Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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90449 Nürnberg
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Wärme- und Feuchteschutz beim Altbau - Theorie und Wirklichkeit 4
3. Oberflächenkondensat
Schimmelpilzbildung / Schimmel/ Schimmelpilze / Schimmelpilzbefall tritt verstärkt auf. Verantwortlich dafür ist die Kondensatbildung auf der Innenoberfläche der Außenwände. Was sind die Ursachen hierfür ?
Kondensat als Naturgesetz
Die Aufnahmefähigkeit von Wasserdampf hängt von der Temperatur der Luft ab. Warme Luft kann mehr aufnehmen als kalte Luft. Kondensat entsteht also immer nur dann, wenn Raumluft abgekühlt wird. Das Molliersche Diagramm, das in jedem Heizungslehrbuch enthalten ist, zeigt die naturgesetzlichen Zusammenhänge zwischen Temperatur (o C), rel. Feuchte (%) und Wasserdampfgehalt (g/kg tr.L.). Anschaulicher wird die Grafik, wenn der Wasserdampfgehalt statt in g/kg tr.L in g/m³ angegeben wird; Die Unterschiede sind nicht allzu gravierend. In [12] wird eine diesbezügliche Abbildung gezeigt, die beispielhaft folgenden Sachverhalt beschreibt: Eine 20 °C warme Luft mit 60% rel. Feuchte enthält 10,5 g/m³ Wasserdampf. Wird diese Luft auf 12 °C abgekühlt, entsteht eine rel. Feuchte von 100%, die Luft ist gesättigt. Bei weiterer Abkühlung würde der überschüssige Wasserdampf kondensieren.
Hier schon wird erkennbar, daß normale Raumluft immerhin um rund 8 K abgekühlt werden muß, um Kondensat zu bilden. Dies widerlegt das Argument, bei Kondensatbildung sei v.a. der schlechte k-Wert und eine unzureichende Wärmedämmung mit zu geringer Oberflächentemperatur die Ursache.
Kühle oder kalte Luft, selbst von 80%, enthält wenig Wasserdampf (3 bis 5 g/m³). Wird diese auf 20 °C erwärmt, dann wird daraus eine rel. Feuchte von rund 20 bis 30%. Diese Luft ist in der Lage, Flächen, die als Feuchtepuffer dienten, durch Feuchteausgleich wieder zu entfeuchten.
Dies ist der Grund, weswegen zur Entfeuchtung durchfeuchteter Wände im Winter gelüftet werden muß - und nicht im Sommer.
Fazit: Entscheidend für die Bildung von Oberflächenkondensat ist weniger die "schlechte" Dämmung als vielmehr die Feuchtigkeit der Innenraumluft. Selbst eine "sehr gute" Dämmung kann bei hoher Luftfeuchtigkeit eine Kondensatbildung nicht ausschließen. Und eine dank Dispersionsanstrich und Kunstharzputz nicht ausreichend sorptionsfähige Oberfläche der Putze an Wand und Decke (Deckenputz, Wandputz) kann dann das einkondensierende Tauwasser nicht ausreichend absaugen und bis zum nächsten Ablüften abpuffern.
4. Luftheizung/Konvektionsheizung - Strahlungsheizung/Hüllflächentemperierung
Das Natürlichste ist eine Strahlungsheizung; (im Haus mit reinen Wärmestrahlplatten als Heizkörper) sie funktioniert als Solarstrahlung schon seit ewig, der Mensch hat sich konstitutionell darauf eingestellt. Das Bedeutsame ist jedoch, daß Strahlung keine Luft erwärmt, sondern nur Materie - z.B. die Innenoberflächen eines Raumes. Bei einer Strahlungsheizung profitiert also die Luft erst aus "Zweithand", indem die Wand durch Wärmeübergang die berührenden Luftschichten erwärmt. Die Raumlufttemperatur ist demzufolge immer niedriger als die Wandtemperatur - im Gegensatz zur Luftheizung/Konvektionsheizung, bei der die Raumlufttemperatur dank der Übertemperatur aus dem Heizluft-Konvektor/Konvektionsheizkörper mit Luftschacht in strömungsbegünstigender "Kaminbauweise", Wärmeleitblech/Wärmeverteillamellen und Abdeckgitter immer höher ist, als die Wandtemperatur.
Fazit: Feuchteschäden und damit Schimmelpilzbildung durch Kondensat sind nur bei einer Konvektionsheizung möglich. Dagegen wird bei einer Strahlungsheizung / Hüllflächentemperierung eine Kondensatbildung an den Innenoberflächen ausgeschlossen; da die Wandtemperatur höher als die Lufttemperatur ist.
Wenn nun neben dem Unterschied Konvektionsheizung und Strahlungsheizung auch noch der grundsätzliche Unterschied zwischen stationärer Betrachtung mit konstanten Wärmeströmen und instationärer Betrachtung mit unterschiedlichen Wärmeströmen (in Größe und Richtung) in die energetischen Überlegungen mit einbezogen werden, dann wird von diesen vier möglichen empirischen Modellen zur Beschreibung der Realität nun gerade dasjenige der DIN 4108 ausgewählt, das am meisten von der Realität abweicht und darüber hinaus noch für den Menschen am unangenehmsten ist: das Modell "Stationär mit Konvektion".
Vernünftiger, sinnvoller, wahrheitsgemäßer und gesünder wäre dagegen das Modell: "Instationär mit Strahlung".
5. k-Wert und relative Feuchte
Die Notwendigkeit, zur Vermeidung von Kondensat die Oberflächentemperatur festzulegen, beschränkt sich nur auf eine konvektive Heizung. Unter diesen Voraussetzungen wird der funktionelle Zusammenhang zwischen Außentemperatur, Innentemperatur, rel. Feuchte und dem k-Wert wichtig.
In [12] wird eine Abbildung gezeigt, die folgenden Sachverhalt beispielhaft kennzeichnet:
Bei einer Innentemperatur von 20o C, einer Außentemperatur von -10o C und einer rel. Feuchte von 60% genügt ein k-Wert von knapp über 2,0 W/m²K, um Oberflächenkondensat zu vermeiden. Dies bestätigt die in DIN 4108, Teil 2, Tab. 1 genannten Maximalwerte (1,32 bis 1,56 W/m²K), die Feuchteschäden durch Oberflächenkondensat verhindern. Dies zeigt aber auch, daß auf die Schimmelpilzbildung der k-Wert kaum einen Einfluß hat; viel entscheidener ist die rel. Feuchte:
Bei gleichen Außen- und Innentemperaturen tritt selbst bei einem k-Wert von 0,5 W/m²K Kondensat auf, wenn die rel. Feuchte auf über 85% ansteigt. Auch sogenannte Wärmebrücken führen bei normalen Raumfeuchten deshalb nicht zu Feuchteschäden.
Weiter: Kap. 5