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Sanierputz auf salzigen, feuchten Untergründen - eine Lösung oder ein Problem?
Periodensystem komplett erklärt. Gesundheitliche und umwelttechnische Auswirkungen der Stoffe und ihrer Verbindungen inkl.






Konrad Fischer

Kalkputz und Mörtel am Baudenkmal

Beitrag für Rubrik "Kontrovers" - bausubstanz 5/99 (aktualisiert 3/10)

"Die historischen Verputze und ihre Kalkanstriche sind nicht deshalb erhalten geblieben, weil sie nicht nass werden, sondern deshalb, weil das Wasser sehr schnell wieder verdunsten kann [...], weil es [...] unter günstigen Bedingungen zu keiner Akkumulation von Salzen unter der Oberfläche kommen kann, weil die Salze auf der Oberfläche "ausblühen" können [...]." Prof. Dr. Ivo Hammer [1]

Kalk ist ein Lieblingsbaustoff der Denkmalpflege. Trotz der vielen Schäden mit modernen Baustoffen im Alt- und Neubau sind aber auch traditionelle Kalkprodukte nicht unproblematisch. Mißerfolge beeinträchtigen deren Ansehen. Darf man Kalkprodukten überhaupt Vertrauen schenken, oder sind diese bestenfalls ausnahmsweise - wie z.B. im Denkmalschutz - einsetzen? Will der Architekt reine Kalkprodukte anwenden, ohne künstliche oder hochhydraulische Zutaten, drohen ihm regelmäßig drei Gefahren:

1. Der Handwerker meldet Bedenken, deren Ursprung der Fertigproduktwerbung zu entstammen scheint. Eine Haftung und Gewährleistung für Kalkanwendungen wird kategorisch abgelehnt, die sogenannten "allgemein anerkannten Regeln der Baukunst" scheinen verletzt. Ergebnis: Der Bauherr und der Architekt geben auf - zement- bzw. kunststoffhaltige Industrieprodukte werden ersatzweise angewendet.

2. Der Handwerker tauscht undeklariert die geforderten reinen Kalkprodukte gegen mit Zement bzw. Kunststoff verschnittene und besser maschinengängige Ersatzprodukte aus. Oft gibt er bei Baustellenmischungen hinter dem Rücken der Bauleitung dem Mörtel das berühmte Schäufelchen Zement, der Farbe den "Spritzer" Kunststoffbinder dazu. Oder er arbeitet mit den Kalkprodukten rund um Weißkalkhydrat / Weißkalk, Sumpfkalk / Löschkalk / Speckkalk, Kalktünche, Kalkmilch, Kalksinterwasser, Kalkmörtel / Luftkalkmörtel / Sumpfkalkmörtel / Speckkalkmörtel, Kalkputz / Luftkalkputz / Sumpfkalkputz / Weißkalkputz / Speckkalkputz und Kalkspachtel, ohne deren erheblichen Ansprüche an die ausreichende Feuchteversorgung des Untergrund und der frischen Schicht sowie die fachgerechte Verarbeitung bis zur rechtzeitigen Entfernung des Sinterhäutchens von abbindenden Oberflächen ausreichend zu beachten. Gibt es dann Schäden, dann ist der Architekt oder der Bauherr schuld, die ja keine "üblichen" Baustoffe wollten.

3. Das angewendete Rezept, oft abgeschrieben aus unverstandener Fachliteratur oder alten Leistungsbeschreibungen, im Labor und der Praxis nicht genug ausgetestet und optimiert, vernachlässigt die traditionellen Erfahrungen. Früher übliche Vergütungszusätze, wie Ziegelmehl, Fruchtzucker, Öle, Kasein und sonstige Naturstoffe, die die objekttypische Eignung hervorbrachten, werden nicht oder nicht sachgerecht verwendet. Der Mörtel will nicht richtig haften, der Anstrich staubt, kreidet und mehlt. Hersteller- und handwerksseitige Saniervorschläge, wenn das Kind in den Brunenn gefallen ist, greifen nicht oder nicht ausreichend. Doch es kann noch schlimmer kommen, wenn sich der Kalkmörtel bei jedem Regen und Kondensatanfall unmäßig mit Wasser vollsaugt, Untergrundsalze deswegen nicht ausreichend abführt und obendrein keine ausreichende innere Bindung (Kohäsion) aufweist. Frost, und Salzsprengschäden sind die unabänderliche Folge. Die Untersuchung des Fraunhofer Institutes Holzkirchen "Kalkputz in der Denkmalpflege" dokumentiert hierzu spektakuläre Versagensfälle bei ausgerechnet von Denkmalbehörden beratenen Kalkputzen. Ergebnis: "daß die Anwendung reiner Luftkalkputze ohne Zusatzmittel in der Praxis nicht vertretbar ist, da mit zu großen Schadensrisiken verbunden".[2]

