Prof. Dr.-Ing. habil. Claus Meier
Architekt SRL
Neuendettelsauer Straße 39
90449 Nürnberg
Tel.: 0911/6897526 Fax: 0911/6897527
In Power-Management + Intec, Zeitschrift für integratives Gebäudemanagement, USV-Technik, Energie- und Facility-Management erschien in Ausgabe 2, April 2000 der folgende Artikel (Abbildungen hier nicht dargestellt):
Widersprüche im Wärmeschutz 1
Die allgegenwärtige k- (aktuell: U-) Wert Euphorie
Die Umsetzung des Wärmeschutzes nach der staatlichen Energieeinsparverordnung mit seinen erhöhten Anforderungen an die Gebäudedämmung wird hinsichtlich der Dämmstoffdicken immer aufwendiger und schwieriger. Eine bauphysikalische und wirtschaftliche Ausgewogenheit darf durch vermehrtes Auftreten methodischer Widersprüche bezweifelt werden.
Der Wärmeschutz von Gebäuden entwickelt sich durch Fixierung auf den U-Wert und die Dämmstoff-Dicke einseitig und recht fragwürdig. Die wahrnehmbaren Trends müssen deshalb immer auf ihre Plausibilität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit hin analysiert werden. Dabei geht es weniger um die Berücksichtigung veröffentlichter Meinungen, sondern ausschließlich um die Einbeziehung gesicherten Wissens. Naturgesetze, Mathematik und formale Logik bilden die Grundlage; die Aufforderung Kants, sich seines Verstandes ohne Leitung durch einen anderen zu bedienen, liefert die Handlungsanweisung.
Ein allgemein verbreiteter Trugschluß in unserer „Informationsgesellschaft“ besteht doch im Glauben, Meinung sei Wissen. Dabei sind dies doch drei völlig unterschiedliche Begriffsinhalte mit verschiedenartiger Bedeutung und Zuordnung.
Der Schein ersetzt also oft das Sein; bereiten wir uns also auf so manche Überraschung vor, denn viele Vorstellungen erweisen sich als Trugschluß. Die Transparenz und die Vollständigkeit einer Information wird deshalb zur Pflichtaufgabe eines jeden Anbieters, denn Enttäuschungen führen zu blamablen Folgen – das Vertrauen ist beschädigt.
Gültigkeit des k-Wertes/U-Wertes
Die Transmissionswärmeverluste der Außenhülle eines Gebäudes werden in den vorgeschriebenen Berechnungen ausschließlich durch den k-Wert quantifiziert, der jedoch nur für den Beharrungszustand, für stationäre Verhältnisse gilt, also nur die Dämmeigenschaft einer Konstruktion beschreibt. In unseren Breitengraden liegen jedoch wegen der 24 stündigen Solarstrahlungs-Periode ständig instationäre Verhältnisse vor, so daß die Speichereigenschaft der Außenwand ebenfalls zum Tragen kommt.
Bei gut speicherfähigem Material stellt sich der Beharrungszustand, also der stationäre Zustand, infolge der Wärmeträgheit erst recht langsam ein. Nach Cammerer liegt die dafür notwendige Zeit bei weit über 24 Stunden (siehe Abbildung 1). Der Beharrungszustand ist in Realität also eine Fiktion – nur in Klimakammern läßt er sich simulieren.
Speichern und Dämmen
Die Absorption direkter und diffuser Solarstrahlung durch Außenwände wird sogar durch Feist mit der Abbildung 2 in seinem Beitrag „Dämmen oder Speichern“ bekräftigt. Allerdings ist seine darin gemachte Aussage: „Die Speicherfähigkeit der Wand spielt in der Praxis keine Rolle", absolut falsch, denn Richtung und Größe eines Wärmestromes werden durch die Neigung der Temperaturkurve, dem Temperaturgradienten, gekennzeichnet. Somit führt die gezeigte Temperaturkurve zu einem Wärmefluß von außen zur Mitte der Wand. Die höhere Temperatur auf der Innenseite führt ebenfalls zu einem Wärmefluß in Richtung Mitte, der jedoch von dem von außen entgegenkommenden Wärmestrom gestoppt wird. Die Außenwand wird von zwei Seiten mit Energie aufgeladen, die eingespeicherte Energie kann während der Aufladungsphase am Tage nicht nach außen abfließen und wird "gestapelt"; sie steht als Energiereserve für die Entladungsphase in der Nacht zur Verfügung.
Eine speicherfähige Außenwand vereinnahmt insofern wertvolle Sonnenenergie kostenlos und stoppt den stationären Transmissionswärmeverlust von innen nach außen; Dies ist der bedeutsame Vorteil einer speicherfähigen, massiven Außenwand. Die Heizungsanlage wird dadurch entscheidend entlastet, wesentliche Einsparungen sind die Folge.
In unseren Breitengraden besteht Wärmeschutz deshalb aus Dämmung und Speicherung. Bei der transparenten Wärmedämmung und auch beim Massiv-Absorber werden die Speichereigenschaften hoch gelobt, warum geschieht dies dann nicht bei der massiven Außenwand?
Mit dem k-Wert wird somit fundamental falsch gerechnet. Dies benachteiligt den speicherfähigen Massivbau, der nun jedoch aufgrund der fehlerhaft berechneten großen k-Werte als „energieverschwendend“ bezeichnet wird und demzufolge energetisch „aufgerüstet“ werden soll. Die Energieeinsparverordnung soll dies erzwingen. Eine falsche Berechnung führt zu falschen Aussagen – und damit zu falschen Maßnahmen. Daß damit neben vielen anderen Nachteilen auch Feuchteschäden einhergehen, sei nur am Rande vermerkt.