Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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90449 Nürnberg
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Wohnungsbestand
und Wärmeschutz 4
(veröffentlicht in Wohnen, Zeitschrift der
Wohnungswirtschaft Bayern, 2/2000)
Kann eine Wärmedämmung den Altbau schädigen?
Bauschäden durch Kondensat wie Schimmelpilz innen und Algenbildungen außen treten in der Praxis verstärkt auf. Die Therapievorschläge führen immer zu „besseren Dämmungen“. Damit werden jedoch nicht die Ursachen der Bauschäden beseitigt.
Kondensat entsteht immer nur dann, wenn Luft auf die Taupunkttemperatur abgekühlt wird. Diese jedoch wird maßgebend von der relativenFeuchte der Luft bestimmt. Dies widerlegt das Argument, die Ursache einer Kondensatbildung sei vor allem eine mangelhafte Wärmedämmung mit zu geringer Wandoberflächentemperatur. Nicht der k-Wert ist schuld, sondern die zu hohe relative Luftfeuchtigkeit. Selbst eine "sehr gute" Dämmung kann bei hoher Luftfeuchtigkeit eine Kondensatbildung nicht verhindern.
Alte Bausubstanz aus Gründen der Kondensatvermeidung mit Dämmstoff zu verpacken, wäre also der falscheste Weg, da die viel gravierendere Ursache der Kondensatbildung, die hohe relative Feuchte der Raumluft infolge dichter Fenster, damit nicht beseitigt wird.
Die Nachteile wären:
- Mit einer Außendämmung wird die energiebringende und damit temperaturausgleichende Solarstrahlung von der Bausubstanz ferngehalten. Es wird die dankenswerterweise kostenlose äußere Energieversorgung gekappt.
- Auch eine Innendämmung zieht Feuchteschäden magisch an, da das Temperaturgefüge nachteilig beeinflußt wird; man muß mit Dampfsperren arbeiten, die wiederum das Sorptionsvermögen der Außenwände stark beeinträchtigen.
Die Bauschadensträchtigkeit dämmstoffverpackter Fassaden ist hoch. Auf die besonderen Brandgefahren sei extra hingewiesen.
Mit der Verwendung von Dämmstoff besteht im Altbau die große Gefahr, durch damit verursachte Bauschäden wertvolles Bausubstanz zu gefährden, wenn nicht sogar zu zerstören. Am Massivbau hat Wärmedämmstoff keine Daseinsberechtigung.
Noch ein wichtiger Hinweis zur Kondensatbildung:
Da die Raumlufttemperatur bei einer Strahlungsheizung immer niedriger als die Wandtemperatur ist, wird Kondensatbildung konsequent vermieden. Schimmelpilzbildung entsteht also nur bei Konvektionsheizungen.
Gehen von Wärmedämmungen Gesundheitsgefahren aus?
Wenn von Gesundheitsgefahren die Rede ist, dann gehen die Meinungen weit auseinander. Bedeutet Gesundheit das Fehlen einer Krankheit oder kann Gesundheit mit Wohlbefinden gleichgesetzt werden? Führt die Summe vieler Einbußen im Wohlbefinden eventuell zur Krankheit und wie reagieren die Allergiker? Trotz dieser Vielschichtigkeit und schwierigen Begriffsbildung kann festgestellt werden:
Faserige Mineraldämmstoffe stehen im Verdacht, Lungenkrebs zu fördern. Das Dementi der Industrie kam prompt.
Die erhöhte Brandgefahr von Wärmedämmverbundsystemen aus Hartschaum und die damit verbundene Gefährdung durch toxische Gase steht außer Zweifel. Die gesteuerten Energiespardiskussionen umgehen jedoch dieses Thema.
Die nachträgliche energetische Sanierung einer Altbausubstanz durch ein Wärmedämmverbundsystem führt zu Veränderungen im Innenraumklima. Es dominiert das Gefühl der Feuchte - es muß deshalb verstärkt gelüftet werden. Mit dem Aufbringen von Dämmstoffen an alter Bausubstanz wird das Sorptionsverhalten wesentlich verändert, da die notwendigen Sorptionseigenschaften fehlen. Die Transportrichtung von Wärme und Feuchte muß immer gleich sein. Wird die Feuchte infolge sorptionsdichter Außenschichten nach innen abgegeben, dann ist falsch konstruiert worden.
Gerade die Sorptionseigenschaften einer massiven Außenschale tragen zum Wohlbefinden bei. Das hohe Temperaturniveau infolge absorbierter Solarstrahlung führt zu verstärkten diffusiven und kapillaren Feuchtetransporten nach außen. Die Außenkonstruktion bleibt dann auch bei erhöhten Feuchtebelastungen trocken.
Bei übermäßiger Feuchteproduktion (Kochen in der Küche, Duschen im Bad, viel Blumen und ein Aquarium im Wohnzimmer) nehmen sorptionsfähige Schichten (z. B. Kalkputz, Holzverkleidungen) die Feuchtespitzen auf und puffern diese ab; es findet ein Ausgleich der relativen Feuchten zwischen Raumluft und Wandoberfläche statt.
Ähnlich verhält sich eine speicherfähige Innenoberfläche auf thermische Spitzen. Erfolgt eine Überhitzung des Raumes, dann bauen absorptionsfähige Oberflächen die erhöhten Temperaturen ab, es findet ein Temperaturausgleich statt.
Fehlen sorptionsfähige Oberflächenmaterialien im Raum, dann muß für die Wohngesundheit mit hohem technischen Aufwand und viel Geld Ersatz für die nicht vorhandenen günstigen Materialeigenschaften geschaffen werden: Überheizung muß mit Kühlung, eine hohe Raumluftfeuchte mit Lüftungs- bzw. Klimaanlage begegnet werden - beides zwar technisch machbar, aber für den Normalfall nicht empfehlenswert. Anschaffung und Betrieb wären zu kostenaufwendig.
Das Schallverhalten einer Außenwand kann durch eine Wärmedämmverbundsystem ungünstig beeinflußt werden, die Schalldämmung wird verschlechtert.
Die psychologischen und physiologischen Auswirkungen "neuer Bauweisen" werden nur recht zaghaft zur Diskussion gestellt. In diesem Zusammenhang muß das "Sick-Building-Syndrom" erwähnt werden. Altbausubstanz kennt diese Gefahren nicht.
Die Energieeinsparverordnung nimmt auf all diese wichtigen und entscheidenden Dinge keine Rücksicht.
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