Konrad Fischer: Fassaden energetisch richtig und kostensparend sanieren 1

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Entscheidend sind aber nicht nur die Zusatzmittel in durchaus unterschiedlichster Zusammensetzung - Standards gibt es hier ja nicht - sondern auch die Zusammensetzung des Mörtelsandes aus Natursanden wie Fluß- und Grubensand oder Brechsanden - jeweils mit den unterschiedlichsten Eigenschaften, was den Kalk- und Silikat/Quarz-Anteil, die Korngeometrie und die Kornfraktionierung betrifft. Runde Körner lassen den Mörtel besser "rollen" - ein Vorteil bei der Verarbeitung, splittrig gebrochene Körner sorgen für bessere Verkrallung der Mörtelmatrix. Hinzu kommt noch das Problem des Bindemittels. Es gibt ja Baukalke mit unterschiedlichen bindefähigen Kalkgehalten (steigender CaO-Anteil von CL 70 über CL 80 bis CL 90 gem. EN 459-1), ihr Anteil beeinflußt u.a. die Bindefähigkeit, Konsistenz und auch den Wasserbedarf der Mörtelgemisches. Alles in Fachkreisen bekannt - und dennoch nicht so einfach standardisierbar. Denken Sie mal an Brotrezepturen, dann wissen Sie, wie gleiche Rezepturbestandteile durchaus unterschiedlichste Ergebnisse bringen können. Bei Kalkprodukten ist das nicht anders.

Warum also diese Unsicherheit in der Praxis, warum die Schäden an den Kalkbaustellen?

Die Werbung für industrielle Fertigprodukte - auch im Bereich Luftkalkmörtel - verspricht dem Handwerker Sicherheit, beste, am besten geschwinde Verarbeitbarkeit und damit hohen Gewinn. Mögliche Anwendungs- und Gesundheitsrisiken, Volldeklaration und Risikobeschreibung, unausgereifte Rezepturen, heimliche Zugaben von Zement, Hüttensand oder anderer riskanter Hydraulfaktoren mit unangenehm verfestigenden, trocknungsblockierenden und spannungsrißverstärkenden sowie schadsalzbelastenden Nebenwirkungen, die Verträglichkeit mit dem Bestand und die Praxistauglichkeit auf Dauer werden dabei oft unterschlagen. Die Abhängigkeit von fertig konfektionierten Baustoffen raubte dem Handwerker den Materialverstand. Schnelle Verarbeitbarkeit, möglichst mit immer weiterentwickelteren und von Jahr zu Jahr noch leistungsfähigeren Putzmaschinen, ist nun wichtiger als dauerhafte Objekteignung. Im Schadensfall kommt dann das böse Erwachen: Schlechtachter entdecken Ausführungsmängel - ganz so einfach ist die praktische Anwendung der neuen Laborkompositionen also nicht - trotz neuester Maschinentechnik. Und dabei hätte es bei selbst nach altem Rezept gemachtem Luftkalkmörtel (drei Teile Grubensand oder Flußsand oder meinetwegen auch Brechsand, zur verbesserten Pumpfähigkeit und Packungsdichte notfalls mit einer Handvoll Feinzuschlag wie Ton oder beim Sandwaschen ausgewaschene Schlämme aufgepeppt (Trick 17!), sowie ein Teil möglichst fettem Weißkalkhydrat CL 90) auch und vielleicht auch viel besser getan. Das Anmischen bzw. Anmachen des Mörtels wird maschinell wie immer gemacht, und wenn das Pumpen und Spritzen wegen der dafür suboptimalen Sieblinie des Sandes (kein "fließfähiges" Monokorn mit schlechten Endeigenschaften wie bei pumpfähigen Trockenmörtelprodukten) nicht optimal funktioniert, kommt der klassische Handverputz zu seinem Recht. Wobei die kalktypischen Rezeptur- und Verarbeitungsprobleme selbstverständlich dennoch berücksichtigt werden müssen.

Doch wie sieht es beim Architekten aus?

Seine Ausbildung an der Hochschule hat die Baustoffkenntnis unterschlagen. Bei hygroskopischer und kondensatbedingter Sockelfeuchte glaubt er an "aufsteigende" Feuchte (Kapillartransport von Mauerstein-Kleinporen zu Kalkfugenmörtel-Großporen unmöglich!), trotz der energetisch unübertreffbaren Speicherwirkung massiver Bauweise fällt er auf die unwirtschaftliche, technisch falsche, konstruktions- und gesundheitsschädliche Dämmhysterie herein (der k-Wert gilt laut DIN nur für den Labor-Beharrungsszustand [3], zum tatsächlichen Heizenergieverbrauch steht er in keinem mathematischen Verhältnis [4]), statt auf bewährte Baustoffe setzt er auf ständig neu komponierte Bauchemie- und Zementprodukte mit schädlichen Folgen für Bauwerk und Mensch. Rezept- und Systemwissen wird ihm in der Ausbildung und Baustoffpropaganda verweigert. Die werbeabhängigen Bauverlage bieten eher industrielle Hofberichterstattung als Fachliteratur. Aus Bauschäden entstehen neue Produkte, anstelle Rückkehr zu bewährten Methoden. Der Teufel wird also mit Beelzebub ausgetrieben.

Und die Denkmalpflege?

Immer neue Rezeptvarianten werden auf die Baudenkmale losgelassen. Kunstharze, Silikone und Silikate, alkalireiche Traßmehle mit undeklarierten Zementanteilen, hochhydraulische "Kalke", oft undeklariert mit Zement verschnitten, sogar wasserabweisend sperrende Sanierputze sind (fast?) zum anerkannten Denkmalbaustoff geworden. Die davon abhängigen Schäden landen leider kaum in der Bauliteratur, sondern werden weggemauschelt. Die Fehlversuche mit Baustoffrezepten des Denkmalpflegers werden von Außenstehenden oft nicht dem falschen Rezept und/oder falscher Verarbeitung zugeordnet, sondern dem Baustoff Kalk. Auch das erklärt die Kalkangst des Handwerkers.

