Zusammenfassung
Die Reparatur von alten Fenstern ist wirtschaftlich und technisch sinnvoll. Dennoch wird meistens erneuert. Eine falsche Bestandsbewertung und unwirtschaftliche Planungsziele tragen dazu bei: Die für eine angemssene, technisch korrekte und wirtschaftlich erfolgreiche Bestandsaufnahme und Planung aufzuwendenden Kosten werden "erspart", auch wenn die Erneuerung mehr kostet und schlechtere technische Ergebnisse bringt. Der Weg zur kostengünstigen und technisch guten Reparatur führt über eine systematische Bestandserfassung zur Reparaturplanung mit detaillierter Kostenberechnung und nachfolgender öffentlicher Ausschreibung. Dann gelingt sowohl eine kostengünstige wie auch kostensichere Reparatur der historischen Fensterkonstruktionen. Und selbstverständlich betrifft das auch neuere Fenstertypen aus Holz, Metall (Alufenster) und Kunststoff (Plastikfenster) im übertragenen Sinn. Für diese spezialisierten Architektenleistungen, die freilich alle Bauteile und Gewerke betreffen und dort gleichermaßen anzuwenden sind, gibt es seit langem altbaugeeignete und in vielen, auch koplizierten Projekten bewährte Planungsmethoden: Das Raumbuchsystem und das Positionsbausteinsystem. Bauen im Bestand und auch die Erhaltung alter Fenster werden damit kalkulierbar und wirtschaftlich.
Die erhaltende Instandsetzung von Fenstern im Bestand verfolgt zwei Ziele:
Erstens werden damit leistungsfähige Baukonstruktionen als Zeugnisse hochentwickelter und langzeitbewährter Handwerkskunst für kommende Generationen erhalten. Ihre technische Qualität bleibt damit am Einsatzort nachprüfbar, das darin erwiesene ganzheitliche Bauen und schöpferische Gestalten trotzt der Vergänglichkeit. Diese Gabe der Vergangenheit, manchen Betrachtern sogar heilstiftende Ikone eines religionsersetzenden Denkmalkults, bereichert auch die Zukunft. Sie erfordert konstruktive Behutsamkeit, vielleicht auch maßvolle Achtung.
Zweitens lassen sich dabei Konstruktionen ausbilden, die weder technisch noch wirtschaftlich den Vergleich mit modernen Industrieerzeugnissen scheuen müssen. Dies gilt besonders im Altbau, wenn der übliche Schimmelschadensprozeß der Fenstermodernisierung folgt. Moderne Konstruktionsmethoden und Baustoffe, vielleicht zwar DIN- und regelwerksgerecht, sind im Vergleich zum traditionellen Fensterbau oft reparaturfeindlicher und schadensanfälliger.
Dies belegen viele Beispiele: Korrodierende Kunststoffoberflächen ohne Instandsetzungsmöglichkeiten; versiegelte Isoliergläser mit vorgegebener Leckagerate; überdichte Falzausbildung, die hygienisch gefährliche Raumluft, Hausschwamm- und Schimmelbildung bzw. teure Zusatzlüftung geradezu erzwingt; ausgasender und schwundanfälliger Montageschaum; kunstharzhaltige, schnell versprödende und feuchteblockierende Deckanstriche, Einsatz vieler ökologisch bedenklicher Problembaustoffe [1]. Somit ist die handwerkliche Erhaltung alter Fenster auch langfristig wirtschaftlich überlegen und hilft, teuren Problemmüll zu vermeiden.
Die erhaltende Instandsetzung von Fenstern setzt jedoch voraus:
1. die zutreffende Bestandsaufnahme der Baukonstruktion und ihres Erhaltungszustandes,
2. ihr Umsetzen in eine substanzschonende, technisch und wirtschaftlich
überzeugende Planung und Baudurchführung sowie
3. das Vermitteln der technischen Qualität und Wirtschaftlichkeit
des erhaltenden Instandsetzens an den Bauherren mit der Folge der
4. vertraglichen Absicherung des erforderlichen Leistungsaufwandes bei Planer und Handwerker.
Kein Problem? Doch: Die meisten Altfenster werden weggeworfen. Warum ist das so?
