Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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Wohnungsbestand und Wärmeschutz 3
(veröffentlicht in Wohnen, Zeitschrift der Wohnungswirtschaft Bayern, 2/2000, ergänzt)
Welche Nachteile ergeben sich bei der Leichtbauweise?
Infolge der einseitigen, stationären Sichtweise (gute Dämmung durch kleine k-/-UWerte) beeinflußt dieser bautechnische Trend zur Leichtbauweise mit Vollwärmeschutz durch Überheizung das Innenklima ungünstig. Dies führt automatisch zu unbehaglichen Wohnverhältnissen, die nur mit hohem apparativen Aufwand (Lüftungsanlage, Klimaanlage, Zwangslüftung) gemildert werden können. Barackenklima ist die natürliche Folge: Räume kühlen schnell aus und werden schnell heiß.
Die Abkehr von der Massivbauweise (Speicherung) und die Hinwendung zur U-Wert-minimierenden Leichtbauweise (Dämmung) bedeutet im Endergebnis einen erhöhten Energieverbrauch durch Kühlung im Sommer und Nichtnutzung solarer Energie im Winter, bedeutet verstärkte Umweltverschmutzung durch Sondermüll und erhöhte Schadensanfälligkeit durch Feuchteschäden. All diese Nachteile werden durch den monolithischen Massivbau vermieden.
Die Energieeinsparverordnung EnEV stellt die Weichen für das Bauen falsch, es gerät so auf das Abstellgleis.
Kann am Altbau mit Wärmedämmung Energie gespart werden?
Gegenwärtig beherrscht das stationäre Denken und Rechnen der etablierten Bauphysik den Gebäudewärmeschutz. Diese Einseitigkeit benachteiligt die Altbauten.
Eine Wärmedämmung aus Dämmstoff ist sehr leicht und deshalb nicht speicherfähig. Die große Dämmwirkung wird allein durch die k-Wert-Berechnung erreicht. Für Leichtkonstruktionen und Leichthäuser muß also Dämmstoff eingebaut werden.
Der traditionelle Altbau mit seiner schweren Bausubstanz besitzt eine hohe Speicherfähigkeit, die die kostenlos zur Verfügung stehende Solarstrahlung nutzbringend verwerten kann. Bei Altbauten kann also die Speicherfähigkeit der Konstruktion mit einbezogen werden, so daß sich aus der Berücksichtigung absorbierter Solarstrahlung "effektive" k-Werte ergeben, die sogar niedriger als stationär gerechnete "Superdämmungen" (Fassadendämmung/Fassadenisolierung, Innendämmung und Zwischensparrendämmung/Aufsparrendämmung) sein können. Massivbauten sind auch Niedrigenergiehäuser.
Insofern würde eine außen angebrachte Wärmedämmung nur den Vorteil einer speicherfähigen Wand beseitigen und diese dadurch energetisch entwerten, abgesehen von anderen Nachteilen wie z. B. die Verhinderung des Feuchtetransportes und der damit verbundenen Trocknung nach außen und/oder innen infolge sorptionsdichter Schichten.
Allerdings muß vorausgesetzt werden, daß es sich mindestens um 38 cm starke, ca. 300 kg/m² schwere Massivwände handelt, die selbst schon einen relativ günstigen Dämmanteil enthalten und den fehlenden Anteil zur "energiesparenden Konstruktion" dann durch die Speicherfähigkeit der Außenwand beisteuern. Wenn also instationär gedacht und gerechnet wird, dann ist eine Wärmedämmung beim Massivbau, also auch beim Altbau, fehl am Platz.
Diese Feststellung hat für den Altbau deshalb besondere Bedeutung, da jetzt die "Notwendigkeit" (?) proklamiert wird, den Altbaubestand infolge "schlechter k-Werte" energetisch "ertüchtigen zu müssen". Dies bedeutet dann erfahrungsgemäß die Verpackung mit Wärmedämmstoff, um niedrige k-Werte gemäß DIN 4108 berechnen zu können. Mit dieser Verpackungsstrategie in der Energieeinsparverordnung wird jedoch zusätzliche Energie kaum gewonnen.
Ist eine dichte Gebäudehülle am Altbau sinnvoll?
Die Luftdichtheit der den Innenraum umgebenden Bauteile (Wand, Decke) wurde schon seit jeher gefordert. Dies war notwendig, um Kondensat infolge Abkühlung der nach außen strömenden warmen Innenraumluft im Außenwandbauteil zu vermeiden.
Bei Massivbauten ist die Luftdichtheit immer gewährleistet (verputzte Außenwand und Massivdecke). Bei Skelettbauten jedoch läßt sich eine vollkommene Luftdichtheit konstruktiv-handwerklich nur schwer herstellen. Deshalb war es bei der Leichtbauweise bisher Stand der Technik, hinterlüftete Wand- bzw. belüftete Dachkonstruktionen zu wählen, damit eventuelles Kondensat ab- und weggelüftet werden konnte.
Mit der Abschaffung der belüfteten Konstruktion durch den "Vollwärmeschutz" entstehen bei Leicht- und Skelettkonstruktionen infolge der konstruktiv nicht immer zu vermeidenden Luftundichtheit Feuchteschäden durch Luftströmung. Die Bauschadensfälle nehmen rapide zu. Dies aber kennzeichnet die unbelüftete Leicht- und Skelettkonstruktion insgesamt als eine recht fragwürdige Konstruktion.
Anstatt nun bei solchen "windigen" Lösungen zur belüfteten Konstruktion zurückzukehren, wird die "Luftdichtheitsprüfung" geboren (wie immer wird ein Fehler durch einen zweiten Fehler zu beheben versucht). Zur Begründung werden nicht die zu erwartenden Feuchteschäden, sondern die damit zusammenhängenden Energieverluste genannt. Die durch Luftundichtheit entstehenden Energieverluste sind jedoch gegenüber dem notwendigen stündlichen Luftwechsel vernachlässigbar gering.
Zur Vervollständigung des Durcheinanders werden in der Energieeinsparverordnung nun "alle" Bauten mit der Luftdichtheitsprüfung konfrontiert, obgleich für Massivbauten, also auch für die Altbauten, die Gefahr einer Kondensatbildung im Außenwandgefüge nicht gegeben ist. Insofern bedeutet z. B. der Slogan "Luftdichtheit senkt den Energieverlust", mit dem Büros für die "Blower-Door-Messung" werben, eine Irreführung des Kunden. Allerdings eröffnet sich hier auch ein vielversprechender Markt, der bei Beachtung der "allgemein anerkannten Regeln der Technik" erst gar nicht entstanden wäre.
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