht. In Queens gibt es auch Kino
und da liefen natürlich in den dreißiger, vierziger Jahren die Hollywood-Filme
mit ihrem unbeschreiblichen Glamour. Diese Filme waren meine Schule. Man
lernt mehr im Kino, als aus der Bibel. Im Kino sieht man zum ersten Mal, wie elegant alles aussehen kann. [...]
SZ: [Wie steht es um den] Lifestyle in Maine [Katzens Sommersitz]?
AK: In dem Städtchen um die Ecke gibt es im Prinzip nur zwei Stilrichtungen: die Öko-Lesben, die in ihren
sensiblen Tüchern im Laden stehen und Hülsenfrüchte verkaufen; und die Rednecks,
die auf dem Motorrad zur Kneipe fahren und Bier trinken. Beide Gruppen
behagen mir nicht. Deshalb leben wir [Herr Katz und Frau Katz] hier sehr zurückgezogen mitten in der Natur. [...]"
Interview: Christian Kämmerling
Wer aber die vier Bildebenen kennt, die sich bei zunehmender Erkenntnis bis über die anagogische Ebene hinaus in den Logos mystikos bzw. spermatikos entwickelt und aus all´ den "Oberflächen" der altertümlichen Pinselkleckser, Federfüchse und Steinhauer, auch der Schmierfinkenkunst kosmo-logisch herausgelesen werden kann, sieht das anders. SUUM CUIQUE, und QUOD LICET IOVI NON LICET DOOFI. Aber das lernt man nicht in Hollywoods Zelluloidschweineschinken. Wer mehr wissen will, kommt an der glaubenden, weil erkennenden Truppe nicht vorbei. Versuchen Sie´s mal mit Kirchenvätern, seien sie auch aus dem 16.Jh.. Der Aeropagit (kein bulgarischer Lufthansakapitän!) ist da nicht schlecht. Wenn nicht gleich Platons Symposion (keine arrogante Versammlung von Dummschwätzern!) und lesen Sie nach bei Diotima: Eros als Erkenntnisprinzip. Da sitzen Sie in der ersten Reihe! Und verzichten doppelt so gerne auf die traurigen Widerwärtigkeiten der modernen Brunst. Bis auf den guten englischen Sohn nigerianischer Eltern Chris Ofili, der weiß, wo´s mit Marienbildern aus heiliger Elefantenkacke langgeht (oder doch net?).
Das Bild zum Thema: Frans Francken: Der Tod und der Kaufmann (1620)