Der Vertrauenschaden, der durch wiederholte Veröffentlichung eines solchen Versagensfalles am "reinen Kalkputz in "historischer" Rezeptur nach Angabe der dort zuständigen Denkmalbehörde" [5] am BMFT - Projekt in Schloß Lustheim hervorgerufen wurde, ist entsprechend hoch einzuschätzen (vgl. hierzu auch [2]).

Geht man also von den vielen Fehlschlägen am Denkmal, den industrienahen Veröffentlichungen und den von Salzhysterie-Gutachten aus, ist ein reiner Kalkmörtel und -anstrich im Altbau mit vorbelasteten Untergründen ein vorprogrammierter Reinfall. So ist es nur logisch, daß auch die denkmalnahe Wissenschaft und Praxis in Deutschland vorwiegend mit mehr oder weniger schadsalzverseuchten hydraulischen Zutaten experimentiert, sei es Ries- oder Eifeltraß, hydraulischer oder hochhydraulischer Kalk. Letztlich schreckt man auch vor wohldosierten Hüttensand- und Zementbeigaben nicht zurück. Die Verzweiflung ist also groß.

Doch es gibt auch andere Erfahrungen.

Haben wir nicht überraschend viele "unter Verwendung von natürlichen Zusatzmitteln" hergestellte Luftkalkmörtel als "dauerhafte Hochleistungsputze" [6], die unter widerwärtigsten Bedingungen über Jahrhunderte ihren Dienst am Bauwerk leisten? Sei es an Wind und Wetter ausgesetzten Kirch- und Burgtürmen, an hohen Schloß und Klosterfassaden, an extrem belasteten Erdgeschossen, im ungeschützen Mauerwerk vieler altehrwürdiger Sakral- und Profanbauten. Leider gelangen diese "historischen" Erfolgsfälle kaum in die breite Bauöffentlichkeit, sondern bereichern lediglich exklusive Denkmalzeitschriften.

Allerdings verlieren wir derartig bewährte Putzflächen immer wieder, wenn Anstrichsysteme mit hochfesten bzw. verdichtenden Silikat- und Kunstharzbindemitteln die traditionellen Kalktünchen ersetzen. Mit diesen Kompositionen zerstört der Malermeister oft wertvolle Altputzflächen und begünstigt damit deren Abschlagen und Ersatz durch Neuputz [1, 7, 8,].

Prof. Dr. Ivo Hammer faßt das Thema Anstrich auf Kalkputz so zusammen: "Das Mißtrauen gegenüber der Kalktechnik war wesentliche Grundlage für die Einführung des Kaliwasserglases. Wenn aber Haltbarkeit mit Kriterien der Langfristigkeit und Reparaturfähigkeit, also als Nachhaltigkeit beurteilt wird, wenn die Folgen extremer Verwitterung von historischen Kalkfassaden konservierend behandelt werden und wenn bei der Anwendung handwerkliche Grundsätze beachtet werden, ist dieses Misstrauen gegenüber Kalk nicht berechtigt und durch zahlreiche Beispiele erhaltener Kalkfassaden und eine mancherorts ungebrochene handwerkliche Tradition der Anwendung von Kalk als Fassadenfarbe, auch bei dunkleren Farbtönen, widerlegt." [1]

Der Aufsatz von Prof. Dr. Ivo Hammer: "Bedeutung historischer Fassadenputze und denkmalpflegerische Konsequenzen. Zur Erhaltung der Materialität von Architekturoberfläche", publiziert in den ICOMOS Heften des Deutschen Nationalkomitees XXXIX, München 2003, 183-214 (gleichzeitig erschienen in "Arbeitsblätter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege Bd 117", München 2003, 183-214), gibt weitere grundsätzliche Hinweise zur Tauglichkeit von Kalkmörteln im bemerkenswerten Unterschied zu "modernen" Mörtelrezepturen. Hier einige Auszüge:

"Aufbauend auf den Forschungen von John Smeaton (1724-92), entwickelte James Parker den 1796 patentierten Romanzement durch Brennen von Kalk und 25-30% tonigen Bestandteilen unter hoher Temperatur. 30 Jahre später, 1824, ließ sich Joseph Aspdin das Verfahren zur „Verbesserung in der Herstellung künstlicher Steine“ patentieren, das er „Portland-Cement“ nannte. [...] Portlandzement wurde als Putzmaterial erst nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt eingesetzt. Beide Zementarten erzeugen einen erheblichen Eintrag von bauschädlichen Salzen. Verputze mit einem hohen Anteil an Zement an historischen Fassaden haben sich nicht bewährt. Typisch sind die Dehnungsrisse im Abstand von ca. 1 m, die sich durch die hohe Dichte des Materials ergeben. [...]

