Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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90449 Nürnberg
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Rechtliche
Randbedingungen des Gebäudewärmeschutzes 2
(veröffentlicht in bausubstanz 1/2000)
DIN-Normen
Im Bauvertragsrecht spielen die DIN-Normen erst dann eine Rolle, wenn sie als Vertragsbestandteil besonders vereinbart werden. Allerdings muß bei der technischen Umsetzung von DIN-Normen damit gerechnet werden, daß die Beachtung der DIN-Normen zu fehlerhaften, aber auch die Nichtbeachtung von DIN-Normen zu fehlerfreien Lösungen führen können. Diese Aussage mag überraschen, wird aber durch folgende Feststellungen verständlich:
DIN ist ein Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft und seit über 75 Jahren privatrechtlich organisiert. Im Vorspann von zusammengefaßten DIN-Normen steht in den Hinweisen für den Anwender:
"DIN-Normen sollen sich als anerkannte Regeln der Technik einführen. Bei sicherheitstechnischen Festlegungen in DIN-Normen besteht überdies eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sie "anerkannte Regeln der Technik" sind. DIN-Normen sind nicht die einzige, sondern eine Erkenntnisquelle für technisch ordnungsgemäßes Verhalten im Regelfall. Durch das Anwenden von Normen entzieht sich niemand der Verantwortung für eigenes Handeln. Jeder handelt insofern auf eigene Gefahr".
Deutlicher kann die Unverbindlichkeit von DIN-Normen nicht charakterisiert werden. Trotzdem versucht DIN den Eindruck zu erwecken, eine a. a. R. d. Bt. zu sein, scheut sich aber offensichtlich vor der Verantwortung. In einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht u.a. [4]:
"Daneben gehören den Normausschüssen des DIN aber auch Vertreter bestimmter Branchen und Unternehmen an, die deren Interessenstandpunkte einbringen. Die Ergebnisse ihrer Beratungen dürfen deshalb im Streitfall nicht unkritisch als geronnener Sachverstand oder als reine Forschungsergebnisse verstanden werden".
Und weiter:
"Andererseits darf aber nicht verkannt werden, daß es sich dabei zumindest auch um Vereinbarungen interessierter Kreise handelt, die eine bestimmte Einflußnahme auf das Marktgeschehen bezwecken".
DIN-Normen (und jetzt Euro-Normen EN) sind industrie- und wirtschaftsorientiert. Demzufolge haben sich "fortentwickelte Normen" oft auch als fehlerhaft und falsch erwiesen. Auch die DIN 4108 "Wärmeschutz im Hochbau", Teil 5, z. B. enthält bei den Diffusionsberechnungen einen methodischen Fehler, der zu ganz fatalen Ergebnissen führt.
Der Satz: "Tauwasserausfall während der Verdunstungsperiode ist rechnerisch nicht zu berücksichtigen" bescheinigt jedem, auch einem bauphysikalisch völlig falsch aufgebauten Flachdach die "Unschädlichkeit" einer Tauwasserbildung. Falsche Konstruktionen werden somit nicht erkannt, im Gegenteil, sie werden durch DIN legitimiert.
Bei der Unverbindlichkeit der DIN-Normen ist auch der Versuch der EnEV 2000 bedenklich, Normen nun auf dem Verordnungswege zu a. a. R. d. T. umfunktionieren zu wollen; das rechtliche und fachliche Durcheinander wäre vollkommen [2].
Wegen übertriebener Kooperation mit der Wirtschaft, des großen lobbyistischen Einflusses der Industrie und der daraus resultierenden technischen Fehler in der DIN müssen die DIN-Vorschriften mit großer Zurückhaltung und Vorsicht angewendet werden. Mehr Verlaß ist auf die a. a. R. d. Bt, die sich von der Bindung der Industrie lösen sollten; allerdings hängen sie unverständlicherweise oft im repressiven Schlepptau der DIN-Normen.
Dies drückt sich auch in Urteilen des Bundesgerichtshofes aus:
BGH, Urteil vom 14.05.1998
Luftschallschutz: Wann liegt Mangel vor?
BGB § 633 (Mangelbeseitigung). [IBR 1998, Privates Baurecht, S. 376]
Der BGH wendet sich gegen die DIN-Gläubigkeit vieler Baubeteiligter. Es kommt in erster Linie nicht auf die Einhaltung der DIN-Normen an; wichtig ist:
(1) Welches Schalldämm-Maß haben die Parteien vereinbart?
