Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
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90449 Nürnberg
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Niedrigenergie- und Passivhaus im Kreuzfeuer 7
Fakt Nr. 7:
Ein weiteres Kapitel ist das Gezeter um die Luftdichtheit des Gebäudes. Die Luftdichtheit der den Innenraum umgebenden Bauteile (Wand, Decke, Boden) wurde schon seit jeher gefordert. Dies war notwendig, um Zugerscheinungen im Innenraum, Kondensat und Feuchteschäden im Außenwandbauteil infolge Abkühlung der nach außen strömenden warmen Innenraumluft zu vermeiden.
Bei Massivbauten ist die Luftdichtheit immer gegeben, da eine verputzte Außenwand und die Massivdecke dies gewährleisten. Bei Skelettbauten jedoch läßt sich eine vollkommene Luftdichtheit konstruktiv-handwerklich nur schwer herstellen. Deshalb war es bei der Leichtbauweise bisher immer Stand der Technik, hinterlüftete Wand- bzw. belüftete Dachkonstruktionen zu wählen, damit eventuelles Kondensat ab- und weggelüftet werden konnte.
Mit der widersinnigen Abschaffung der belüfteten Konstruktion durch den "Vollwärmeschutz" entstehen bei Leicht- und Skelettkonstruktionen infolge der konstruktiv kaum zu vermeidenden Luftundichtheit automatisch Feuchteschäden durch Luftströmung. Die Bauschadensfälle nehmen rapide zu, die Bauherren sind sprachlos, die Planer ratlos. Dies aber kennzeichnet die unbelüftete Leichtbau- und Skelettkonstruktion insgesamt als eine sehr fragwürdige Konstruktion. Da helfen auch keine DIN-Details als akademisches Schreibtisch-Surrogat.
Anstatt nun bei solchen "windigen" Lösungen schleunigst zur belüfteten Konstruktion zurückzukehren, wird die "Luftdichtheitsprüfung" mit Blower-door-Test geboren, denn man war als Maschinenbauer oder Physiker nicht in der Lage und auch nicht gewillt, vom einmal verfügten Vollwärmeschutz-Dogma abzuweichen. Zur Begründung werden aber nun nicht die zu erwartenden Feuchteschäden, sondern die “beklagenswerten” Energieverluste genannt.
Die durch Luftundichtheit entstehenden Energieverluste sind jedoch gegenüber dem notwendigen stündlichen Luftwechsel vernachlässigbar gering. Man beachte nur den in der Wärmeschutzverordnung 1995 verfügten 0,8fachen Luftwechsel pro Stunde (dies wäre ein über 19facher Luftwechsel pro Tagesperiode), was einem Lüftungsbedarf von 2 m³/m² Nutzfläche entspricht. Man bedenke: 2 m³ Luft wird sowieso pro m² Nutzfläche und Stunde per Verordnung ausgetauscht, da spielen ein paar Undichtheiten energetisch wahrlich keine Rolle – aber die Feuchteschäden sind beängstigend und darüber wird überall geklagt. Die Lösung haben Maschinenbauer, Physiker und theoretisierende Akademiker sogleich zur Hand: Dichtheit – was bei Leichtkonstruktionen dauerhaft einfach nicht zu verwirklichen ist.
Hier also wird der Kunde wiederum unvollständig und falsch informiert. Ihm wird dabei vorgegaukelt, wenn die Dichtheit eines Gebäudes nicht gewährleistet sei, könne man jeglichen Wärmeschutz vergessen. Insofern bedeutet z. B. der Slogan "Luftdichtheit senkt den Energieverlust", mit dem Büros für die "Blower-Door-Messung" werben, eine Irreführung des Kunden. Allerdings eröffnet sich hier auch ein vielversprechender Markt, der bei Beachtung der "allgemein anerkannten Regeln der Technik" erst gar nicht entstanden wäre. Die ”Dienstleister” stehen jedoch schon Gewehr bei Fuß.
Zur vollendeten Farce wird das ”Dichtheitsproblem”, wenn nun alle Bauten, auch die Massivbauten, mit der Luftdichtheitsprüfung konfrontiert werden, obgleich für Massivbauten (Altbauten) die Gefahr einer Kondensatbildung im Außenwandgefüge nicht gegeben ist - soweit darauf kein Wärmedämmverbundsystem oder eine gedämmte Vorhangfassade kommt, die allnächtlich viele Stunden unter den Taupunkt auskühlt (Kondensataufnahme durch Taupunktunterschreitung). Es ist deshalb widersinnig, wenn die Höhe des stündlichen Luftwechsels von der Blower-door-Test-Luftdichtheitsprüfung abgängig gemacht wird und in der Energieeinsparverordnung EnEV einen Bonus erhält. Umgekehrt wäre es richtig, denn der notwendige Luftaustausch richtet sich nach hygienischen Erfordernissen und nicht nach den technischen Gegebenheiten.
Logik aber war noch nie Stärke der theoretisierenden Bauphysik.