Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
Neuendettelsauer Straße 39
90449 Nürnberg
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Niedrigenergie- und Passivhaus im Kreuzfeuer 4
Fakt Nr. 3:
In unseren Breitengraden liegen wegen der 24-stündigen Solarstrahlungs-Periode ständig instationäre Verhältnisse vor. Eine speicherfähige Außenwand vereinnahmt wertvolle Sonnenenergie kostenlos und stoppt den stationären Transmissionswärmeverlust von innen nach außen; Dies ist der bedeutsame Vorteil einer massiven Außenwand. Die Heizungsanlage wird dadurch entscheidend entlastet, wesentliche Einsparungen sind die Folge. Damit spielt die Speicherfähigkeit einer Außenkonstruktion bei der Energiebilanz eine wesentliche Rolle – trotz gegenteiliger Behauptungen der unzähligen ”Dämmfanatiker”.
Die Transmissionswärmeverluste der Außenhülle werden bei den Berechnungen ausschließlich durch den k-Wert repräsentiert, der jedoch nur für den Beharrungszustand, für stationäre Verhältnisse gilt. Die Realität ist aber immer instationär, nur Klimakammern können stationäre Verhältnisse simulieren. Was uns vorgesetzt wird, ist also exzellente, jedoch unzutreffende Klimakammerphysik.
Es ist deshalb immerhin recht bemerkenswert, daß Hauser, selbst ein Protagonist der Superdämmungs-Leichtbauweise, einmal festgestellt hat:
"Folgendes ist vorauszuschicken: der k-Wert eines Bauteils beschreibt dessen Wärmeverlust unter stationären, d. h. zeitlich unveränderlichen Randbedingungen. Die Wärmespeicherfähigkeit und somit die Masse des Bauteils geht nicht in den k-Wert ein. Außerdem beschreibt der k-Wert nur die Wärmeverluste infolge einer Temperaturdifferenz zwischen der Raum- und der Außenluft. Die auch während der Heizperiode auf Außenbauteile auftreffende Sonneneinstrahlung bleibt unberücksichtigt".
Wenn Leute nur das, was sie einmal gesagt haben, nicht ständig wieder vergessen würden, wäre im Disput um den Gebäudewärmeschutz schon vieles gewonnen.
Es gibt ein einfaches Merkmal zur Unterscheidung: Geradlinige Temperaturverteilungen signalisieren stationäres Verhalten, kurvige Temperaturverteilungen beschreiben instationäres Verhalten. Speicherfähiges Material und geradlinige Temperaturverteilung sind somit unvereinbar – dies aber geschieht in der Bauphysik immer und ständig. Auch die DIN-Normen gehen vom Beharrungszustand, von geradlinigen Temperaturverteilungen aus. Insofern sind in der Bauphysik, wenn speicherfähiges Material verwendet wird, die ”Energieberechnungen” mittels k-Wert schlichtweg falsch.
Es gibt in der Natur nur eine Möglichkeit, ein stationäres Verhalten anzunehmen: Dies ist die speicherlose Konstruktion, die es aber auch nicht gibt, denn Leicht- und damit besonders Dämmkonstruktionen sind lediglich sehr speicherarm. Insofern würde in einem solchen Falle der k-Wert hier zwar annähernd stimmen, wenn nicht durch Wärmebrückeneffekte und Solareinstrahlung wiederum alles auf den Kopf gestellt wird.
Trotzdem wird nur die ”maximal gedämmte” Konstruktion propagiert und auch konsequent von Industrie, Wissenschaft und Politik durchgesetzt, mit all ihren nachweisbar entscheidenden Nachteilen.
Heindl schreibt:
”So kann etwa im Hochsommer die Außenlufttemperatur die Behaglichkeitsgrenze längst überschritten haben, die Temperatur in einem Gebäude aber immer noch als angenehm kühl empfunden werden; besonders bei manchen alten Gebäuden mit extrem starken und schweren Mauern ist dieser Effekt deutlich zu beobachten. Umgekehrt kann jedoch bei extrem leichter Bauweise die Innentemperatur weit über die Außentemperatur steigen, besonders bei starker Sonneneinstrahlung”.
Bei leichter Bauweise ist das Temperatur-Amplituden-Verhältnis extrem ungünstig. Eine äußere Temperaturveränderung pflanzt sich nur ungenügend gedämpft sofort nach innen fort und verursacht unangenehme Überheizungen, das allbekannte Barackenklima. Man versucht, dieses unbehagliche Wohnen durch eine kostenaufwendige apparative Gebäudeausrüstung zu mildern und handelt sich dabei weitere Nachteile ein. Auch die hohe Bauschadensanfälligkeit der Leichtbauweise infolge sorptionsverhindernder und diffusionsbehindernder Schichten wird ein Dauerthema bleiben.
Deshalb muß Wärmeschutz bei uns aus Dämmung und Speicherung bestehen. Bei der transparenten Wärmedämmung und auch beim Massiv-Absorber werden die Speichereigenschaften hoch gelobt, warum geschieht dies dann nicht bei der massiven Außenwand? Hier gilt eigenartigerweise nur der k-Wert – zur Freude der Dämmstoffindustrie und ihrer zahlreichen Paladine.
Diese Fehlentwicklung im Mauerwerksbau wird kurioserweise nun auch noch durch eine bewußte Fehlinterpretation der Thermografie scheinbar gestützt. Eine Infrarot-Kamera mißt die Wärmestrahlung, die maßgebend von der absoluten Temperatur der strahlenden Oberfläche abhängt. Je höher die Temperatur, desto höher die Strahlung. Dieses Naturgesetz wird in der Thermografie jedoch arglistig fehlgedeutet. Infolge absorbierter Solarstrahlung werden Oberflächentemperaturen bis zu 30°C und mehr erreicht, die dann gegenüber den kalten Oberflächen z. B. eines Wärmedämmverbundsystems besonders intensiv strahlen. Und nun wird eilfertig geschlußfolgert:
”Schlechte k-Werte bedeuten große Wärmeverluste”.
Geflissentlich wird verschwiegen, daß die abgestrahlte Energie von der Sonne und nicht vom Heizsystem des Gebäudes stammt. Solche Tricks sind schon fast zum Normalfall geworden.
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