Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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In Power-Management + Intec, Zeitschrift für integratives Gebäudemanagement, USV-Technik, Energie- und Facility-Management erschien in Ausgabe 2, April 2000 der folgende Artikel (Abbildungen hier nicht dargestellt):
Widersprüche im Wärmeschutz 2
Fehlinterpretation
Diese Fehlentwicklung im Mauerwerksbau wird kurioserweise nun auch noch durch eine Fehlinterpretation der Thermografie scheinbar gestützt. Eine Infrarot-Kamera z. B. mißt die Wärmestrahlung, die maßgebend von der absoluten Temperatur der strahlenden Oberfläche abhängt. Je höher die Temperatur, desto höher die Strahlung. Dieses Naturgesetz wird in der Thermografie jedoch arg und listig fehlgedeutet. Infolge absorbierter Solarstrahlung werden bei Mauerwerk / Vollziegelmnauerwerk und Natursteinmauerwerk mit 24, 30, 36,5, 40, 48, 50, 60 und mehr cm Dicke Oberflächentemperaturen bis zu ca. 35 °C und mehr erreicht, die dann auch am nächsten Morgen gegenüber den dann schon lange weit unter den Taupunkt ausgekühlten, eiskalten Oberflächen z. B. eines Wärmedämmverbundsystems WDVS besonders intensiv strahlen. Und nun wird eilfertig geschlußfolgert: „Schlechte k-Werte/U-Werte bedeuten große Wärmeverluste“. Geflissentlich wird verschwiegen, daß die abgestrahlte Energie von der Sonne und nicht vom Heizsystem des Gebäudes stammt (siehe Abbildung 2). Selbst Greenpeace unterliegt diesem simplen Trick - und startet eine bundesweite Thermografie-Tour, um „Wärmelecks“ aufzuspüren – arme, bedauernswerte Aktivisten, die einer Mär auf den Leim gehen.
Wirtschaftlichkeitsgebot
Soll nun fälschlicherweise trotzdem ein Beharrungszustand angenommen werden, dann erfolgt die nächste Informationsselektion. Die Hyperbelform der k-Wert-Funktion (Hyperbelfunktion siehe Abbildung 3) katapultiert die im Wärmeschutz geforderten kleinen k-Werte in uneffiziente Bereiche. Die Nachhaltigkeit ist nicht mehr gegeben, weil zusätzliche Energie kaum noch eingespart werden kann - das ist unwiderlegbare Mathematik. Es ergeben sich bei unterschiedlichen Dämmstoffdicken folgende Wärmedurchgangskoeffizienten:
Die Verdoppelung der Dämmung führt zu einer Halbierung des k-Wertes.
Im Energieeinsparungsgesetz als Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß der Wärmeschutzverordnung werden Nachhaltigkeit und Effizienz zwingend gefordert (EnEG, § 5). Deshalb wird auch ständig behauptet, die Wirtschaftlichkeit sei gegeben. Rechnerische k-Werte von 0,5 bis 0,6 sind noch leicht und mit geringem Aufwand wirtschaftlich zu realisieren, dagegen bedeutet die konstruktive Umsetzung von kleineren k-Werten einen unverhältnismäßig hohen Aufwand, welcher zur Unwirtschaftlichkeit führt. Die großen Dämmstoffdicken sind nach dem EnEG somit gesetzwidrig, da sie nicht wirtschaftlich zu realisieren sind; wer etwas anderes zu beweisen versucht, präsentiert Mogelpackungen.
Gesetz geht vor Verordnung. Also muß sich der Planer gesetzestreu verhalten und Superdämmungen ablehnen; dies ist er gemäß Berufsordnung auch seinem Bauherren gegenüber schuldig. Seine Verordnungstreue kann er untermauern, indem er die Befreiung z. B. nach WSVO § 17 (EnEV § 24) "Härtefälle" beantragt. Man muß diesen Dämmwahn also nicht mitmachen.
Mit dem „Passivhaus“ von Feist werden Dämmstoffdicken von 40 cm Dämmstoff empfohlen. Überall läuft die Meinungsmanipulation auf vollen Touren, sie bedeutet jedoch eine exzellente Fehlinformation des Kunden.
Äpfel mit Birnen
In fast jedem Aufsatz über das Energiesparen heißt es: „Die Raumheizung umfaßt 30 % des Gesamtenergieverbrauches der BRD“. Dies stimmt nicht. Die Basis dieser 30 % (vielleicht auch besser 25 %) bilden die fünf „Endenergieverbrauchssektoren“:
Diese entsprechen etwa einem Drittel der „Gesamtenergie“ (einschließlich der Umwandlungsverluste). Damit schrumpfen die 30 % zu etwa 10 % zusammen (siehe Abbildung 4; Daten für die alten Bundesländer). Mit Statistik läßt sich trefflich manipulieren.
