Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
Neuendettelsauer Straße 39
90449 Nürnberg
Tel.: 0911/6897526 Fax: 0911/6897527
Niedrigenergie- und Passivhaus im Kreuzfeuer 8
Fakt Nr. 8:
Auch das grundsätzliche Auswechseln des Heizkessels wird als notwendig erachtet. Damit allerdings wird lediglich der Heizkesselbranche die Möglichkeit eröffnet, überall neue Heizkessel einbauen zu können – Geschäfte müssen auch hier durch novellierte Verordnungen forciert werden. Die beiden großen Zauberworte für diese Verkaufskampagne lauten: Abgasverlust und Wirkungsgrad. Was damit energetisch überhaupt erreicht wird und welche technischen Schwierigkeiten damit eingehandelt werden, davon ist nicht die Rede.
Je besser die Verbrennung ist (niedrige O2-Anteile und dadurch jedoch hohe CO2-Anteile), desto geringer sind die Abgasverluste; kurioserweise würde damit eine schlechte Verbrennung (!) den CO2-Ausstoß mindern – wäre das nicht ein hübscher CO2-Minderungsansatz?. Aber auch geringere Abgastemperaturen führen zu geringeren Abgasverlusten, so daß hohe CO2-Anteile und niedrige Abgastemperaturen die Abgasverluste mindern. Damit erreicht man auch höhere Wirkungsgrade.
Diese berechneten Werte beziehen sich auf einen Betriebszustand der Beharrung. Dieser Zustand wird in der Regel nach einer Brennzeit von einer halben bis zu einer Stunde erreicht, auf jeden Fall dann, wenn sich weder Temperatur noch der CO2-Gehalt der Abgase mehr verändern. Diese voraussetzende Randbedingung sollte ins Gedächtnis gerufen werden, wenn durch einen geringen Wärmebedarf der Brenner kleine Intervalle fährt.
Dieses Denkschema eines ”guten” Wirkungsgrades wird ohne Rücksicht auf die Bewohnbarkeit und die damit verbundenen Schäden durchgesetzt. Bei niedrigen Abgastemperaturen versotten die Schornsteine durch anfallendes Kondensat aus den schwefelhaltigen Rauchgasen. Der Zwang zu glasierten Tonrohren, Glasschornsteinen und zu nichtrostenden Stahlkaminen ist damit gegeben.
Daß sich hohe Abgastemperaturen sich langsam im gemauerten Schornstein abkühlen und damit eben auch Wärme ins Haus liefern, daran hat man genau so wenig gedacht wie bei der Formulierung in der Energieeinsparverordnung, in der die abgegebene Wärme des Verteilungsnetzes nicht als ”innere Wärmequelle” des Gebäudes, sondern als ”Verteilungsverluste” in die Bilanz mit eingehen. Jede Glühbirne wird als Energiequelle berücksichtigt, bei der Heizung jedoch wird anders entschieden – ein größeres Durcheinander gibt es kaum.
Da immer vom ”Gesamtsystem Haus” gesprochen wird, wäre es bei der Heizung deshalb auch richtiger, die Heizenergiebilanz nicht am Kesselende, sondern am Ende des Schornsteins durchzuführen; aber wie gesagt, durchdachte Lösungen und einsichtige Verfahren waren selten Bestandteil von Verordnungen, zumal meist mit heißer Nadel gestrickt wird, um schnell die ach so begehrten Umsatzsteigerungen zu ermöglichen und zu gewährleisten.
Zur Verbesserung des Wirkungsgrades wird nun der Brennwertkessel offeriert, der nun auch den Wasserdampf der Abgase durch Kondensatbildung noch energetisch ausnutzen soll. Dies funktioniert, wie oben schon erwähnt, besser auf dem Prüfstand als in der Praxis. Dadurch werden (theoretische) Wirkungsgrade von über 1 erzielt, da die ”genutzte Wärme” auf den unteren Heizwert bezogen wird.
Was kommt eigentlich bei Einsatz eines Brennwertkessels an Energiegewinn und Heizkosteneinsparung heraus?
Bei einem sogenannten “Passivhaus” mit 100 m² Nutzfläche, einem “gerechneten” Bedarf von 30 kWh/m²a und einem Jahreswirkungsgrad eines konventionellen Kessels von ca. 0,85 würde der Heizwärmebedarf insgesamt 3530 kWh/a ausmachen.
Wird nun der Wirkungsgrad durch Wahl eines Brennwertkessels auf etwa 1,04 gesteigert (in der Praxis wird dieser Wert kaum erreicht), dann reduziert sich der Heizwärmebedarf auf 2885 kWh/a. Die Differenz beträgt dann 645 kWh/a; dies entspricht einer Heizölmenge von rund 65 Litern und einer Heizkosteneinsparung von ca. 36 DM/a – für “Passivhaus-Fanatiker” sicher ein gewaltiger Vorteil. Bei einem für technische Geräte anzusetzenden Mehrkostennutzenverhältnis von 10 würden dies maximale Mehrkosten des Heizkessels von 360 DM bedeuten. Dies ist eine technische Utopie. Die Kunden werden mit dem Schlagwort “Brennwertkessel” wiederum permanent zum Narren gemacht, aber nicht nur die, auch Politiker haben keine Ahnung.
Mit dem Wirkungsgrad-Dogma und der Abgasverlust-Parole werden auf dem Heiztechniksektor auch wieder nur die Zahlenden in ein finanzielles und bautechnisches Risiko gedrängt. Auch Steuergelder werden dabei vergeudet; der Staat wird ausgeplündert.