Im Sockelbereich eines Bauwerks in Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten im Trocknungsprozess aufkonzentrierte Fäkal- bzw. Streusalze - selbstverständlich im Spritzwasserbereich als Salzlösung von außen in die Wandoberfläche eingetragen und nicht im Mauerquerschnitt als "Aufsteigende Feuchte" von innen nach außen transportiert - werden bis heute meist nicht in simpelster Weise entfernt, sondern durch Porenputze, Hydrophierung mit Silikonen und durch filmbildende Anstriche kaschiert und erst mal unsichtbar gemacht. Die hygroskopische Wasseranziehung der Schadsalze bleibt dabei aber wirksam, die Salze kristallisieren bei ausreichend trockener Luft (für Nitrat: weniger als 50 % rel. Feuchte) in der Kontaktzone von Porenputz (der in euphemistischer Firmenmetaphorik „Sanierputz“ genannt wird) und Maueroberfläche und tragen so zur zusätzlichen Zerstörung der schützenswerten historischen Substanz bei.

Das Prinzip dieser heute überall angewendeten „Sanierputze“ ist die Brechung des Kapillartransports von Wasser, entweder durch große Poren oder durch Hydrophobierung mit Siliconen oder eben beides in Kombination. Wasser kann dann nur noch in Dampfform an die Oberfläche kommen, es wird dadurch "unsichtbar". Durch diese wasserabweisend gesperrten Porenputze wird der Mauer aber kein Gramm Feuchtigkeit entzogen. Die Verdunstung ist wesentlich langsamer als bei einer Oberfläche, die für Wasser in flüssiger Form durchlässig ist. Der vorgeschriebene „Vorspritzer“, mit hohem Zementanteil und in der Praxis oft recht dicht aufgetragen, bringt nicht nur zusätzlich Salze ins Mauerwerk, sondern wirkt auch als Trocknungsblockade mit entsprechend intensivierter Verwitterung und führt längerfristig zur Zerstörung der Mauersteine [durch Salzkristallisation] und damit auch zur Zerstörung ihrer Verbindung zum Verputz.

Meist noch hydrophobierend „ausgerüstete“ Kunstharzanstriche haben in mehrfacher Hinsicht schädliche Auswirkungen auf den historischen Verputz. Sie wirken als Trocknungsblockade für die durch thermische Kondensation fast jede Nacht unter der Fassadenoberfläche entstehende Feuchtigkeit. Wenn das Wasser nicht direkt in flüssiger Form an der Oberfläche trocknen kann, sondern in Dampfform durch den filmbildenden Anstrich oder die Hydrophobierung diffundieren muss, ist der Trocknungsvorgang wesentlich langsamer. Die langsame Trocknung bedeutet auch, dass die chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Schadensprozesse, die fast alle mit Feuchtigkeit verbunden sind, wesentlich intensiver einwirken können: zum Beispiel die Vergipsung von Kalk, die Eissprengung und das Wachstum von Mikroorganismen. Die Salze kristallisieren an der Verdunstungsgrenze, also hinter der hydrophoben Oberfläche, und sprengen den Porenraum. Die Kunstharze, die ungefähr einen zehnfach höheren Dehnungskoeffezienten haben als ein Kalkmörtel, führen an Fassaden mit ihren oft großen Temperaturunterschieden zu erheblicher thermischer Dilatation und damit zu Scherspannungen, die den Verputz gerade an der Kontaktzone zum Anstrich buchstäblich zermürben. [...]

Naturwissenschaft und Technik sind heute selbstverständliche Partner der Denkmalpflege. Die Ursachen von Verwitterungsprozessen und Schäden sind von keiner Disziplin allein, auch nicht von den Restauratoren allein zu erfassen. Es muss aber zu denken geben, wenn Naturwissenschafter bis heute erklären, dass Kalk als Putz- und Anstrichmaterial heute nicht mehr angewendet werden könne. Die Tatsache der Existenz von Kalkmörteln und Kalkanstrichen, „die im Freien Jahrhunderte überlebt haben, bringt mir keine noch so logische und mathematisch formulierte Laboruntersuchung ins Wanken“.(Andreas Arnold, Naturwissenschaft und Denkmalpflege, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 45, 1987 / 4, S. 5) [...]

Gegenüber Natursteinen haben historische Verputze in der Regel eine erhöhte Porosität, das heißt, sie sind leicht zugänglich für flüssige und gasförmige Stoffe. Sie sind ein offenes, von der Architektur und der Umwelt und ihren chemischen, physikalischen und biologischen Faktoren der Verwitterung nicht isoliertes System. Die schädliche Wirkung dieser Stoffe ist nicht nur abhängig vom Material, sondern auch von der Menge und Häufigkeit der Einwirkung.

In normaler Menge ist Wasser für Putze – entgegen landläufiger Meinung – nicht schädlich; im Gegenteil, es ist notwendig für die Selbstheilung des Verputzes durch den Sinterprozess, also die Lösung und Rekristallisation des Kalks. Erst wenn durch Baumängel, Bauschäden oder Naturereignisse Wasser in zu großer Menge in den Verputz infiltriert, die Trocknung also ständig an der Oberfläche stattfindet, wird der Sinterprozess zum Schadensfaktor, weil der Kalk lediglich an der Oberfläche rekristallisiert und eine Kruste bildet.