Gleichzeitig wird dann noch von einer 25 bis 30 % igen Energieeinsparung gesprochen, die bei Einführung der novellierten Wärmeschutzverordnung eintreten würde. Jeder Leser denkt nun: 25 bis 30% von 30 % , das ist doch eine gewaltige Menge. Mitnichten, denn die 25 bis 30 % beziehen sich auf das Anforderungsniveau der Verordnung; hier werden ganz simpel Äpfel mit Birnen verglichen. Die völlige energetische Belanglosigkeit einer Novellierung wurde bereits mit der Einführung der Wärmeschutzverordnung 1995 nachgewiesen. Bei einem Heizenergieverbrauch von ca. 2000 PJ pro Jahr erbringt der Sprung von der WSchVO 1982 zur WSchVO 1995 knapp 14 PJ; dies sind 0,7 %, also ein Nichts. Grafisch läßt sich der Gewinn überhaupt nicht darstellen – für fünf Jahre wären es dann rund 70 PJ; gegenüber dem Gesamtverbrauch ebenfalls ein Nichts, dafür müssen dann aber Mehrkosten von 25 Mrd. DM aufgebracht werden (siehe Abbildung 4).
Mit der EnEV 2000 wird gegenüber der WSchVO 1995 jedoch nominell noch weniger Energie und damit CO2 eingespart – hier dann wiederum von einer maßgebenden CO2-Entlastung der Umwelt zu sprechen, ist ein baupolitischer Skandal. Der Kunde wird in Sachen Energieeinsparung permanent falsch und irreführend informiert.
Mehrkostennutzenverhältnis
Bei der Einführung der Wärmeschutzverordnung 1995 hieß es: Damit werden bei nur 2 bis 4 % Mehrkosten etwa 30 % Energie eingespart. Man bedenke: Etwa 30 % Energieeinsparung für nur ca. 3 % Mehrkosten, wer ist da nicht begeistert?
Die absoluten Zahlen allerdings sind ernüchternd. Der durchschnittliche Heizenergiebedarf der WSchVO 1982 lag bei 150 kWh/m²a. Davon 30 % bedeuten 45 kWh/m²a bzw. 4,5 Liter Heizöl und damit etwa 2,70 DM/m²a Heizkosteneinsparung. Bei angenommenen 2000 DM/m² Baukosten (sehr niedrig angesetzt) würden 3 % dann 60 DM/m² Mehrkosten ausmachen. Das Mehrkostennutzenverhältnis (MNV) beträgt damit 60 : 2,70 = 22 und dies bedeutet das wirtschaftliche Fiasko. Jeder Betriebswirt kann dies bestätigen. Als wirtschaftlich gilt etwa ein MNV von 8 bis 12, als unwirtschaftlich ein MNV von ca. 15 und die Divergenz wird etwa mit einem MNV von 20 erreicht (Maßnahme amortisiert sich nie).
Die Unwirtschaftlichkeit der Gebäudehülle wird damit zum Normalfall – und dies schon bei der Wärmeschutzverordnung von 1995. Wieviel schlimmer wird es erst bei Einführung der EnEV 2000. Der Kunde wird nur gehörig zur Kasse gebeten, von Umweltentlastung kann jedoch keine Rede sein.
Weitere Fehleinschätzungen
Diese stationäre Betrachtungsweise im Gebäudewärmeschutz führt zu weiteren Unzulänglichkeiten und Absurditäten wie:
Fazit
Trotz dieser klaren Fakten sollen nach dem Willen der Bundesregierung wahre Dämmstoffhalden eingebaut werden, bar jeder bautechnischen Vernunft - und wer entsorgt eigentlich in Zukunft diesen Sondermüll?
Oft wird zur Durchsetzung dieser unwirtschaftlichen "Dämmstoffhäuser" als Druckmittel auch die Finanzierung mißbraucht; bei Unterschreitung der Anforderungen gibt es Fördermittel. Damit werden jedoch Steuergelder nutzlos verschwendet – zumindest nutzlos im Sinne einer Umweltentlastung. Auch Bußgelder (EnEV 2000, § 18) sind vorgesehen, um eine „Nichterfüllung“ in den Bereich einer Ordnungswidrigkeit zu rücken. Es wird alles unternommen, um diesen bautechnischen k-Wert-Unfug durchzusetzen. Die Wissenschaft bemüht sich dabei weniger um Erkenntnisse, sondern liefert lieber Bekenntnisse und konzentriert sich dabei mehr auf die Produktion Verwirrung stiftender Meinungen.
Weil all diese Gebäudedämmaktivitäten, die voller Widersprüche stecken, rational nicht zu begründen sind, werden in der Bevölkerung Ängste geschürt. Die Klimakatastrophe, der sorglose Lebensabend, das Ozonloch, die Überschwemmung weiter Landstriche, all dies muß herhalten, damit Geschäfte blühen, die, und das ist das Widersinnige und Betrügerische, auf diese „Bedrohungen“ der Umwelt kaum einen Einfluß haben. Wenn Naturgesetze, Mathematik und formale Logik ernst genommen werden, zeigt sich der angeordnete Wärmeschutz als ein mühsam errichtetes und krampfhaft abgestütztes Kartenhaus, das bei rationalem Denken und Handeln längst zusammengestürzt wäre. Die Täter-Opfer-Diskussion wird nicht ausbleiben.