Eine praxistaugliche Bestandserfassung muß folgende Forderungen erfüllen, wenn sie mit angemessenem Aufwand zur technisch und wirtschaftlich guten Reparatur führen soll:
- Anwendbarkeit für Planungsbeteiligte mit technisch-konstruktiver
Grundausbildung: Bestandsaufnahme ist nicht nur Sache von teuersten Fachkräften mit 10-jährigem Denkmalstudium;
- Schnelles, selbstführendes und leicht erlernbares Erfassungssystem: Wirtschaftlich vertretbarer Arbeitsaufwand;
- Anwendbarkeit für Konstruktionen jeder Bauzeit und Bauart (offenes System): Systematische Erfassung aller Unterschiede im
Konstruktionsbestand;
- Vorgabe der gebräuchlichen Konstruktionsteile für alle Bauteile und -schäden: Möglichst vollständige
Erfassung;
- planungsbezogene Schadenserfassung: Keine teure Produktion von "Datenschrott", der für die Planung unbrauchbar ist;
- Erfüllen der Forderungen der Verdingungsordnung für Bauleistungen "VOB" an die Bestands- und Leistungsbeschreibung: Technisch
vollständige und wirtschaftliche Ergebnisse;
- gleichzeitiges Erfassen der Bauschäden und Altbaukonstruktion durch:
-- Lagegetreue zeichnerische Darstellung/Kartierung und begleitende Fotodokumentation:
Zutreffende Planungsgrundlagen für die Ausführungsplanung und Vergabe, qualitätssichernde Gegenkontrolle der
Bestandserfassung im Büro;
-- Systemtreue Erfassung für alle historischen und neuzeitlichen Baukonstruktionsteile:
Erfassungslücken werden systematisch vermieden;
-- Fachterminologisch und bautechnisch zutreffende Beschreibung mit Massenangabe:
Verschiedene Bearbeiter erzeugen eindeutig weiterverarbeitbare Bestandsdaten;
-- Wirtschaftlich angemessenen Erfassungsaufwand;
-- Möglichst objektive Datenerfassung für bearbeiterunabhängige Weiterverarbeitung;
-- Möglichst vollständige Erfassung kostenverursachender technischer Einflußgrößen.
Aufwand und Ergebnis müssen dabei immer kritisch beurteilt werden. Das Erfassungssystem der Bestandsaufnahme und die Planungsmethode müssen deswegen auf die jeweilige Bestandssituation reagieren, d.h. angepaßt werden können. Im Klartext: Im Einzelfall können ergänzende Aufwendungen erforderlich werden (z.B. besonderes qualifizierte Untersuchungsmethoden mit Laboranalytik) oder bestimmte Arbeitsschritte entfallen oder nur eingeschränkt angewendet werden (z.B. Verzicht auf vollständige zeichnerische Dokumentation aller Fenster von innen und außen und in allen Details bis 1:1).
Für Bauforscherausbildung haben nur wenige Bauherrn freie Finanzmittel. Forderungen aus der Denkmalpflege, unter Mißachtung der staatlichen Honorarordnung den finanziellen Aufwand (der Bestandsaufnahme) "auszuhandeln", wobei (anfänglich) "der Zeitaufwand nicht voll vergütet werden kann" [2], bremsen die Ausgaben der Bestandsaufnahme und die Leistungsbereitschaft der Planungsseite. Eine denkmalgerechte Bauvorbereitung ergibt sich damit nicht von selbst.
Bestandserfassung mit dem Raumbuchsystem
Um die oben angeführten Anforderungen an die Bestandsaufnahme weitgehend zu erfüllen, wurde von uns das Raumbuchsystem entwickelt, das von Ossiarchitekten gerne abgekupfert und unter eigenem Label auf Fachtagungen "vorgeführt" wird (ausgerechnet bei meiner Anwesenheit).
Raumbuch: Erfassungsblatt Zustand+Maßnahmen Einzelfenster
Übersicht Fenstertypen
und Maßnahmepositionen (Anlage zum Leistungsverzeichnis)
Aus Raumbuch erarbeitete Anlagenzeichnung
für Leistungsbeschreibung: Maßnahmenübersicht
Es hat seinen Anfang in der Bearbeitung einer Bürgerhausruine 1984-86 in Bamberg, bei deren kostengünstigen Instandsetzung es sich überraschend gut bewährte.
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Bamberg Mühlwörth 6 vor und nach Instandsetzung, alle historischen Fenster mit geringstem Aufwand erhalten und mit einfachem Vorsatzfenster innen nachgerüstet!
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Trotz seines strengen Formularcharakters hat sich unser Erfassungssystem als universell einsetzbar erwiesen, gleich ob es sich um die Bestandsaufnahme von Fenstern, Türen und Treppen oder von Wandkonstruktionen, historischen Putzfragmenten oder Kehlbalkendachstühlen mit Barockziegeln, jeweils im unterschiedlichsten Erhaltungszustand handelt [3]. Im Unterschied zu anderen in der Denkmalpflege verbreiteten Raumbuchsystemen werden ausschließlich planungsrelevante Daten erfaßt. Unser Raumbuch entartet nicht zum Raumroman in zigfacher Auflage. Die Finanzierungsbereitschaft des Bauherrn ist dafür eher zu erreichen.
Das Formular bietet dem Erfasser Vorgaben und Hilfen zur Eintragung der angetroffenen Konstruktionsverhältnisse. Die bisher ausgearbeiteten Raumbuchvorlagen für unterschiedlichste Aufgabenstellungen können hier erworben werden. Nachfolgend der Arbeitsablauf im Detail: