Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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90449 Nürnberg
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Wärme- und Feuchteschutz beim Altbau - Theorie und Wirklichkeit 6
7. Tauwasser in der Konstruktion: Wärmedämmung / Fassadendämmung / Fassadenisolierung / Innendämmung / Zwischensparrendämmung / Dämmstoff
Der Tauwasserschutznachweis erfolgt nach dem Berechnungsverfahren in DIN 4108, Teil 5. Über die Sinnfälligkeit von "technischen Fortschreibungen" dieser Norm kann man durchaus geteilter Meinung sein.
1. Die DIN 4108 sagte in der Fassung von 1960 im Abschnitt 4.12 zum Tauwasser (Kondenswasser) noch folgendes:
"Bei geschichteten Außenbauteilen (Wänden und Decken) kann unsachgemäße Anordnung der Schichten zur Bildung von Tauwasser führen, das die Wärmedämmung [Fassadendämmung/Fassadenisolierung/Dachdämmung] ungünstig beeinflußt".
Man bedenke: Früher wurde Tauwasser in Bauteilen [Wand, Fassade, Bodendämmung, Dach, Zwischensparrendämmung, Aufsparrendämmung] noch als eine "unsachgemäße Konstruktion" angesehen, das die Wärmedämmung ungünstig beeinflußt. Heute dagegen ist Tauwasser im Bauteil gemäß DIN 4108, Teil 5 "Stand der Technik", besser jedoch "Stand der DIN". Was im Winter (!) kondensiert, muß im Sommer wieder ausdiffundieren; damit sei ja doch die "Jahresbilanz der Feuchte" ausgeglichen.
Welch technischer (und geistiger) Irrweg beim Bauen!
2. Die DIN 4108 sagt in Teil 5, Abschnitt 11.2.3 - Berechnung der Verdunstung -:
"Tauwasserausfall während der Verdunstungsperiode ist rechnerisch nicht zu berücksichtigen".
Diese vereinbarte Festlegung hat fatale Folgen [12], [13], [14]: Der falscheste bauphysikalische Schichtenaufbau mit Kondensatmengen, die selbst jahresbilanzmäßig nicht mehr ausdiffundieren, führt bei Anwendung der so formulierten DIN immer zu "nach DIN 4108 zulässigen Konstruktionen"!
Einschub: Erläuterte Bild-Beispiele für den Dämmirrsinn an der veralgten Wärmedäämmverbundfassade WDVS und in der durchnässten Dachdämmung / Zwischensparrendämmung!Man bedenke: Selbst unter der fragwürdigen Prämisse einer ausgeglichenen (?) Jahresfeuchtebilanz (feuchte Konstruktion im Winter, trockene dann wieder im Sommer) wird eine mit methodischen Fehlern durchsetzte, falsche Berechnung durchgeführt. Falsch nur deshalb, weil das auch im Sommer anfallende Kondensat "per Dekret" (bzw. per Vereinbarung) nun rechnerisch nicht berücksichtigt wird.
3. Kondensat in der Konstruktion entsteht immer nur dann, wenn der durch den gewählten Schichtenaufbau entstehende Wasserdampfteildruck (Partialdruck) größer wird als der Sättigungsdruck, der sich nach der Temperatur im Bauteil richtet. Die Temperaturverteilung wird jedoch nach DIN 4108, Teil 5 für den Beharrungszustand, der von konstanten Wärmestromdichten ausgeht, berechnet. Bei speicherfähigem Material wäre aber eine stationäre Behandlung falsch, da die Temperaturverteilung eine gänzlich andere ist (s. Instationäre Betrachtungsweise); beim rechnerischen Tauwassernachweis nach DIN für speicherfähige Wände handelt es sich also um exzellente Phantomrechnungen.
Es werden Regelungen in der DIN vorgeschlagen, die teilweise von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen und gegen Naturgesetze verstoßen. DIN fühlt sich offensichtlich mehr dem Marktgesetz einer Produkteinführung mit parallel beabsichtigter Gewinnmaximierung verpflichtet als dem Handwerker, dem Ingenieur und dem Kunden. Was dem Verbraucher hier zugemutet wird, entspricht nicht mehr einem vernünftigen Handeln.
Weiter: Kap. 7