Aufgrund ihrer offenen Kapillarstruktur und ihrer hydrophilen Eigenschaft haben historische Putze sehr gute Trocknungseigenschaften:

Wasser kann in flüssiger Form bis an die Oberfläche gelangen und verdampft rasch. Prozesse der Verwitterung, die meist mit Feuchtigkeit verbunden sind, zum Beispiel die Vergipsung von Kalk, können weniger lang einwirken. Lösliche Salze kristallisieren oder hydratisieren an der Oberfläche als zunächst unschädliche Ausblühungen und fallen (teilweise) ab. Die mineralische Verklammerung der Kristalle und Mikrorisse erzeugen ein günstiges Verhalten gegenüber thermischer Dilatation (Dehnung und Schrumpfung durch Temperaturänderungen), Vibration und statischen Bewegungen des Mauerwerks.

Ein wesentlicher Vorteil des Materialsystems ist seine Reparaturfähigkeit. Wenn man in regelmäßigen Abständen pflegt und für die Reparatur die gleichen Materialien und Techniken verwendet wie für den ursprünglichen Verputz, hat die Reparatur auch heilende, konservierende Wirkung. [...]

Materialien, die zur Blockade oder Hydrophobierung der Kapillaren führen sollen, zum Beispiel Silicone, Bitumen, Zement oder Kaliwasserglas, haben nicht nur in der Vergangenheit zu weiteren Salzschäden geführt, sondern sind auch in der Vollständigkeit der Abdichtung und auch deren Haltbarkeit fragwürdig.

Gegenüber der historischen Tradition der Reparatur historischer Architekturoberflächen, also auch von Verputzen, ergeben sich in der modernen Denkmalpflege folgende neuen Aufgabenstellungen: [...]
• Entfernung von nicht kompatiblen Materialien der Restaurierung und Reparatur (Zementputz, filmbildende Anstriche). [...]

Langfristig sind aber Reparaturen mit Materialien, die mit der historischen Substanz nicht kompatibel sind, wesentlich kostenintensiver."


Soweit Prof. Dr. Ivo Hammer, der als Praktiker am Bundesdenkmalamt Wien (Österreich) und als Professor an der HAWK - Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Institut für Restaurierung Studienrichtung Konservierung und Restaurierung von Architekturoberfläche über einen reichen Erfahrungsschatz verfügt und damit den industriegestützten Normen, WTA-Merkblatt-Aussagen und allerlei schwachverständigen Vorbehalten und fehlinterpretierten Laboranalysen gegen die Tauglichkeit und Dauerbeständigkeit von Luftkalkmörtel an bewitterten Fassaden stets wohlbegründet entgegentreten kann. Und letztere sind ja Legion, auch und gerade bei öffentlich bestellten und vereidigten "Sachverständigen" und leider auch, um Industrieprodukten mit bauchemischer und zementärer Rezeptur an den Mann zu bringen.

Leider treffen aber die bauphysikalischen Laborwerte der Industrieprodukte betreffend z.B. Kapillarität, Abdichtung und Festigkeit am Bau nicht unbedingt zu. Sie sind in der Praxis oft wesentlich schlechter (Diffusionswiderstandswerte bei Kalk-Zementputz bis ca. 50-fach, bei Silikatfarbe bis ca. 100-fach über angegebenen Laborwerten [9], Druckfestigkeitswerte bis ca 3-5-fach über Laborwert) und verursachen Schäden, die von Schwachverständigen der Industrie gerne dem Handwerker und der Bauleitung zugeschrieben werden.

Regen- und Kondensat-Feuchtigkeit, die sich an den hydrophobierten, klebrigen Kunstharzanstrichen anreichert und nachfolgend verdunstet, hinterläßt organische Ablagerungen. Diese sind ein idealer Nährboden für das Wachstum von Algen und Pilzen. Deswegen verschmutzen hydrophobierte Putzflächen wesentlich schneller, als Kalkoberflächen.

Die genannten Werte für die Dampfdiffusion haben mit dem Verhalten des Baustoffs gegenüber eingedrungenem Wasser bzw. Kondensat in flüssiger Form - der Regelfall! - so gut wie nichts zu tun. Wasserabweisung nach außen heißt auch Wassersperrung nach innen. Folge: Feuchteanreicherung im Bauwerk mit entsprechenden konstruktiven und gesundheitlichen Folgen. Gerade die die mit Kunststoffdispersion vergüteten Farben neigen zu Staubanlagerung, Algenbewuchs und Mikrorißbildung (Craquelée), durch das dann Feuchte kapillar eingesaugt und nachfolgend geradezu eingesperrt wird. Da der gem DIN für manche Farbsysteme erlaubte 5%-ige Dispersionszusatz bei inzwischen üblicher Verwendung von Hochkonzentraten einem Masseanteil von vergleichsweise 10-15% entspricht, folgt daraus zwar die hohe Wasserabweisung aber auch die schädliche Sperrwirkung dieser Produkte. Dies gilt umsomehr für nachfolgende Reparaturanstriche, die durch zunehmende Abdichtungswirkung darunterliegende Kalkputze noch besser zerstören können.

Auch die in der Werbung hochgelobten Sanierputze nach WTA funktionieren durch ihre wasserabweisende Ausrüstung nicht ganz so, wie gehofft: "Die Luftporen werden nicht mit Salz ausgefüllt" [10], da die wässrige Schadsalzlösung in hydrophobierte Poren nicht einwandern und auskristallisieren kann. Wenn man abplatzende Sanierputzschollen sogar noch als salzblockierende Hydrophobierungserfolge publizieren darf [11], sollte man den sponsorierten Fachbeiträgen in den Bauzeitschriften sowieso kritisch gegenüberstehen. Was dort Sanierung und Denkmalpflege genannt wird, hat mit Heilung und Substanzerhaltung regelmäßig wenig zu tun.