Der Vernichtungskrieg gegen alte Fenster - Ursachen und Verlauf
Der Verlust von Altfenster hat oft folgenden Hintergrund:
Der Bauherr
- hat keine Erfahrung bzw. Vorurteile im wirtschaftlichen
Umgang mit Bestandskonstruktionen;
- hat schlechte Erfahrung durch mißlungenen Unterhalt von Holzfenstern mittels Kunstharzfarben;
- glaubt "Beratungen" von Nachbarn und Drohargumenten (s.u.)
von Handwerkern/Planern, die am Fensteraustausch schönes Geld verdienen;
- traut dem modernen Baustoff alles zu, was die Reklame einflüstert;
- ist Denkmalpflegeargumenten gegenüber mißtrauisch bis vollständig ablehnend;
- ist nicht bereit, angemessene Voruntersuchung und Planung zu bezahlen,
- hat zu viel Geld und möchte dafür auch "etwas Neues" sehen;
- kann den Fensteraustausch miet- bzw. steuerrechtlich günstig refinanzieren;
- gibt unzureichende Fristvorgaben für Planungs- und Bauabwicklung.
Der Planer
- weiß nicht, wie man Fenster technisch zutreffend
erfassen, instandsetzen
und gem. VOB/A §9 wirtschaftlich, d.h. öffentlich ausschreiben kann
- davon hat er weder im Studium das Geringste gelernt noch in der Praxis allzuviel Brauchbares erfahren;
- versteht auch Altbaukonstruktion, Baustofflehre und Schadensdynamik nur mangelhaft;
- kann ohnehin mangels Einblick in die vielen bestandsgerechten Regelungen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI
§§ 2-7, 10-12, 15, 24, 27) kein für die Reparaturplanung auskömmliches Honorar argumentativ und vertragstechnisch
durchsetzen; die (bis 2009 geltende und danach von der Sache her zusätzlich vereinbare) Regelung des HOAI § 10.3a, mit der die
Substanzerhaltung honoriert wird, ist ihm oft unbekannt bzw. in der Anwendung unklar, seine diesbezügliche Beratung
unterbleibt, obwohl sie zum wirtschaftlichen Bauergebnis führen würde;
- führt deswegen die Bestandsaufnahme in der Grundlagenermittlung technisch unzureichend aus
- mit dem vorhersehbaren Ergebnis einer Bestandsvernichtung und Erneuerungsempfehlung;
- lehnt konkrete Denkmalpflege ab, bis seine diesbezüglichen Planungsmehrkosten gedeckt werden;
- studiert zu wenig die Schadensfälle der Baupraxis, vertraut deshalb
den praxisfernen Rechenformeln "moderner" Bauphysik und Normen zur Vermarktung technisch unsinniger oder gar
schädlicher Konstruktionen;
- hat "teure" HOAI und VOB-Kommentare oft nicht einmal im Bücherregal
und kann deswegen im Altbau eigentlich erforderliche Vertragsregelungen und "Normausnahmen" nicht rechtssicher durchsetzen;
- weiß, daß er ohne große Anstrengungen Neufenster planerisch
leichter bewältigen kann (Umsonstplanung vom Hersteller, die der Planer aber vom Bauherrn honoriert bekommt) und bei seinen
Vertragsgegebenheiten damit letztlich mehr Honorar bei weniger Leistung übrig bleibt;
- droht deswegen mit angeblichen instandsetzungsbedingten
Mehrkosten, Neubau-DIN-Normen sowie (Rosenheimer) Richtlinien und empfiehlt den Fensteraustausch.
Dafür nimmt der Planer die umsonstige Zuarbeit von der Kostenschätzung bis zur natürlich nicht produktneutralen und gegen die VOB/A verstoßende Ausschreibung von Herstellerseite in Kauf, verrechnet diese seinem Auftraggeber frech weiter und freut sich dann sehr auf herstellerseitige Weihnachtsbesuche. Daß die Bieter über die Herstellerangabe ihr Preiskartell schließen bringt dem Planer ja angenehme Begleiterscheinungen auch von Bieterseite - alle rufen beim angegebenen Hersteller an und fragen: "Wer hat schon angerufen"? Antwort: "Müller, Meier und Schulze, nächste Woche Mittwoch treffen wir uns dann alle im Rasthaus Kassel, um den Auftrag und die Gratifikation für den Planer/Bauamtsleiter usw. auszubaldowern".
