Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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Wohnungsbestand und Wärmeschutz 7
(veröffentlicht in Wohnen, Zeitschrift der Wohnungswirtschaft Bayern, 2/2000)
Dämmstoff ist also angesagt, Speicherung dagegen wird negiert.
Besonders ist hier zu nennen: Wenn der Außenputz bei einem Bauteil mit einem k-Wert ( 0,9 W/m²K, also einer massiven, speicherfähigen Konstruktion, erneuert wird, dann gilt ebenfalls ein k-Wert von 0,35 W/m²K.
Die Protagonisten dieser EnEV kennen also nur Dämmstoff. Ein Altbau muß also verpackt und damit von der Solarstrahlung abgekoppelt werden - ein bautechnischer Nonsens. Was dies mit "Nutzung der Solarenergie" zu tun hat, wissen nur die "k-Wert-Dogmatiker" mit ihrem Beharrungsdenken.
b) Keller:
Wenn für Wände und Decken gegen unbeheizte Räume und gegen Erdreich k-Werte von 0,4 bzw. 0,5 W/m²K gefordert werden, dann liegen diese Werte jenseits der Wirtschaftlichkeitsschwelle. Infolge der vorliegenden geringeren Temperaturdifferenz zwischen innen und außen sind diese k-Werte/U-Werte weit überzogen.
c) Dächer:
Auch bei Steil- und Flachdächern (k-Werte von 0,30 bzw. 0,25 W/m²K) wird der Wirtschaftlichkeitsnachweis als ausgeglichener Vergleich der Energiesparinvestition mit den diese in 10 Jahren amortisierende/refinanzierende Energieeinsparungen) nur schwer zu führen sein. Auch müssen die konstruktiven Schwierigkeiten bedacht werden, die mit der Erfüllung dieser Anforderungen einhergehen. Es müssen also die Vollkosten angesetzt werden, inklusive der erhöhten Instandstzungsaufwendungen wegen der vielen Bauschäden infolge der allnächtlichen Taupunktunterschreitung, Feuchteaufnahme und Rißbildung wegen zu hoher Temperaturdehnung der Dämmstoffe / Fassadendämmung!
Da kleine k-Werte wegen der zu geringen zusätzlichen Energieeinsparung immer zur Unwirtschaftlichkeit führen, muß im Normalfall davon ausgegangen werden, sich durch die in der EnEV enthaltenen Möglichkeiten von diesem Dämmdiktat befreien zu lassen.
Welche Konsequenzen sind zu ziehen?
Bei der Brüchigkeit des gesamten EnEV-Gefüges muß die ganze Aufmerksamkeit verstärkt den Möglichkeiten gewidmet werden, sich durch Befreiungen dem Diktat dieser EnEV zu entziehen.
Zu § 16 Ausnahmen
Absatz (1) lautet:
"Soweit bei Baudenkmälern oder sonstiger besonders erhaltenswerter Bausubstanz die Erfüllung der Anforderungen dieser Verordnung das Erscheinungsbild beeinträchtigen oder zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand führen würde, lassen die nach Landesrecht zuständigen Stellen Ausnahmen zu".
Ein unverhältnismäßiger Aufwand in der Erfüllung der Anforderungen besteht ohne Zweifel darin, wenn dies nur durch unwirtschaftliche Konstruktionen zu erreichen ist. Dann stehen einem die Ausnahmen rechtlich zu.
Absatz (2) lautet:
"Soweit durch andere als in dieser Verordnung vorgesehene Maßnahmen die Ziele dieser Verordnung im gleichen Umfang erreicht werden, lassen die nach Landesrecht zuständigen Stellen auf Antrag Ausnahmen zu. In einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt werden, unter welchen Bedingungen die Voraussetzungen nach Satz 1 als erfüllt gelten".
Dieser Absatz besteht aus zwei Sätzen. Die Anwendung des Satzes 1 bietet u. a. auch die Möglichkeit, durch Berücksichtigung des Speichervermögens einer Außenwand die stationären k-Werte durch einen Bonus-Anteil zu verringern. In der Fachliteratur ist dies als Solargewinnfaktor bekannt. Dieses Vorgehen wird durch Heizenergieverbrauchsanalysen von Altbauten untermauert, ist fachlich-technisch legitim und würde die Erfüllung der Anforderungen nachweisen.
Zu § 17 Härtefälle
Bei der grundsätzlichen Schieflage der gesamten EnEV wird diese selbst zum Härtefall.
Der Text des § 17 lautet:
"Die nach Landesrecht zuständigen Stellen können auf Antrag von den Anforderungen dieser Verordnung befreien, soweit die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen."
Hier wird es deutlich gesagt: ein unangemessener Aufwand ist eine unbillige Härte. Wenn also gemäß der Forderung des EnEG die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen werden kann, dann muß auf Antrag befreit werden. Diese rechtliche Möglichkeit kommt bei der Umsetzung der Anforderungen fast immer zum Tragen und sollte konsequent im Interesse der Bauherren ausgeschöpft werden.
Zu § 18 Bußgeldvorschriften
Interessanterweise werden die Bußgeldvorschriften erst nach Fertigstellung des Entwurfes formuliert. Offensichtlich sollen noch nicht alle Karten
des vorliegenden bautechnischen Zwanges auf den Tisch gelegt werden.
Immerhin sind die bisherigen Wärmeschutzverordnungen ohne Zwangsmaßnahmen ausgekommen. Mit dem stetigen Verschärfen des
Anforderungsniveaus erreicht man jedoch Dämmbereiche, die gegenüber dem Bauherrn
keineswegs mehr zu verantworten sind - Unwillen und Widerstand macht sich allgemein bemerkbar. Insofern ist es schon recht erstaunlich,
daß nun Bußgeldvorschriften mit Strafen/Bußen bis zu 50.000 EUR die Beteiligten gefügig machen sollen.
Dabei wären Gespräche mit den kritischen Stimmen viel hilfreicher und von so eminent wichtiger Bedeutung.
Schlußbemerkung
Das Unverständnis beim Anwender, beim Endverbraucher bleibt nicht aus! Irrende Methodik und daraus resultierende Ungereimtheiten verbunden mit verwirrenden Berechnungen werden dazu führen, daß immer mehr immer weniger verstehen werden.
Es handelt sich bei der EnEV 2000 (und auch ihre inzwischen erlassenen Novellierungen EnEV 2007, EnEV 2009 ff.) um ein bürokratisch-administratives Mammutwerk, das nicht mehr praxisgerecht gehandhabt werden kann.
Eine generelle methodische und inhaltliche Überarbeitung ist vonnöten.
Wenn man bedenkt, daß die erste Wärmeschutzverordnung von 1977 noch mit ca. 8 Seiten, die Wärmeschutzverordnung von 1982 dann mit 11 Druckseiten auskamen, dann kann man ermessen, daß die jetzige Fassung mit 29 Seiten sowie zitierten Normen mit über 70 Seiten jegliche Praktikabilität sprengt, zumal auch noch auf Normen hingewiesen wird, die erst im Entwurf vorliegen.
Zusammenfassend muß gesagt werden:
Diese Energieeinsparverordnung muß in der vorgelegten Form aus Gründen der Intention, der Methode, des Inhalts, des Umfangs, der Wirtschaftlichkeit, der Baukonstruktion, der Ökologie (Dämmstoffentsorgung) sowie der Wohnhygiene abgelehnt werden.
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