(2) Aus der bloßen Beachtung der DIN-Normen folgt noch nicht, daß damit auch die anerkannten Regeln der Technik genügt ist.
Gibt es keine Vereinbarung, so kommt es auf die anerkannten Regeln der Technik an.
Fazit: In der juristischen Rangfolge kommen zunächst eventuelle Vereinbarungen, dann die anerkannten Regeln der Technik. DIN-Normen spielen für die Beurteilung insofern nur eine untergeordnete Rolle. BGH, Urteil vom 14.05 1998
Welche Bedeutung haben DIN-Normen?
BGB § 633 (Mangelbeseitigung). [IBR 1998, Privates Baurecht, S. 377]
Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben. Nach BGH kommt es auf die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik an. Diese dürfen keineswegs mit den DIN-Normen identisch gesetzt werden. Die Mangelfreiheit kann nicht ohne weiteres einer DIN-Norm entnommen werden. Maßgebend ist nicht, welche DIN-Norm gilt, sondern ob die Bauausführung zur Zeit der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Fazit: Selbst bei Einhaltung der gültigen Norm besteht ein Mangel, wenn die anerkannten Regeln der Technik nicht eingehalten werden. Vorsicht also bei der Anwendung von DIN-Normen. Energieeinsparungsgesetz
Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß der Wärmeschutzverordnungen, das Energieeinsparungsgesetz (EnEG), enthält im §5 (1) das Wirtschaftlichkeitsgebot, im §5 (2) das Härtefallgebot:
(1) "Die in den Rechtsverordnungen ... aufgestellten Anforderungen müssen ... wirtschaftlich vertretbar sein. Anforderungen gelten als wirtschaftlich vertretbar, wenn generell die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können."
Fazit: Damit kann das Fazit gezogen werden, daß unwirtschaftliche Energiesparmaßnahmen gesetzwidrig sind; sie können - und müssen - unterbleiben. Die Auslegung des § 5 (1) läßt keine andere Schlußfolgerung zu. (2) "In den Rechtsverordnungen ist vorzusehen, daß auf Antrag von den Anforderungen befreit werden kann, soweit diese im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen".
Dieser Absatz (2) findet sich deshalb im § 14 der Wärmeschutzverordnung 95 und auch im Entwurf der EnEV § 17 "Härtefälle" wieder und ermöglicht eine Befreiung [8].
Voraussetzung hierfür ist der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit. Da in der Mehrzahl die k-Wert-/U-Wert-Anforderungen an den Wärmeschutz unwirtschaftlich sind, kann fast von einem generellen Zwang zur Befreiung nach § 14 WSchVO 1995 ausgegangen werden. Die Anforderungen in der WSchVO 1995 und dann besonders die der EnEV 2000 sind gemäß Energieeinsparungsgesetz EnEG schlicht und einfach gesetzwidrig. Der Grund liegt in der mathematisch bedingten Hyperbeltragik des k-Wertes. Die Effizienz nimmt bei kleinen k-Werten quadratisch ab, Superdämmungen sind somit hinausgeworfenes Geld, das ist Mathematik [9].
Auch hierzu gibt es ein BGH-Urteil:
Muß Architekt die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes optimieren?
BGB § 634 (Wandelung und Minderung nach Fristablauf), § 635 (Schadensersatz).
[IBR 1998, Architekten und Ingenieurrecht, S. 157]
Ein Mangel des Architektenwerks kann vorliegen, wenn übermäßiger Aufwand getrieben wird. Sofern die Nutzflächen und Geschoßhöhen nicht den Vorgaben entsprächen, könne die Planung mangelhaft sein. Das gleiche gelte, wenn bei der Wärmedämmung oder der Dachkonstruktion überflüssiger Aufwand betrieben worden sei. Eine unwirtschaftliche Planung könne auch dann mangelhaft sein, wenn sie sich im Rahmen der vorgegebenen Kosten halte.
Fazit: Entscheidend ist also die Wirtschaftlichkeit einer Baukonstruktion (Vermeidung übermäßigen Aufwandes). Ist die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben, kann die Planung mangelhaft sein - mit allen Konsequenzen (Minderung des Werklohnes).
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