Demgegenüber bieten Kalkmörtel und -anstriche technische Vorteile. Sie haben im Vergleich zu kunststoffhaltigen Produkten störungstolerante Eigenschaften, können eindringendes Wasser nicht einsperren, sondern benutzen es wie beregnete Dachziegel als Dichtungsmittel und geben es schnell wieder ab. Auf Kalkoberflächen bilden die durch Beregnung ausgeschwemmten freien Kalkbestandteile (Kalklauge Ca (OH)2) Calciumcarbonat-Kristalle (Kalksinter) mit Partikelgrößen im Nanobereich. Im Ergebnis wird Feuchte und Schmutz von der Nano-Oberfläche besser abgeführt, es kommt zu einem Selbstreinigungseffekt. Außerdem wirkt die oberflächliche Karbonatisierung durch die von innen ausgeschiedenen Kalkkristalle als Selbstheilungseffekt gegenüber feinen Putzrissen im Haarriss-Bereich.

Die Trocknungsdauer t in Tagen (t = s d², dabei s = Baustoffkenngröße, d = Wanddicke in cm) nach dem französischen Bauphysiker Roger Cadiergues ist dabei eine wichtige, aber wenig beachtete Kenngröße, z.B. (zitiert nach "Poroton-Handbuch". 6. überarbeitete Auflage, Deutsche Poroton-GmbH, Königswinter, Nachdruck 1996):

s =
Luftkalkmörtel 0,25
Ziegel 0,28
Fichtenholz 0,90
Kalkstein 1,20
Porenbeton 1,20
Bimsbeton 1,40
Schwerbeton 1,60
Zementmörtel 2,50

Bestätigt wird das auch in den neueren Untersuchungen durch Prof. Dr. Dr. Venzmer, der zu den zementär und wasserabweisend aufgerüsteten Sanierputzen feststellte: "[Sie] schränken die Trocknungsvorgänge gravierend ein, sie behindern diese regelrecht. Um gleiche Verdunstungsleistungen erreichen zu können, sind Zeiten erforderlich, die um den Faktor 10 gestreckt sind gegenüber der freien Ziegeloberfläche."[12]

Ein wesentlicher Vorteil von Kalkmörteln an Fassaden ist auch deren etwa nur halb so große Temperaturdehnung gegenüber Zementmörteln. Außerdem erreichen die durch Trocknungskohäsion und hydratisch durch Kohlendioxid-Aufnahme aus der Luft abbinden Kalkmörtel bei weitem nicht so hohe Druckfestigkeiten wie die hydraulisch rezeptierten Mörtel (Hydraulkalkmörtel, Kalkzementmörtel, Zementmörtel). Das beugt temperaturbedingten Spannungsrissen und Flächenablösungen vor. Die hohe Abbindespannung der Hydraulmörtel verträgt sich mit weniger tragfesten Untergründen - meist Standard am Altbau, aber auch auf - da porosiert - schwächelnden neuen Ziegelmauern nur wenig bis gar nicht. Mögliche Folgen: Risse und Hohlflächen, nachfolgend Auffeuchtung, außen Frostschäden, innen Schimmelbefall.

Die wesentlich bessere Abtrocknung von kalkgetünchten Kalkputzen gegenüber allen sonstigen modernen "Alternativen" führt an Fassaden und in Innenräumen auch zu gestalterischen/ästhetischen und hygienischen Vorteilen:

- Die schnelle Trocknung vermindert die Staubanlagerung an kondensatbelasteten / beregneten Flächen,
- damit ist auch die Gefahr der Algenanlagerung und Schimmelbildung stark verringert. Gerade bei größeren Räumen mit nur zeitweiser Nutzung und konvektiver, umluftintensiver Heizung wie in Kirchen, Schlössern und Museen ist ein Kalkanstrich wesentlich länger "sauber" als ein dispersiv sperrender Trocknungsblocker. Und das gilt selbstverständlich auch im Fassadenbereich.

Außerdem können Kalkoberflächen wesentlich besser überhöhten Feuchteanfall aus Raumluftkondensat puffern und damit für "frischere" und gesündere Luft im Raum sorgen. Die Luftbelastung mit gesundheitsschädlichen Keimen steigt ja proportional zur Luftfeuchte an. Die momentane Zwischenspeicherung von überhöhter Luftfeuchte bis zum nächsten Lüften - beispielsweise in Schlafzimmern mit nächtlich geschlossenen Fenstern oder auch in Veranstaltungsräumen während der Nutzung - ist folglich ein auch gesundheitlich wesentlicher Vorteil pufferfähiger Beschichtungen auf den Raumschalen.

Aus Sicht des Energiesparens kann die Feuchte-Pufferfähigkeit der Raumoberflächen zudem eine Absenkung des Heizenergieverbrauchs bewirken. Trockenere Luft kann ja mit weniger Energie auf die gleiche Temperatur wie feuchtere Luft geheizt werden.

Gegenüber schadsalzbelasteten Untergründen wirken Kalkmörtel und -anstriche nicht absperrend, eine Schadsalzanreicherung bzw. Verlagerung im Bestand kann in ihrer kapillaroffenen Porenstruktur nicht vorkommen. Notfalls "opfern" sie sich für den belasteten Bestand. Unter Verzicht auf versagensanfällige Porenbildner, mit qualifizierter Sieblinie und ungefährlichem, salzarmem Bindemittelanteil kann es die üblichen Überhärten und Spätrißschäden der bestenfalls labortauglichen Werktrockenmörtel mit praxisverachtender Rezeptur bei Luftkalkmörtel Putzgruppe Ia gar nicht geben. Kalkanstriche, freskal bzw. als Sumpfkalkanstriche mit geringer Zugabe von Leinölfirnis, evtl. auch Methylzellulose auch secco einsetzbar, erwürgen - soweit ohne Kunstharzverschnitt - auch nicht den Kalkmörtel-Malgrund. Für die technisch richtige Anwendung reiner Kalkprodukte bestehen aber immer zwei Voraussetzungen:

1. Ein mit den tradierten und modernen Baustoffen vertrauter Handwerker, der mit gebotener Sorgfalt von der Untergrundvorbereitung bis zum Endanstrich seine Handwerksregeln einhält, und

2. Ein Baustoffrezept, das die Kombination Zuschlag, Bindemittel und Vergütungszusätze im Sinn der historisch bewährten Kalk-Hochleistungsprodukte berücksichtigt und objektgerecht - also für die gebenenen Untergrundsituationen und Abbindebedingungen einsetzt - am besten durch ausreichende - das heißt unter anderem erstens an den geschädigsten Baubereichen und zweitens überwintert! - Bemusterung optimiert. Nicht nur zugunsten der geschwinden Maschinenverarbeitung, sondern mit Rücksicht auf Bestandsverträglichkeit, Dauerstabilität, Salz- und Feuchteentlastung des Untergrunds sowie allerbeste Alterungs- und Reparaturfähigkeit.

Gerade mit letzterem sieht es bei industriell konzeptionierten Fassadenprodukten nicht gut aus. Spätestens nach dem zweiten Wiederholungsanstrich. Dann heißt es "alles runter". Nicht so bei Kalk. Mit Kalkmörteln und -anstrichen läßt sich immer wieder "beiarbeiten", lokal ausbessern und gefahrlos flächig instandsetzen.

Neuere Entwicklungen verfeinern die traditionelle Anwendung kalkgebundener Mörtel, Putze und Anstriche in bisher kaum erwartete Qualitätsstufen und Anwendungsbereiche. Vom Mauermörtel über Opfermörtel zu unter Luftabschluß abbindenden Injektionsmörteln, von Dachdeckermörtel über maschinengängige grobe Putzmörtel bis zu Sumpfkalk-Anstrichen gibt es inzwischen Praxisergebnisse, die seit Jahren auch in besonders belasteten Einsatzbereichen überzeugen. Vor allem im Vergleich zu bis dato üblichen "Sanierbaustoffen". Taugliche Kalkprodukte - und da gibt es durchaus große Unterschiede - müssen aber vergütet sein im Hinblick auf Verarbeitbarkeit, das Porenvolumen und die Porenstruktur, die adhäsive Anhaftung am Untergrund und die Kohäsion des Frischmörtels, das Kristallwachstum der Calciumkarbonate, die Feuchteaufnahme und -abgabe, die damit zusammenhängende Dauerstabilität gegen Frost- und Salzangriff, gegen thermische und hygrische Belastung. Und das vorzugsweise mit sozusagen homöopathischen Zusätzen natürlicher Zusatzstoffe im Promillebereich. Frei von Zement, sonstigen Hochhydraulen und Kunststoff. Dann sind es traditionelle "Hochleistungsputze" (Prof. Wittmann).

Selbstverständlich dürfen auf reine Luftkalkmörtelprodukte nur silikat- und kunststofffreie Anstriche ohne Hydrophobierung aufgetragen werden. Wer dies mißachtet, provoziert Schadensfälle, für die der Kalk nichts kann. Werden kapillarsperrende Anstriche wie Dispersionsfarben, Silikatfarben, Dispersionssilikatfarben, Silikonharzfarben usw. auf den noch abbindenden, feuchten und nur teilweise karbonatisierten Mörtel beschichtet, unterbinden sie die erforderliche Abbindung. Nicht nur die Zuführung von Kohlendioxid zur Karbonatisierung, sondern auch die Frühfestigkeit des Frischmörtels durch Wasserabgabe und seine Trocknungskohäsion sowie -adhäsion wird damit stark eingeschränkt. Später dringt dann durch das unvermeidliche Mikrorißcraquelée der Beschihtung und sonstige Hinterläufigkeiten der Fassade dennoch Feuchte in den Malgrund, dessen kapillare Abtrocknung - 1000-fach effektiver als mittels Dampfdiffusion! - von der nur dampfdiffusionsoffenen, aber kapillarblockierenden Beschichtung stark vermindert wird. Die dichtende und teils festigende Wirkung falscher Anstrichsysteme fördert außerdem Krustenbildung, Untergundkorrosion und Schollenbildung.