Der Handwerker (Schreiner/Glaser)
- sträubt sich, bei der Anfrage nach Reparaturleistungen umsonst
die technische Bestandsaufnahme und Reparaturplanung durchzuführen,
da mit seinem Text oft nach Preislöschung billigere Angebote eingeholt
werden (wofür dann der beteiligte Planer Honorar erhält);
- hat durch weitgehend industrialisierte Fertigungsmethoden keine technischen
Voraussetzungen mehr, qualifizierte Reparaturleistungen zu kalkulieren,
geschweige denn konstruktions- und materialgerecht durchzuführen;
- weiß, daß ihm bei neuen Fenstern mit Isolierscheiben ständig
Folgeaufträge blühen, wenn nach der Gewährleistungsfrist
die Scheiben durch Kondensat pflichtgemäß erblinden;
- tut sich also bei der Fenstererneuerung leichter, kann oft Industriefenster
gewinnbringend weiterverkaufen, verdient kurz- und langfristig mehr;
- droht deswegen mit den Scheinargumenten des Planers und empfiehlt den Fensteraustausch.
Der Denkmalpfleger
- hat zu wenig handwerklich und kostentechnisch
belegte Erfahrung und Argumentation gegen die zum Fensterverlust führenden Scheinargumente;
- führt als Ästhet und Geisteswissenschaftler seine Argumentation
nicht in der materialistischen Verständnisebene der sonstigen Beteiligten
und kann deswegen nicht überzeugen;
- unterschätzt den Einfluß der Architektenplanung, den denkmalgerechten Ansatz der HOAI und der VOB;
- will seine knappen Mittel vorzugsweise in Bauforschung, Restaurierung oder Baumaßnahmen ("denkmalpflegerischer Mehraufwand",
den es bei geschickter Erhaltungsplanung kaum geben dürfte) stecken
und hat keine brauchbare Förderstrategie für substanzbewahrende Reparaturplanung;
- ist letztlich froh, wenn er durch Einsatz von Denkmalpflegemitteln und
baurechtlichen Drohungen wenigstens Fenster aus Holz im runderneuerten
Denkmal erzwingt, auch wenn er damit indirekt die Vernichtung von
Bausubstanz fördert; dafür nimmt er oft unwissend auch die vielen
substanzgefährdenden Nachteile in Kauf, die durch den Einsatz modern dichter Konstruktionen dem Bestand drohen.
Kommt es durch seinen verstärkten Druck dennoch zur Reparatur der Altfenster, gibt es regelmäßig unsinnig teure Maßnahmen, da
- Bauforscher die Bestandsaufnahme als teuere "Inventardokumentation" ohne ausreichenden Praxisbezug für Planung und
VOB-Ausschreibung durchführen;
- ungeeignete Planungsmethoden zur freien, bestenfalls beschränkten
Vergabe mit zu hohen Angebotspreisen in engen, ebenfalls kartellgeneigten Bieterkreisen führen;
- unzureichende Bestandsaufnahmen ebenso unzureichende Ausführungsplanung
mit unvollständiger Leistungsbeschreibung und zu vielen teuren Nachträgen
erzeugt; die Nachtragsforderungen muß der Planer notgedrungen unterstützen,
da sonst seine mangelhafte Planung vom Auftragnehmer weiter thematisiert wird und er in Regreßpflichten gerät;
- wichtige handwerkliche Grundsätze nicht angewendet werden, da manche
Planer den Unterschied zwischen dauerhafter Reparaturtechnik und dem Einsatz
von modernen/genormten Pfuschkonstruktionen und -baustoffen ohne Langzeiteignung nicht kennen,
- Planer deswegen in der Leistungsbeschreibung keine ausreichende Qualität vorgeben;
- Bauherrn Qualität dann in der Vergabeentscheidung nicht ausreichend berücksichtigen können;
- Bauleiter in der Bauabwicklung die üblichen Betrugsmöglichkeiten
im Qualitätsbereich (undeklarierter Austausch aufwendiger aber
dauerhafter Bauarten und Baustoffe gegen Billiglösungen; minderwertige Ausführung)
mangels diesbezüglicher Planungsunterlagen, exakter Leistungsbeschreibung und eigener Kenntnisse nicht verhindern können.
Es geht aber auch anders. Davon soll hier berichtet werden.