Mit Kalk, oder nicht mit Kalk?, das ist hier die Frage. Die Verwendung von Kalkprodukten auf modernen Baustellen, egal ob im Altbau oder Neubau, löst immer wieder Debatten, Diskussionen und Streitigkeiten aus, im Mißlingensfall selbstverständlich auch Bauprozesse und die Suche nach dem Schuldigen. Kalk als Baustoff in Mörtel und Anstrich ist freilich schon seit Jahrtausenden bekannt und bewährt. Dennoch ist es bisher nicht so recht gelungen, das einst vorhandene Erfahrungswissen mit in die Neuzeit zu retten. Und so kommt, was kommen muß: So gut die altbewährte Luftkalktechnik auch für Alt- und Neubau geeignet sein mag - planungs- und ausführungsbedingte Verstöße gegen die ungeschriebenen Handwerksregeln lassen sie grausamst scheitern. Deshalb soll hier mal etwas Erfahrungswissen - immerhin kann der Autor auf Erfahrung mit der Kalkverwendung seit 1979 verweisen und hat dabei viel Gutes und Schlechtes, also Bewährung und Versagen erlebt - im Web und Print (siehe Amazonlink zu "Kalk in der Denkmalpflege" mit einem Fachaufsatz von mir rechts) niedergeschrieben und damit öffentlich zugänglich gemacht werden. Vielleicht kann es ja anderen Kalkspezln nützen. Fangen wir gleich mal mit Kalkhorror an:
Horrorbild 1
Abplatzender Spezial-Kalktünche-Anstrich nach einem Jahr.
Nach persönlicher Untergrundprüfung durch den Herstellermeister als tauglich empfohlenes Kalkprodukt.
Durch einen Meisterhandwerkerbetrieb auf selbst vorbereitetem Malgrund (alte Kalktünchen auf Kalkzementputz)
verarbeitet.
Hersteller und Malermeister nach dem Mangel: "Der Untergrund des Kunden ist schuld".
Früher waren Massivbauten - unsere Baudenkmale beweisen es - mit Kalktechnik dauerstabil und "nachhaltigst"
erbaut. Das war Handwerksbrauch - dank Handwerksehre, -kunst und -fleiß. Nicht ganz umsonst waren die altehrbaren
Handwerksmeister in christlichen Vereinen namens Zunft oder Gilde organisiert und fundamentierten ihren Handwerksstolz
auf ein gebetsgestützt gutes Verhältnis zum lieben und gar strengen GOtt. Ohne die Mildtätigkeit gegenüber Armen, Witwen und Waisen zu vergessen.
Und heute? Selbst den renommiertesten Restaurierungsfirmen gelingt die auf Anhieb mängelfreie Kalkleistung mit perfektem Zuschlagsgemisch und perfekter Abbindung
so gut wie nie. Trotz Mitgliedschaft in Handwerkskammer, Eintrag in Handwerksrolle und Berufsverbänden sonstwie. Da kann
der Kalk-, Sand-, Mörtel- oder Anstrichlieferant ebenso wie der Bauleiter und die ISO 9001 noch so oft vorbeigucken.
Allein schon der übliche Verzicht auf die sachgerechte Pflege der frischen Beschichtung mit Kalkmörtel oder
Kalkanstrich / Kalktünche durch angemessene und abbindungsgarantierende Feuchteversorgung - nicht Überwässern! - sorgt für
Kalkunglück namens Aufbrennen und Abpudern bis zum Abwinken. Wie kann denn auch der Kalk sein stabilisierendes Kristallgerüst
bis tief in den Untergrund ausbilden, wenn ihm durch zu schnelles Trocknen die ausreichende Karbonatisierung ruck-zuck unterbunden wird?
Der zugestandene Vorteil der modernen Alternativen - Hydraul- und Kunstharzbaustoffe - besteht jedoch nur für den Verarbeiter: Sie verkraften eher den Pfusch mit Mängelfolgen, die oft erst nach der Gewährleistungszeit (im Falle von feuchtebelasteten Hydraulkalkmörteln durch hydraulkalktypische Entfestigung - die übrigens schon Heinrich Burkartz, Bauforscher und Leiter der Königlich Preußischen Materialprüfungsanstalt in Berlin Lichterfelde - zur Jahrhundertwende um 1900 schon nachweisen konnte - vielleicht auch schon nach Jahresfrist) so richtig sichtbar werden. Und dann immer die Originalsubstanz schädigen. Im Gegensatz zum opferwilligen Kalk, der schnell zeigt, was Fehler ist und im Schadensfall zwar schnell versagt, jedoch weitestgehend ohne zerstörerische Folgen für den Originalbestand.