Prof. Dr. Ivo Hammer erklärt das so: "Kaliwasserglas ist härter als unbeschädigter Kalk [...], deshalb besteht an Fassaden die Gefahr von Scherspannungen durch thermische Dilatation. Auch wenn ein erster Anstrich aus Kaliwasserglas dünn auf den historischen Verputz aufgebracht wird, steigt bei einem zweiten Anstrich die Gefahr der Krustenbildung und ihre negativen Folgen. Die Vorfixierung mit Kaliwasserglas führt zu einer zusätzlichen Verdichtung des Verputzes im oberflächennahen Bereich." Die Reparaturmöglichkeit von alten Silikatanstrichen ist "stark eingeschränkt, langfristig nahezu unmöglich", und es werden durch Kaliwasserglas "schädliche lösliche Salze [...] eingebracht beziehungsweise erzeugt" [1]

Sperrend-moderne Farbsysteme stören die Selbstheilungsfähigkeit des Luftkalkmörtels, sich durch Umkristallisation freier Kalkhydrate vor auftretenden Verletzungen wie Risse oder übermäßige Feuchte mittels Nachversinterung zu schützen. Auch seine Nachkarbonatisierung ist dann eingeschränkt. Das Vertrauen in wasserabweisende und gefestigte Beschichtungen ist schon bei nur mittelfristiger Betrachtung nicht angebracht. Craquelierende überfeste Krusten bilden bei "modernen" Schichtbildnern schnell ein Kapillarrißsystem, aus dem das eingesaugte Regenwasser und das täglich eindringende Kondensat über die nun 99,9%ig abgedichtete Fassadenfläche nicht mehr entrinnen kann. Man beachte die diesbezüglichen Schadensbilder landauf und landab.

Inzwischen haben sich die neuen Produkte aus den Rezeptbüchern des kalkerfahrenen Handwerks bei entsprechend sorgfältiger Beachtung der Ausführungsregeln bewährt. Sie bieten dem Bauherrn, dem Handwerker und vor allem dem Bauwerk technisch und wirtschaftlich glaubwürdige Alternativen zu den Totalvarianten der modernen Bauchemie. Ihre der Witterung folgende Hell- und Dunkelfärbung belebt die Denkmalfassade. Wichtig ist der handwerklich richtige Umgang mit Kalkprodukten, die qualifizierte Bestandsaufnahme und Maßnahmenplanung [13]. Das beugt Ausführungsfehlern vor und sichert die Bauleitung vor schlimmen Erfahrungen ab. Mit Wartungsverträgen lassen sich dennoch mögliche Überraschungen eingrenzen. Und eines darf man dabei nicht vergessen: Kalkprodukte können auch preisgünstiger sein als ihre "modernen" Surrogate. Kurz- und langfristig.

Literaturangaben
[1] I. Hammer, Zur Nachhaltigkeit mineralischer Beschichtung von Architekturoberflächen, Erfahrungen mit Kaliwasserglas und Kalk in Österreich, in: Mineralfarben, Beiträge zur Geschichte und Restaurierung von Fassadenmalereien und Anstrichen, Hochschulverlag, Zürich 1998
[2] H. Künzel, G. Riedl: Werk-Trockenmörtel, Kalkputze in der Denkmalpflege, in: Bautenschutz u. Bausanierung 2/96.
[3] DIN 4108 Teil 7 Nr. 5
[4] H. Menkhoff, G. Achterberg, K. Bade u.a.:Realisierung des Wettbewerbs Therma, Schriftenreihe "Wettbewerbe" des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 05.007, Bonn 1983
[5] C. Arendt: Praxisvergleich von Sanierputzen-Untersuchungsteilergebnisse aus dem BMFT-Forschungsprojekt "Diagnose und Therapie überhöhter Feuchte-/Salzbelastung in historischen Mauerwerkskomplexen; in: Hrsg. H. Kollmann: Sanierputzsysteme, WTA-Schriftenreihe Heft 7, Aedificatio-Verlag, Freiburg und Unterengstringen 1995
[6] F. Wittmann in: [4], a.a.O.
[7] J. Osswald: Wasser geht - Gel kommt, Neue Erkenntnisse über die Abbindereaktionen in Silikatfarben, in: Bautenschutz und Bausanierung 3/98
[8] H.G. Meier: Beschichtungsschäden auf verputzten Flächen, in: Bausubstanz 4/98
[9] G. Koch: Sanierung historischer Bausubstanz, in: Der Stukkateur 3/1988
[10] P. Kaiser, D. Heling: Salztransport in Standard-Sanierputzen, in: [4], a.a.O.
[11] K. Droll, H.G. Meier: Querschnittshydrophobierung von Sanierputzen - Langzeiterfahrungen, Teil 2, in: Bautenschutz und Bausanierung 4/96.
[12] H. Venzmer u.a.: Modellversuche zum Trocknungsverhalten sanierputzbeschichteter Ziegel, in: Hrsg. H. Venzmer: Putzinstandsetzung, Schriftenreihe H. 9, Feuchte und Altbausanierung e.V., Verlag für Bauwesen, Berlin 1998
[13] K. Fischer: Die erhaltende Instandsetzung - Planungsvoraussetzungen und Methoden, in: Hrsg. H. Venzmer: Bautenschutzmittel, Schriftenreihe H. 8, Feuchte und Altbausanierung e.V., Verlag für Bauwesen, Berlin 1997


Literatur zu Putz und Farbe, Anstrich und Fassade, Badgestaltung und Lehmbau-Technik:







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