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Rezension

Hartmut Ross, Friedemann Stahl, Praxishandbuch Putz - Stoffe, Verarbeitung, Schadensvermeidung (R. Müller), Köln 1997, 227 Seiten mit zahlreichen Tabellen, Fotos und Abbildungen, 98,00 DM, ISBN 3-481-01284-5

Praxishandbuch Putz - Stoffe, Verarbeitung, Schadensvermeidung

Schmucker "Aufputz" kleidete die meisten mittelalterlichen Burgen, Kirchen und Klöster, Mörtelschichten und Farbschlämmen, Architekturmalerei und Materialimitation prägten die Bauwerke. Nach den romantischen Verwüstungen des 19. Jahrhunderts verwittern sie heute als "materialgerecht" ruinierte Natursteinfassaden. Hin und wieder gönnt man ihnen dann doch ein neues Kleid, vorzugsweise in "Originalfassung", in verharmlosend zurücktretenden Rauhputzfassaden oder sonstigen Seltsamkeiten. Je nach Gusto der Denkmalpflege.

Soll nun unser Baudenkmal vom Fachwerkhäuschen bis zum Fürstenschloß wieder verputzt werden, sei es innen oder außen, haben wir ein Problem: Die Qual der Wahl. Unzählige Putzvarianten überschwemmen den Baustoffmarkt. Die Trockenmörtelbranche hat schon lange den Altbau entdeckt, unser treuer Handwerker sein 1 mal 1 meist aufgegeben und sich in den Dienst der Industrieprodukte gestellt. Wenn er einen "historischen" Putz anbringen soll, wird er die Hände heben und an jedem Finger 10 Putzschäden mit sogenannten "Denkmalputzen" aus Sand, Kalk und Traß aufzählen. Lieber greift er zum Fertigprodukt, das er durch Schläuche pumpt und maschinell auf die Wand klebt. Das läßt sich einfach verschmieren, kostet bis auf Sanierputz oder individuelle Nachmischungen nicht allzuviel und wird schon halten.

Dennoch, wenn dann Spätrißschäden, Hohlstellen und Salzeinwanderungen in unbelastete Bereiche erkennbar werden, bemüht man Sachverständige und Juristen. Sind es Ausführungs- oder Materialfehler, die das zum neuen Glanz gepflegte Denkmal so schnell entwerten? Bei der Beantwortung dieser Fragen will das "Praxishandbuch Putz" helfen. Seine Hauptkapitel: Baustoffe und Hilfsmittel, Technische Eigenschaften, Ausführung von Putzarbeiten, Schäden und Sanierung, Normen, Merkblätter und Richtlinien, Literaturverzeichnis, Lexikonteil und das Stichwortverzeichnis bieten Zugriff auf theoretisches Wissen und so manche Praxiserfahrung.

Die Verfasser, Geschäftsführer einer Ingenieurgesellschaft für Bauphysik und Bautenschutz, widmen das Buch dem Handwerk, den Planern, Sachverständigen und Studenten, thematisch breit angelegt und gut fundiert. Die Produktinformationen der Hersteller sind dagegen eher haftungsausschließend und beschönigend als ehrlich, schadensverhütend und risikobewußt. Nachdem "technische Merkblätter" mehr verschweigen als verraten, ist jede weitere Aufklärung sinnvoll. Allerdings bleibt im Bereich der Schadensanalyse manches ungesagt, auch wenn "alles Wissenswerte zur Putzverarbeitung und -instandsetzung" enthalten sein soll.

Gern hätte man mehr erfahren über die undeklarierten Zementzugaben in Werktrockenmörteln, mit denen Kalkputze der Gruppe 1c dann doch zu Kalkzementputzen werden. Der bedeutende Unterschied von Festigkeitsangaben der Hersteller für Laborproben und den Überhärten am Objekt, Grund allzuvieler Putzschäden, wird verschwiegen. Hier wird gegen die Putzregel "von hart nach weich" verstoßen!

Auch die bedeutenden Schadsalzanteile im Traß, die zu Ausblühungen führen können, werden nicht thematisiert. Daß die Hydrophobierung von Putzen die Salzdurchwanderung ("Sanierputz"!) und die Pigmentbindung des Mineralanstrichs blockiert, bleibt ungesagt.

Und wer heute noch die "aufsteigende Feuchte" als Schadensursache verdächtigt (S. 196), hat weder Schmidts Hochbaukonstruktion (1974) noch die neuere Literatur von Künzel gelesen. Die Kapillarwanderung funktioniert eben nur von Grob- zu Feinporen, nicht umgekehrt wie im Stein-Fugmörtel-System. Der Schaden (Abb. 4.23) mit abgelöstem Dispersionsanstrich ist also eher dessen typischer Dichtwirkung gegen hygroskopisch bzw. kondensationsbedingt eingelagerte flüssige Feuchte zuzuschreiben. Salze und kühle Oberflächen des Bauwerks ziehen die Luftfeuchte geradezu magisch an und halten beaufschlagtes Regenwasser lange zurück. Die Angabe von Dampfdiffusionswerten für Putz und Farbe ist folglich sinnlos und deswegen irreführend: 99% der Feuchte im Bauwerk ist eben flüssig, nicht Dampf. Wer sie mit porenverengenden bzw. abdichtenden Schichtbildnern einsperrt, provoziert Bauschäden. Das gilt auch für Wasserglasfarben. Deren Überhärte und Schadsalzabspaltung verstärkt sogar die Schadensentwicklung. Nach einigen Jahren sehen solche Fassaden oft grausam aus und lassen sich nur schwierig instandsetzen. Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Auch bei Kunstharz- und Wärmedämmputzen, gerade wegen ihrer ungenügenden Wärmeableitung in den Untergrund bzw. der dort bewirkten Feuchteblockade schnell "hinüber", wäre mehr Nachhilfeunterricht schön. Welcher ernstzunehmende Bauphysiker glaubt heute noch an k-Werte? Sie fördern zwar die Dämmstoffvermarktung in der Praxis, gelten aber laut DIN 4108 nur im Labor. Am Bauwerk jedoch wechselt das Klima, das nur mit wärmespeichernden und feuchtetransportierenden Gebäudehüllen "traditionell" zu beherrschen ist. Nach der sog. Wärmeschutzverordnung gedämmt und gedichtet folgt Schimmel, Schwamm, Konstruktionszerstörung, Raumluftverseuchung und Nutzererkrankung. Von den Geldverlusten durch die unwirtschaftlichen, von A-Z falsch berechneten "Normkonstruktionen" mal ganz abgesehen. Glücklicherweise entsprechen die "klassischen" Baudenkmale noch der guten Handwerkstradition und können genauso instandgesetzt werden. Zum Wohle der Umwelt, der Kultur und der Nutzer.

Gleichwohl, viele der gezeigten Beispiele und vor allem die gut aufbereiteten Tabellen und Übersichten geben dem Fachmann praktische Hilfe in seinem Alltag. Vielleicht nicht vorwiegend am Baudenkmal, aber eben auch dort. Und sei es, daß das Nachdenken beginnt, ob all´ die aufgeführten Putzbestandteile und -arten bestandsgerecht und technisch sinnvoll sind. Die Schäden an den Putzen mit Porenbildnern, die am Bauwerk oft keine Poren bilden und "bockelharte" Mörtelschwarten mit Riß- und Hohlstellenentwicklung werden, fördern solch´ ketzerische Gedanken.

Vielleicht ist der reine Luftkalkmörtel nach handwerksgerechter Manier und traditioneller Vergütung, laut Prof. Wittmann ein "Hochleistungsputz" im Unterschied zum unvergüteten "Volksputz", ja doch nicht so schlecht?

Konrad Fischer

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