Der nicht gerade unübliche Kalkmist gedeiht hier trotz aller Anstrengungen:
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Horrorbilder 2 und 3:
Abplatzende und -sandende Spezial-Kalkschlämme auf historischem Kalkstein nach einem Jahr
Herstellerbeteiligung an Untergrundprüfung, Materialwahl und -rezeptur, Mustererstellung, Verarbeitungseinweisung und Baubetreuung bis Abnahme
Ausführung durch Restaurierungsfachbetrieb von Untergrundvorbereitung bis Oberflächenfinish,
inkl. "restauratorische Nachbehandlung" durch tagelange bindemittelauswaschende automatisch-unkontrollierte Schlauchbespülung der Frischfarbe
Nach Auftreten der Mängel:
Verarbeiter: "Architekt, Produkt und Untergrund sind schuld"
Hersteller: "Architekt und Verarbeiter sind schuld".
Falsch eingesetzte, verwässerte, zuschlagsüberladene, zu sehr pigmentverstärkte, vertrocknete oder
gar falsch mit Zuschlag, Bindemittel oder Zusatz nachrezeptierte Eigen- oder Fremdmischungen sind geradezu Standard am
Bau. Hauptsache schnell und billig. Oder eben teuer. Was ist los, wenn der angebliche Denkmalmeister, Putzexperte oder
Sanierungsfachmann ein sogenanntes historisch rezeptiertes Kalkbeschichtungssystem zusammenzaubert, dessen
Mörtelpampe bzw. Putzschmiere nach dem Anschmeißen in allzugroßen Teilen flugs von der Wand rinnt,
nach der Applikation erst ewig zum Trocknen braucht und dann bei
jeder Beregnung bis zum Halskragen absäuft und demzufolge winters unwahrscheinlich frostgefährdet ist - bei
der Beregnung ja oft folgenden Kaltperiode? Und dessen pigmentierte / eingefärbte / marmormehlige Kalktünche
wie Sau aufbrennt und abstaubt, abpudert und mehlt, wofür dann das gefürchtete "Kreiden" als Wort noch eine
maßlose Untertreibung darstellt?
Dabei gibt es bei fachgerechter Anwendung von erfahrungsgestützten Rezepturgeheimnissen durchaus
einfach zu verarbeitende und auch dauerstabile Beschichtungssysteme auf reiner Luftkalkbasis - also eine Mischung
aus geeigneten Sanden (Kalkstein-Brechsande, splittrige und rundkornige Quarzsande verschiedenster Kornabstufungen) und
Weißkalkhydraten (heutzutage als CL 80 bis 90 klassifiziert mit durchaus unterschiedlichen Calciumoxidgehalten),
im günstigeren Fall im Hinblick auf optimale Porenbildung, Fließfähigkeit, Wasseranspruch, Trocknungs-
und Wasseraufnahmeverhalten sowie Frostbeständigkeit vergütet mit Mikrobestandteilen (Additive bzw.
Zusätze / Compounds) im Promillebereich.
Deshalb muß die Planung und Bauleitung den auch bei Fachbetrieben immer drohenden
Rezeptur- und Handwerksfehlern durch Detail, VOB-sichere Leistungsbeschreibung
und Vergabe sowie ergebnisbewußte Objektüberwachung
aus erfolgreichen Bemusterungen heraus und entsprechend vorsichtige und geährleistungssichere Vertragsgestaltung
gegensteuern. Wenn alle Stricke reißen ist es ja für den Bauherrn gut, wenn hinter dem insolvenzverdächtigen
Handwerkspfuscher noch eine Produzentenhaftung steht. Eben für alle Fälle. Es geht also um ein Bauteam, in
denen die Planung, Herstellung und Ausführung ihre fachbezogenen Kompetenzen, Kontroll- und
Qualitätssicherungssysteme - sicherheitshalber vertragsgestützt - voll einbringen müssen. Das gilt
besonders für das Handwerk, in dem eben erbsündige (ha, ha, denkt sich da der schlaue Atheist, sei's drum!)
Menschen und nicht seelenlose Maschinen die sogenannte Leistung erbringen.
Die folgenden Hinweise nennen typische Fehler. Sie können dem interessierten Bauherrn, Handwerker, Planer und Bauleiter als Leitfaden zur Schadensvermeidung bei der Kalktechnik dienen:
Und hier noch ein paar Links zu weiteren Kalk-und Mörtelinformationen: